Examensreport: ZR III aus dem September 2017 Bayern

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Ausgangsfall:

Im Jahre 2007 lernen sich Tassilo (T) und Kerstin (K) bei einer Party kennen und lieben. Im Sommer 2010 beschließen, T und K zusammenzuziehen. K kauft zu diesem Zweck ein Grundstück etwas außerhalb von Augsburg. Sie wird als alleinige Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im November 2010 soll es mit dem gemeinsamen Bau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück losgehen. Die Kosten belaufen sich auf 350.000 Euro. Davon trägt der T 175.000 Euro. Zu diesem Zwecke löst der T – was K auch weiß – seine Lebensversicherungen auf, die eigentlich seiner Altersvorsorge dienen sollte. Beide sind überglücklich, als sie im Sommer 2011 in das gemeinsame Heim einziehen können. Eine Eheschließung kommt aus Überzeugung für beide nicht in Betracht.

Im Januar 2016 tritt der T eine neue Stelle an, die ihn zeitlich sehr in Anspruch nimmt. K fühlt sich vernachlässigt und geht eine kurze Affäre mit einem Arbeitskollegen ein. T und K trennen sich deswegen und weil sie sich wohl tatsächlich auch auseinander gelebt haben. Auf Wunsch der K zieht der T im Sommer 2016 aus.

T ist der Auffassung, dass ihm nunmehr wegen seines Beitrages zum Hausbau Ausgleichsansprüche gegen die K zustehen müssten. Er sei davon ausgegangen, dass die Beziehung bestand haben werde und dass er dauerhaft in dem Haus wohnen werde. Auch im Falle der Scheidung eine Ehe hätte er Ansprüche gehabt. Insgesamt halte er die K für undankbar. Die K entgegnet, dass es keine ausdrückliche Absprache gegeben habe. Auch sie habe in die Beziehung investiert. Schließlich habe der T auch 5 Jahre in dem Haus gelebt.

T wendet sich an den Rechtsanwalt R und beauftragt diesen, ein Gutachten zu erstellen, ob ihm, dem T, Ansprüche gegen die K aus dem geschilderten Lebenssachverhalt zustehen.

Aufgabe: Fertigen Sie das Gutachten des R.

Fortsetzung:

Nach der Trennung von K lernt der T die S kennen. T und S heiraten am 01.12.2016 und beziehen gemeinsam eine Mietwohnung in der Augsburger Innenstadt. Am 15.12.2016 schließt der T mit der V-GmbH einen Stromliefervertrag für die genannte Wohnung. Die V-GmbH wird durch den Alleingeschäftsführer G vertreten. T erwähnt mit keinem Wort die S.

Bereits am 01.05.2017 erklären S und T die Ehe für gescheitert. Die S zieht noch am selben Tag aus der gemeinsamen Wohnung aus.

Aufgrund von Spielschulden hat der T seit Februar 2017 keine Stromrechnung mehr bezahlt, weshalb die V-GmbH, vertreten durch G, den Stromlieferungsvertrag zum 31.07.2017 kündigt. Mit Schreiben vom 08.08.2017 fordert die V-GmbH den T auf, die aufgelaufenen Stromrechnungen in Höhe von insgesamt 500 Euro zu begleichen. 150 Euro entfallen dabei auf die Zeit vom 01.02. bis zum 30.04.2017, 350 Euro auf die Zeit

vom 01.05. bis zum 31.07.2017. T erklärt gegenüber der V-GmbH, dass er den Betrag nicht bezahlen könne. Außerdem weist er die V-GmbH nunmehr darauf hin, dass seine Ehefrau bis zum 30.0.2017 die Wohnung mitgenutzt habe.

Am 05.09.2017 erhebt die V-GmbH Klage gegen die Eheleute T und S als Gesamtschuldner, und verlangt von diesen Zahlung von 500 Euro. Mit Erfolg?

Unverbindliche Lösungsskizze

Ausgangsfall: Auseinandersetzungsanspruch T gegen K auf Zahlung von 175.000 Euro

A. Partnerschaftsvertrag, §§ 311 I, 241 I BGB
(-); Arg.: kein Erklärungswille (= Rechtsbindungswille)

B. § 488 I 2 BGB
(-); Arg.: kein Erklärungswille; keine Rückzahlung vereinbart

C. §§ 530, 531 II, 812 ff. BGB
(-); Arg.: kein Erklärungswille; keine eigentliche Unentgeltlichkeit, da jeder Beiträge zur Lebensgemeinschaft leistet; Trennung bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft kein grober Undank.

D. §§ 730, 731, 733 BGB
(-); Arg.: kein Erklärungswille

E. § 1378 BGB (analog)
(-); Arg.: keine Ehe; keine Vergleichbarkeit; „Abstandsgebot“ des Art. 6 I GG

F. § 1298 BGB (analog)
(-); Arg.: kein Verlöbnis; keine Vergleichbarkeit mangels Zukunftsversprechen

G. § 812 I 1 1. Fall BGB

H. § 812 I 2 1. Fall BGB
(-); Arg.: Beitrag keine „Leistung“, da nicht zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit erbracht

J. § 812 I 2 2. Fall BGB

I. Etwas erlangt (+)

II. Zweckfortfall

  • Fortbestand der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (-); Arg.: kein rechtlich erheblicher Zweck
  • Hausbau (-); Arg.: Zweck erreicht
  • Zukünftiger Wohnraum (+); Arg.: Erheblichkeit des Beitrages; Erwartung geht über den bloßen Bestand der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hinaus

III. Ergebnis: (+)
Fortsetzung: V-GmbH gegen T und S auf Zahlung von 500 Euro

A. V-GmbH gegen T, § 433 II BGB

I. Einigung
(+); Arg.: Stromlieferungsvertrag = Kaufvertrag

  • Stellvertretung der V-GmbH durch G, §§ 164 ff. BGB, § 35 GmbHG

II. Wirksamkeit (+)

III. Ergebnis: (+)

B. V-GmbH gegen S

I. §§ 433 II, 164 ff. BGB
(-); Arg.: T handelte nicht auch im Namen der S

II. §§ 433 II, 1357 I 2 BGB

  1. Wirksame Ehe (+)

  2. Geschäfts zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs (+)

  3. Keine Offenlegung als Eigengeschäft
    (+); Arg.: Bei Vertragsschluss keine Angaben durch T

  4. Keine Beschränkungen, §§ 1357 II, 1412 BGB (+)

  5. Kein Getrenntleben

a) Zeitraum 01.02.-30.04.2017 (+)

b) Zeitraum 01.05.-31.07.2017
(-), aber: Kein Getrenntleben zum maßgeblichen Zeitpunkt der Begründung des Dauerschuldverhältnisses.

  1. Ergebnis: (+)