A. Sachverhalt (leicht vereinfacht und abgewandelt)
Mit als Kostenvoranschlag bezeichnetem Schreiben vom 3.7.2012 bot der Unternehmer B dem K die Entfernung des alten sowie die Beschaffung und Verlegung eines neuen Teppichbodens in dessen privaten Wohnhaus zu einem Gesamtpreis von 15.000 Euro an; mit Telefax vom 5.7.2012 nahm K das Angebot an.
B kam einige Tage später zu einem Treffen in das Privathaus des K, bei dem es zu einer Änderungsvereinbarung: B sollte nur eine Rechnung über 10.000 Euro erstellen, die zudem die Arbeiten als solche für vermietete Wohnungen des K deklarieren sollte, damit dieser die Kosten steuerlich absetzen konnte. Zudem wurde die Vergütung um 2.000 Euro herabgesetzt; die Zahlung des Restbetrages in Höhe von 3.000 Euro sollte ohne Rechnung und ohne Abführung von Umsatzsteuer erfolgen. Im August 2012 führte B die Arbeiten aus.
B erstellte wie verabredet eine Rechnung lediglich über einen Betrag von 10.000 Euro, der sich wahrheitswidrig zudem auf Verlegearbeiten in Wohnungen in einem vermieteten Wohnhaus des K bezog; diesen Betrag überwies K. Mit Schreiben vom 11.4.2013 erklärte K wegen behaupteter Mängel den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Rückzahlung der gezahlten 10.000 Euro.
Zu Recht?
B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 16.3.2017 – VII ZR 197/16)
I. Anspruch aus §§ 634 Nr. 3, 323, 346 I BGB
K könnte B einen Anspruch auf Zahlung von 10.000 Euro aus §§ 634 Nr. 3, 323, 346 I BGB zustehen. Dazu müssten die Parteien einen wirksamen Werkvertrag iSv § 631 BGB geschlossen haben. K und B haben unter dem 3.7.2012/5.7.2012 einen Vertrag über die Entfernung und Verlegung eine neuen Teppichbodens geschlossen (§§ 145 ff. BGB). B schuldete einen Erfolg (§ 631 II BGB), sodass der Vertrag als Werkvertrag einzuordnen ist.
Ursprünglich bestanden keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages. Der Vertrag könnte allerdings nachträglich unwirksam geworden sein. K und B haben einige Tage später eine Änderungsvereinbarung („Ohne-Rechnung-Abrede“) getroffen, wonach B ermöglicht werden sollte, die Einnahmen unter Verstoß gegen steuerrechtliche Pflichten (§ 14 II Nr. 1 UStG, § 18 UStG, § 25 III EStG, § 370 AO) den Finanzbehörden zu verheimlichen und K einen Preisvorteil erzielen sollte.
Diese Vereinbarung könnte nach § 134 BGB iVm § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG nichtig sein. § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Daher handelt es sich bei § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG um ein Verbotsgesetz iSv § 134 BGB, sodass Verträge nichtig sind, wenn der Unternehmer vorsätzlich gegen § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt:
„a) § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 13; Urteil vom 11. Juni 2015 - VII ZR 216/14, BGHZ 206, 69 Rn. 10).
Ohne Rechtsfehler und von der Revision im Ausgangspunkt auch nicht in Frage gestellt nimmt das Berufungsgericht an, dass die von ihm festgestellten Vereinbarungen der Parteien auf das Leisten von Schwarzarbeit im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG gerichtet sind. Der Beklagte sollte hiernach Werkleistungen erbringen, ohne als Steuerpflichtiger die sich auf Grund der Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten zu erfüllen (vgl. nur § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG; § 18 UStG; § 25 Abs. 3 EStG; § 370 AO).“
Fraglich ist allerdings, ob der Werkvertrag dadurch insgesamt nichtig ist bzw. geworden ist. Zu beachten ist, dass zwischen K und B zunächst ein wirksamer Werkvertrag geschlossen wurde. Die gegen § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG verstoßende Ohne-Rechnung-Abrede haben die Parteien erst nachträglich vereinbart.
Der BGH entscheidet, dass die Nichtigkeit derartiger Werkverträge sich nicht auf den Fall beschränke, dass sie von vornherein auf das Leisten von Schwarzarbeit gerichtet sind. Ebenso unwirksam sind sie, wenn ein zunächst nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßender Vertrag nachträglich so abgeändert wird, dass er nunmehr von dem Verbot des § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG erfasst wird.
Dazu verweist er zunächst auf den Wortlaut und Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes:
„Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Verbots treffen beide Fallgestaltungen gleichermaßen. Ziel des Gesetzes ist es, die Schwarzarbeit schlechthin zu verbieten und den Leistungsaustausch zwischen den “Vertragspartnern” zu verhindern (BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 15, 17). Es will nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zugrunde liegenden Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung nehmen (BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 17).“
In der Literatur wird vertreten, dass es zu einer wirksamen Abänderung des ursprünglich und rechtsgültig geschlossenen Werkvertrages gar nicht komme. Bereits die Änderungsvereinbarung selbst sei unwirksam, weswegen ursprüngliche nicht zu beanstandende Vertrag weiter gelte. Es sei also nur die Änderungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nichtig.
