Examensreport: ZR I 1. Examen aus dem Dezember 2017 Hamburg

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Teil 1

Die A-GmbH ist ein Busunternehmen und hat zu diesem Zweck Busse erworben und trägt alle anfallenden Kosten der Busse. Des Weiteren führt A Kontrolle vor Einstellung der Fahrer durch um ihre Tauglichkeit als Fahrer zu ermitteln. In den Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) hat die GmbH in der Ziffer 7 der ABB folgende Klausel:

7. Haftungsausschluss
Die GmbH sowie ihre Organe und Mitarbeiter haften nicht bei Schäden die während der Beförderung entstehen, es sei denn sie entstehen grob fahrlässig oder vorsätzlich.

Die ABB hingen gut sichtbar im Bus aus. Die Rentnerin R steigt mit ihrem Rollator und ihrem Hund in den Bus und kauft beim Busfahrer B eine Tagesfahrkarte. R setzt sich auf den einzigen freien Platz, der durch Symbole für Gehbehinderte gekennzeichnet ist. Sie sitzt mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Der Hund setzt sich auf ihren Schoß. Die R hält den Hund fest, anstatt sich an der seitlichen Haltestange festzuhalten. Sie bemerkt, dass dies nicht ausreichend ist. Jedoch denkt sie, ihr werde nichts passieren.

Der Busfahrer B fährt auf gerader Stecke in der Innenstadt. Aus einer Entfernung von 120 m bemerkt er Kinder zwischen acht und zwölf Jahren. Er nähert sich einer Sonderhaltestelle für Schulbusse. Des Weiteren bremst er von 50 km/h auf 30 km/h ab. Kurz bevor er sich der Haltestelle nähert stürzt eines der Kinder auf die Fahrbahn. Der B lenkt den Bus nach links und führt eine Vollbremsung durch. Die R rutscht daraufhin von ihrem Sitz und fällt mit den Knien auf den Boden. Sie erleidet schwere Knieprellungen.

Die R kann aufgrund ihrer Verletzung nicht mehr mit ihrem Rollator fahren, sondern muss das Taxi für ihre notwendigen Arztbesuche infolge des Unfalls benutzen. Hierbei entsteht ihr ein Schaden i.H.v. 200 Euro. Sie fragt sich, ob sie den Schaden von der A-GmbH und oder dem B ersetzen lassen kann. Außerdem glaubt sie, dass die ABB sowieso nicht zulässig ist.

B ist bis zu diesem Vorfall immer positiv aufgefallen.

Bearbeitervermerk:

  1. Vertragliche Ansprüche sowie der Anspruch aus §823 II BGB sind nicht zu prüfen.
  2. Gesetze des StVO sind unberücksichtigt zu lassen, außer: §§1 II, 3 I S. 2, und 3 Abs. 2a StVO

 

2. Teil

R sucht im Internet nach Flugtickets für einen Flug nach London. Sie wird auf der Internetseite der K-GmbH fündig. Dort wählt sie Tickets für den Hin- und Rückflug aus und füllt die Felder mit den erforderlichen Angaben aus. Sie gibt ihre E-Mail Adresse an, bemerkt aber dabei einen Zahlendreher nicht. Des Weiteren gibt sie ihre Postanschrift an. Ihre Telefonnummer hinterlässt sie allerdings nicht. Als Zahlungsmethode gibt sie ihr Bankkonto an. Auf der Internetseite wird deutlich sichtbar darauf hingewiesen, dass alle Angaben zu überprüfen sind. R bestätigt den Bestellvorgang zahlungspflichtig. Erneut werden ihr die Daten angezeigt und um eine Kontrolle dieser Daten gebeten. Auch hier übersieht R den Zahlendreher. Nach den Angaben der K-GmbH müsste R innerhalb von 24 Stunden eine Bestätigungsmail bekommen.

Noch am gleichen Abend versendet K-GmbH die Bestätigungsmail. Da die Mailadresse allerdings nicht existiert, kann die Mail nicht zugestellt werden. Hierüber wird die K-GmbH benachrichtigt. Daraufhin schickt die K-GmbH per Einschreiben an die Adresse der R die Bestellbestätigung. Allerdings kann der Postbote die R nicht erreichen und hinterlässt eine Benachrichtigung an die R, wobei der Absender nicht vermerkt ist. Die R vergisst, dass für sie ein Einschreiben vorliegt und ist in dem Glauben, da sie keine Bestellbestätigung bekommen hat, dass der Kauf der Tickets über die K-GmbH nicht funktioniert hat. Folglich geht sie in ein Reisebüro und kauft dort Flugtickets. Gleichzeitig wird der Betrag in Höhe von 650 Euro von der K-GmbH per Bankeinzug von dem Konto der R abgezogen. Als R dies später bemerkt, geht sie zum Anwalt und erkundigt sich nach ihren Rechten.

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

 

Unverbindliche Lösungsskizze

1. Teil: Im Bus
A. Ansprüche gegen B
I. § 823 I BGB

  1. Rechtsgutsverletzung

Hier: Körper

  1. Verletzungsverhalten

Hier: Vollbremsung

  1. Zurechnung (+)

  2. Rechtswidrigkeit (+)

  3. Verschulden
    Hier: Fahrlässigkeit, § 276 BGB; Arg.: §§ 1 II; 3 I 2; 3 IIa StVO

Aber: Evtl. Haftungsausschluss durch Ziff. 7 ABB

a) Auslegung
-> Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit
Hier: einfache Fahrlässigkeit; Arg.: Geschwindigkeit zumindest auf 30 km/h gedrosselt

b) Wirksamkeit
-> AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB

aa) AGB, § 305 I BGB (+)

bb) Einbeziehung, § 305 II BGB

Hier: Aushang

cc) Inhaltskontrolle
Hier: Unwirksamkeit gem. § 309 Nr. 7a BGB

dd) Rechtsfolge: Unwirksamkeit dieser Klausel, § 306 BGB
(Anmerkung: Vertretbar wäre auch die Annahme einer Unwirksamkeit gem. § 8a StVG)

  1. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB

Hier: 200 Euro Taxikosten

  1. Kein Ausschluss
    -> Mitverschulden, § 254 BGB
    Hier: R hatte ihren Hund auf dem Schoß und hat sich nicht an der Haltestange festgehalten -> 50 %

  2. Ergebnis: (+), i.H.v. 100 Euro

II. § 18 StVG

  1. Rechtsgutsverletzung (+)

  2. Bei Betrieb eines KfZ (+)

  3. Fahrzeugführer (+)

  4. Verschulden
    -> Vermutet
    -> Keine wirksamer Ausschluss (s.o.)

  5. Kein Ausnahme
    -> Kein unabwendbares Ereignis, § 7 II StVG (+)

  6. Rechtsfolge: Schadensersatz

  7. Kein Ausschluss
    Hier: Mitverschulden, § 9 StVG -> 50 %

  8. Ergebnis: (+), i.H.v. 50 %
    B. Ansprüche gegen die A-GmbH

I.§823 I BGB
(-); Arg.: kein eigenes Verschulden der A-GmbH und keine Zurechnung über § 278 BGB

II. § 831 BGB

  1. Verrichtungsgehilfe
    (+); Arg.: B bei der A-G-GmbH angestellt

  2. Unerlaubte Handlung des B (+), s.o.

  3. In Ausführung (+)

  4. Verschulden des Geschäftsherrn
    -> Vermutet

  • Aber: Exkulpation, § 831 I 2 BGB; Arg: „bisher immer positive aufgefallen“
  1. Ergebnis: (-)
    III. § 7 I StVG

  2. Rechtsgutsverletzung (+)

  3. Bei Betrieb eines Kfz (+)

  4. Halter
    (+); Arg.: A-GmbH hat den Bus erworben und unterhalten

  5. Keine Ausnahme
    -> Haftungsausschluss unwirksam, § 8a StVG

  6. Rechtsfolge: Schadensersatz (+)

  7. Kein Ausschluss
    Hier: Mitverschulden, § 9 StVG -> 50 %

  8. Ergebnis: (+), i.H.v. 100 Euro

C. Gesamtergebnis
Die R hat gegen B und die A-GmbH einen Anspruch auf Zahlung von 100 Euro. B und die A-GmbH haften als Gesamtschuldner, § 840 BGB.

2. Teil: Das Flugticket

A. Zulässigkeit der Klage

  • Sachliche zuständig: AG, §§ 23, 71 GVG
  • Partei- und Prozessfähigkeit der K-GmbH, §§ 50, 51 ZPO, §§ 13 I, 35 GmbHG

B. Begründetheit
-> Anspruch R gegen K-GmbH der eingezogenen 650 Euro

I. § 812 I 1 1. Fall BGB

  1. Etwas erlangt
    Hier: Gutschrift i.H.v. 650 Euro

  2. Durch Leistung R an K-GmbH
    Hier: Einzug aufgrund einer Einzugsermächtigung der R; Bank nur Zahlstelle der R

  3. Ohne Rechtsgrund
    -> Werkvertrag, §§ 631 ff. BGB (Beförderungserfolg)

a) Einigung

aa) Angebot

(1) Einstellen des Onlineformulars

(-); Arg.: nur invitatio ad offerendum

(2) Ausfüllen und Absenden des Onlineformulars (+)

bb) Annahme
-> Bestätigungsmail

(1) Willenserklärung (+)

(2) Wirksamwerden
-> Zugang (-)

  • Aber: fahrlässige Zugangsvereitelung durch fehlerhafte Angaben auf dem Online- Formular
    -> Erneute Zustellung erforderlich, gilt aber als rechtzeitig bewirkt, § 242 BGB
    Hier: Erneute Zustellung per Einschreiben; Nichtabholung der R trotz Benachrichtigung geht zu lasten der R; Nichtangabe des Absenders unerheblich (andere Ansicht vertretbar).

b) Wirksamkeit (+)

  1. Ergebnis: (-)

II. Weitere Anspruchsgrundlagen (-)