Austauschmotor-Fall

A. Sachverhalt

Der Beklagte erteilte am 16. Januar 1971 namens der Firma L. & Co. Gerätebau GmbH K. (künftig: GmbH) der Klägerin u.a. den Auftrag, in einen der GmbH gehörenden Pkw Mercedes 220 D einen Austauschmotor einzubauen. Nach der Reparatur wurde der Pkw um den 22. Januar 1971 dem Beklagten ausgehändigt. Nach der Behauptung der Klägerin soll dieser wenig später den Pkw erworben haben, während er geltend macht, der Pkw sei Mitte Februar 1971 von der GmbH an die Firma NZK S. GmbH (künftig: Firma NZK) veräußert worden. Die Rechnungen der Klägerin für den Austauschmotor und die Reparaturarbeiten wurden nicht bezahlt. Anfang März 1971 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.
 
Die Klägerin behauptet, aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen Eigentümerin des Austauschmotors geblieben zu sein, und verlangt mit der Klage die Herausgabe des Austauschmotors Nr. 245803 für einen Pkw Mercedes 220 D.  

Schwerpunkte des Falls:

 - [Gesetzlicher Eigentumserwerb gemäß §§ 937 ff. BGB](https://jura-online.de/lernen/gesetzlicher-eigentumserwerb-937-ff-bgb/3742/excursus?utm_campaign=Klassiker_Austauschmotor-Fall)

 

B. Worum geht es?

Im Mittelpunkt der Entscheidung stehen grundlegende sachenrechtliche Fragestellungen: Das Berufungsgericht hatte gemeint, die Klägerin habe in jedem Fall das Eigentum an dem Austauschmotor verloren, weil dieser durch Einbau wesentlicher Bestandteil des Fahrzeugs geworden sei, wodurch das Eigentum an dem Austauschmotor gemäß §§ 947 II, 93 BGB auf den Eigentümer des Fahrzeugs übergegangen sei. Der BGH hatte damit die folgende Frage zu beantworten:

Ist ein serienmäßig hergestellter Austauschmotor wesentlicher Bestandteil des Fahrzeugs, wenn er in ein Gebrauchtfahrzeug eingebaut wird?

 

C. Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH hebt im Austauschmotor-Fall (Urt. v. 27.6.1973 – VIII ZR 201/72 (BGHZ 61, 80 ff.)) das Urteil der Vorinstanz auf. Ein serienmäßig hergestellter Motor eines Kraftfahrzeugs sei auch dann nicht dessen wesentlicher Bestandteil, wenn das Kraftfahrzeug, in das er eingebaut wurde, nicht mehr im Eigentum des Herstellungsbetriebes steht, sondern veräußert ist. Das gelte auch für einen in ein Gebrauchtfahrzeug eingebauten serienmäßigen Austauschmotor.
 
Zunächst stellt der BGH dar, dass im Regelfall ein serienmäßig hergestellter Kfz-Motor nicht wesentlicher Bestandteil des Kraftfahrzeugs sei. Schon früher habe der IV. Senat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein serienmäßig hergestellter Motor eines Kraftfahrzeugs jedenfalls so lange nicht dessen wesentlicher Bestandteil ist, als dieses noch im Eigentum des Herstellungsbetriebes steht. Ein serienmäßig hergestellter Motor eines Kraftfahrzeugs sei auch dann nicht wesentlicher Bestandteil desselben, wenn das Kraftfahrzeug, in das er eingebaut wurde, nicht mehr im Eigentum des Herstellungsbetriebes steht, sondern veräußert ist:

„Wie der IV. Senat ausgeführt hat, ist ein Kraftfahrzeug eine zusammengesetzte einheitliche Sache. Der in dem Kraftfahrzeug eingebaute Motor hat durch den Einbau seine frühere Eigenschaft als selbständige Sache verloren und ist Bestandteil einer einheitlichen Sache geworden. Da § 93 BGB die einheitliche Sache nur schützt, wenn die Zerlegung der Sache die Zerstörung oder Wesensveränderung eines der Bestandteile zur Folge hätte, und da durch den Ausbau des Motors weder dieser noch die sonstigen Bestandteile des Kraftfahrzeugs zerstört oder beschädigt werden, kommt es darauf an, ob hierdurch die Bestandteile in ihrem Wesen verändert werden. Für die Frage, wann durch die Trennung von Bestandteilen deren Wesen verändert, wird, ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Entscheidend ist, ob die Bestandteile in der bisherigen Art wirtschaftlich genutzt werden können, wobei die Nutzung in der Hand verschiedener Eigentümer unterschiedlich sein kann. Der KFz-Motor kann jederzeit als Antriebsmaschine für andere Fahrzeuge oder stationär verwandt werden. Die übrigen Bestandteile sind nach dem Ausbau des Motors auch dann, wenn das Kraftfahrzeug nicht mehr im Eigentum des Herstellungsbetriebes steht und nicht zur Veräußerung bestimmt ist, gleichfalls in der bisherigen Weise zu verwenden. Es kann ein anderer Motor eingebaut und dadurch wieder ein betriebsfertiges Kraftfahrzeug geschaffen werden. Daß für den Einbau eines anderen Motors Aufwendungen erforderlich sind, rechtfertigt nicht eine andere Beurteilung. Denn diese Aufwendungen belaufen sich auf einen Bruchteil des Wertes des Motors.“

 
Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch, wenn in ein Gebrauchtfahrzeug ein serienmäßiger Austauschmotor eingebaut und in Gebrauch genommen wird.
 
Dafür spreche bereits, dass auch ein in Gebrauch genommener Austauschmotor nach seinem Ausbau in der gleichen Weise wie bisher verwandt und ohne Weiteres in ein anderes Fahrzeug des gleichen Typs eingebaut werden könne:

„Wie dargelegt wurde, wird ein Bestandteil einer einheitlichen Sache dann wesentlich verändert, wenn er in der bisherigen Weise nicht wirtschaftlich genutzt werden kann. Die wirtschaftliche Nutzung der einzelnen Bestandteile eines Kraftfahrzeugs kann in der Hand verschiedener Eigentümer unterschiedlich sein. Daraus läßt sich indessen nicht folgern, die Frage, ob die Bestandteile nach ihrer Trennung in der bisherigen Art wirtschaftlich genutzt werden können, sei danach zu beurteilen, ob derjenige, in dessen Hand sie sich befinden, sie in der bisherigen Art nutzen kann. Entscheidend ist nicht, ob der Austauschmotor sich in der Hand eines Privatmannes oder eines Betriebes befindet, der ihn jederzeit für ein anderes Fahrzeug in gleicher Weise verwenden kann. Maßgebend ist allein, ob der Austauschmotor als solcher in der bisherigen Art wirtschaftlich genutzt werden kann. Die gegenteilige Meinung des Berufungsgerichts ist mit dem Gesetz nicht vereinbar. Denn § 93 BGB stellt nicht darauf ab, ob der Bestandteil aufgrund der besonderen Verhältnisse desjenigen, in dessen Hand er sich befindet, weiterhin wirtschaftlich genutzt werden kann, sondern ob er überhaupt weiterhin wirtschaftlich verwendbar ist. Da ein in Gebrauch genommener Austauschmotor nach seinem Ausbau in der gleichen Weise wie bisher verwandt und ohne weiteres in ein anderes Fahrzeug des gleichen Typs eingebaut werden kann, ist er nicht wesentlicher Bestandteil des Kraftfahrzeugs, in das er eingebaut ist.“

 
Dem stehe nicht entgegen, dass der Einbau eines neuen Austauschmotors im Hinblick auf den Verschleiß der übrigen Bestandteile des Fahrzeuges möglicherweise wirtschaftlich nicht sinnvoll ist:

„Es kommt nur darauf an, ob bei einer Zerlegung des Kraftfahrzeugs der Austauschmotor oder die übrigen Bestandteile, das Restfahrzeug, eine wesentliche Wertminderung erleiden, weil sie nicht mehr in der bisherigen Art genutzt werden können. Das ist auch dann nicht der Fall, wenn der Zustand des Restfahrzeuges die volle Ausnutzung des Austauschmotors nicht erlaubt. Ob ein Austauschmotor dann wesentlicher Bestandteil des Kraftfahrzeugs würde, wenn nach seinem Ausbau entweder er oder die übrigen Bestandteile des Kraftfahrzeugs nur noch Schrottwert hätten (vgl. BGHZ 20, 159, 162), kann dahingestellt bleiben. Denn das ist hier nicht behauptet und nicht festgestellt.“

 
Zudem sei das das volkswirtschaftliche Interesse an der Erhaltung der einheitlichen Sache nicht sehr erheblich, wenn die Trennung und Wiederzusammensetzung der Bestandteile ohne jede Beschädigung und ohne erheblichen Arbeitsaufwand erfolgen könne:

„Bei dem Ausbau eines Kfz-Motors und seinem Einbau in ein anderes Kraftfahrzeug werden weder der Motor noch eines der Kraftfahrzeuge beschädigt. Die Aufwendungen für den Aus- bzw. Einbau sind auch bei einem Austauschmotor erheblich geringer als dessen Wert. Bei diesem Wert haben aber die Reparaturwerkstätten ein berechtigtes Interesse, sich durch einen Eigentumsvorbehalt dagegen zu sichern, daß sie bei einer Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers nicht nur der Vergütung für die geleistete Arbeit verlustig gehen, sondern auch das Eigentum an dem Austauschmotor verlieren. Was der IV. Senat insoweit für die Zulieferfirmen ausgeführt hat (BGH a.a.O.), gilt auch für Reparaturwerkstätten. Es wäre volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigt, wenn die Reparaturwerkstätten ihre Rechte schon mit der Ingebrauchnahme eines Austauschmotors verlieren sollten, obwohl nach einem Ausbau des Motors sowohl dieser wie die übrigen Bestandteile des Kraftfahrzeugs in der bisherigen Art verwandt werden können.“

 

D.Fazit

Der gesetzliche Eigentumserwerb nach §§ 946 ff. iVm §§ 93 ff. BGB gehört zum sachenrechtlichen Grundwissen und spielt immer wieder in klausurgeeigneten Fällen eine Rolle (s. bspw. BGH Urt. v. 17.3.2017 – V ZR 70/16, das wir im Urteilsticker vorgestellt haben). Die Grundzüge und Strukturen der Regelungen sollten daher sicher beherrscht werden. Der Austauschmotor-Fall ist ein guter Anlass, sich die Normen vertiefend anzusehen. In den kommenden Wochen werden wir an dieser Stelle weitere Entscheidungen zu diesem Themenbereich vorstellen.