Dieser isolierten und recht formalistischen Prüfung der Ohne-Rechnung-Abrede tritt der BGH entgegen:
„Die Auffassung, die meint, es sei (nur) die Änderungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nichtig (vgl. Lorenz in Festschrift für Buchner, 2009, S. 571, 573 f.; ders., NJW 2013, 3132, 3134; Jerger, NZBau 2016, 137; BeckOGK/Vossler, BGB, Stand: 15. November 2016, § 134 Rn. 303.2), berücksichtigt nicht ausreichend, dass diese - isoliert betrachtet - nicht die Voraussetzungen einer Schwarzarbeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG erfüllt und deshalb auch nicht in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist. § 1 Abs. 2 SchwarzArbG setzt die Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen voraus. Die inkriminierte Änderungsvereinbarung betrifft jedoch nur die Umstände der Zahlung (keine Rechnung, keine Umsatzsteuer, Barzahlung) verbunden mit einer Verringerung des Entgelts. Erst die Verknüpfung mit der zu erbringenden Dienst- oder Werkleistung macht den Vorgang zur Schwarzarbeit. Gerade deshalb hat die Schaffung des Schwarzarbeitstatbestandes des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG umgekehrt dazu geführt, dass die Verstöße gegen steuerrechtliche Pflichten bereits ohne weiteres zur Nichtigkeit des gesamten zugrunde liegenden Werkvertrages führen. Eine isolierte Prüfung nur der Ohne-Rechnung-Abrede erfolgt nicht (BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 29). Ebenso wenig wie bei einer anfänglichen Verknüpfung der Vereinbarung einer Dienst- oder Werkleistung mit einer Ohne-Rechnung-Abrede führt die spätere Zusammenführung zu der Möglichkeit, die Ohne-Rechnung-Abrede isoliert unter dem Gesichtspunkt der Schwarzarbeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG für unwirksam zu halten. Vielmehr liegt mit der Änderung des Ursprungsvertrags Schwarzarbeit vor, die zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führt (im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart,BauR 2016, 669= NZBau 2016, 173; Popescu, ZfBR 2015, 3, 5; BeckOGK/Kober, BGB, Stand: 1. Februar 2017, § 634 Rn. 47.2).“
Dass die Ohne-Rechnung-Abrede auch im Hinblick auf einen Verstoß gegen steuerrechtliche Verbotsvorschriften isoliert unwirksam sein kann, ändere daran nichts:
„cc) An dem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass die Ohne-Rechnung-Abrede auch im Hinblick auf einen Verstoß gegen steuerrechtliche Verbotsvorschriften isoliert unwirksam sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2008 - VII ZR 42/07, BGHZ 176, 198 Rn. 7 f. m.w.N.). Ein solcher zusätzlicher Unwirksamkeitsgrund führte nicht dazu, dass § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG in Verbindung mit § 134 BGB nicht mehr anwendbar wäre. Denn er zwänge nicht dazu, die Ohne-Rechnung-Abrede bei der Prüfung außer Betracht zu lassen. Weder denknotwendig noch aufgrund des Zwecks beider Unwirksamkeitsgründe wäre das steuerrechtliche Verbot mit der Folge isolierter Unwirksamkeit der Ohne-Rechnung-Abrede vorrangig zu berücksichtigen.
Durch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz soll nicht allein der Steuerhinterziehung begegnet und damit ein fiskalischer Zweck verfolgt werden; mit der gesetzlichen Regelung soll vielmehr auch die mit der Schwarzarbeit einhergehende Wettbewerbsverzerrung verhindert oder zumindest eingeschränkt werden. Sie dient damit auch dem Schutz gesetzestreuer Unternehmer und Arbeitnehmer (BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 19). Diesem Ziel ist nicht dadurch gedient, Parteien, die sich - nachträglich für die Durchführung eines verbotenen Geschäfts entschieden haben, dieses Vorhaben mit Rechtswirkungen im Rahmen des Erlaubten zu ermöglichen.“
Damit ist der Werkvertrag nach § 134 BGB iVm § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG nichtig (geworden); vertragliche Ansprüche scheiden aus.
II. Anspruch aus § 817 S. 1 BGB
Blogleser wissen, dass der BGH seit einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 unter Abkehr von der früheren Rechtsprechung davon ausgeht, dass einem Rückforderungsanspruch § 817 S. 2 BGB entgegenstehe. An der früheren Rechtsprechung, wonach § 817 S. 2 BGB teleologisch zu reduzieren sei, sei nicht festzuhalten. Die Anwendung von § 817 S. 2 BGB sei notwendig, um Schwarzarbeit wirksam einzudämmen. Diese Grundsätze bestätigt der BGH auch im vorliegenden Fall:
„Einen Bereicherungsanspruch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - VII ZR 216/14, BGHZ 206, 69 Rn. 12 - 17) verneint, § 817 Satz 2 Halbsatz 1 BGB.“
III. Anspruch aus § 812 I 1 Var. 1 BGB
Der Ausschluss des Anspruchs aus § 817 S. 2 BGB gilt auch für die allgemeine Leistungskondiktion.
C. Fazit
Mit der aktuellen Entscheidung fügt der BGH der beliebten Prüfungsthematik „Rechtsfolgen von Verstößen gegen das SchwarzArbG“ eine weitere Facette hinzu. Der Fall sollte zum Anlass genommen werden, die Grundsätze der dazu ergangenen Rechtsprechung zu wiederholen (siehe dazu auch unsere Aufarbeitung des “Schwarzarbeiterfalls 2.0” im Urteilsticker).
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen