A. Sachverhalt
Der Angeklagte hatte Ende Februar/Anfang März 1989 in der Filiale der Stadtsparkasse K. in R. mit Hilfe von ihm entwickelter Geräte an einem Geldausgabeautomaten zahlreiche Kontendaten und Geheimnummern für codierte Automatenscheckkarten gesammelt und gespeichert. Die Daten übertrug er mit Hilfe eines Codiergerätes auf Scheckkarten-Blankette. In der Zeit vom 19. April bis zum 7. Juli 1989 hob der Angeklagte mit Hilfe dieser Kopien an Geldautomaten in K. und mehreren Städten der Niederlande von fremden Konten Geldbeträge in einem Gesamtwert von etwa 140.000,– DM ab. In Höhe von 74.700, DM gingen die missbräuchlichen Geldabhebungen zu Lasten der Stadtsparkasse K., die - ebenso wie die anderen betroffenen Kreditinstitute - verpflichtet war, die Schäden im Verhältnis zu ihren Kunden zu tragen. Die Geldabhebungen waren nur möglich, weil die vom Angeklagten benutzten Geldausgabeautomaten entweder das gegen die Verwendung unechter Karten eingerichtete MM-Sicherheitssystem (MM-Box) nicht hatten oder diese Sicherung defekt war, die Automaten aber dennoch in Betrieb blieben.
B. Worum geht es?
Die Angeklagte hat sich durch den Einsatz gefälschter EC-Karten erhebliche Geldbeträge verschafft. Eine Strafbarkeit wegen Betruges scheidet aber aus, weil Geldautomaten nicht im Sinne des § 263 I StGB getäuscht werden können. Insoweit käme eine Strafbarkeit nur unter dem Gesichtspunkt eines Eigentumsdelikts (§§ 242, 246 StGB) an den entnommenen Geldscheinen in Betracht. Mit Wirkung zum 1.8.1986 (Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität) hat der Gesetzgeber indes reagiert und mit dem Computerbetrug nach § 263a StGB einen neuen Straftatbestands geschaffen, dessen dritte Variante („unbefugte Verwendung von Daten“) einschlägig sein könnte.
Der BGH hatte damit die folgende Frage zu beantworten:
Macht man sich wegen Computerbetruges (§ 263 I Var. 3 StGB) strafbar, wer man mit Hilfe einer gefälschten EC-Karte Geld aus einem Bankautomaten entnimmt?
C. Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH bejaht im EC-Karten-Fall II (Urt. v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91 (BGHSt 38, 120 ff.)) eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Computerbetruges wegen unbefugter Verwendung von Daten (§ 263a I Var. 3 StGB). Der Angeklagte habe in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, zunächst das Vermögen der Kontoinhaber – zumindest im Sinne einer Vermögensgefährdung – und letztlich die Stadtsparkasse K. und anderer Kreditinstitute, die die von den missbräuchlichen Geldabhebungen betroffenen Kundenkonten ausgleichen mussten, dadurch geschädigt, dass er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorganges durch unbefugte Verwendung richtiger Daten beeinflusste.
Zunächst führt der BGH aus, dass das Merkmal „Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs“ erfüllt sei. Eine Beeinflussung in diesem Sinne könne auch dann vorliegen, wenn der Täter den Datenverarbeitungsvorgang erst in Gang setze:
„Der vereinzelt vertretenen Auffassung, eine Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorganges liege in derartigen Fällen nicht vor, weil der Begriff der Beeinflussung die Existenz eines bereits in Gang gesetzten Datenverarbeitungsvorganges voraussetze (vgl. Kleb-Braun JA 1986, 249, 259; Jungwirth MDR 1987, 537, 543), vermag der Senat nicht zu folgen. Einfluß auf ein Ergebnis nimmt gerade auch derjenige, der einen Kausalverlauf unter Verwendung bestimmter Mittel in Gang setzt, die von Dritten geschaffen und bereitgestellt wurden, um ein anderes Ergebnis (nämlich die Auszahlung an den Berechtigten) zu erreichen (vgl. auch Otto JR 1987, 221, 224; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 263 a Rdn. 10; Dreher/Tröndle, StGB 45. Aufl. § 263 a Rdn. 8 a; Ehrlicher, Der Bankautomatenmißbrauch 1989 S. 80 ff).“
Sodann wendet sich der Senat der Frage zu, ob der Täter „unbefugt“ Daten verwendet hat. Zunächst stellt er dar, dass dieses Merkmal verfassungsrechtlich hinreichend bestimmt sei und verweist dazu auf verschiedene andere Straftatbestände, die das Merkmal ebenfalls verwenden. Dabei führt er aus, dass die Alternative eine „Struktur- und Wertgleichheit mit § 263 StGB“ aufweise und insoweit unter Rückgriff auf die dazu ergangene Rechtsprechung auszulegen sei:
„Die gesetzliche Regelung des § 263 a StGB verstößt in ihrer Tatbestandsalternative der unbefugten Verwendung von Daten auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG.
Die insoweit vor allem im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs “unbefugt” geltend gemachten Bedenken (vgl. Ranft wistra 1987, 79, 83 f; Kleb-Braun a.a.O. S. 259; Thaeter JA 1988, 547, 551; LG Köln NJW 1987, 667, 669) sind nicht berechtigt. Ohne die Verwendung allgemeiner Begriffe, die einer Auslegung durch den Richter bedürfen, könnte der Gesetzgeber der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht Rechnung tragen (BVerfGE 4, 352, 357). Der Begriff “unbefugt” und ähnliche Begriffe werden in zahlreichen Strafvorschriften verwendet (vgl. §§ 94, 132 a, 201, 202, 203, 248 b, 290, 324, 326 StGB). Der Anwendungsbereich der genannten Tatbestandsalternative des § 263 a StGB wird vor allem durch ihre Struktur und Wertgleichheit mit § 263 StGB und die zu dieser Vorschrift ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in ausreichender, vorhersehbarer Weise begrenzt (vgl. Lackner, StGB 19. Aufl. § 263 a Anm. 2; Ehrlicher a.a.O. S. 80 ff; Lackner in Tröndle-Festschrift 1989 S. 41, 49 ff).“
D. Fazit
Der EC-Karten-Fall II ist die Fortsetzung des EC-Karten-Falls I, den wir in der letzten Woche als Klassiker vorgestellt haben und der sich mit der Frage befasste, ob und unter welchen Voraussetzungen in der Wegnahme der EC-Karte ein Diebstahl liegen könne. Dieser Fall befasst sich mit der daran anschließenden Phase im Tatablauf, nämlich dem Einsatz der Karte am Automaten. Indem der BGH auf die „Struktur- und Wertgleichheit“ des § 263a StGB mit § 263 StGB verwies, legte er den Grundstein für die „betrugsspezifische Auslegung“ des § 263a I Var. 3 StGB, die bis in die heutige Zeit reicht. Danach kommt es darauf an, ob die Verwendung der Daten täuschungsäquivalent ist (siehe dazu unsere Vorstellung der Entscheidung vom 16.7.2015 - 2 StR 16/15).
Der Fall behandelt den Einsatz einer gefälschten Karte. Die aufgestellten Grundsätze gelten aber auch, wenn der Täter eine manipulierte oder mittels verbotener Eigenmacht erlangte Karte verwendet. Ob § 263a I StGB allerdings auch dann einschlägig ist, wenn der berechtigte Karteninhaber die Karte (absprachewidrig) benutzt, ist damit nicht beantwortet. Dieser Frage werden wir in den kommenden Wochen nachgehen.
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