Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
A, luxemburgischer Staatsbürger, ist ein Verleger der europaweit agiert. Er bringt u. a. eine Wochenzeitschrift mit etwa 420.000 Exemplaren heraus. Es werden vorwiegend politische und wirtschaftliche Inhalte behandelt. In drei aufeinanderfolgenden Auflagen ist auf einer Seite Folgendes zu sehen: Gestochen scharfe – ästhetisch äußerst anspruchsvolle - Bilder von teils schwer verletzten Menschen, die schmerzverzerrt in die Kamera blicken. Diese Bilder stammen aus Kriegsgebieten aus dem Nahen Osten und wurden von einem sehr bekannten Künstler geschossen. Neben den Bildern ist dezent, aber nicht übersehbar der Name eines französischen Modeunternehmens in türkisfarbenen Lettern abgedruckt.
Der Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs e. V. erhebt beim zuständigen Landgericht Klage gegen A. Es liege ein Verstoß gegen §§ 1, 3 I UWG vor, indem mit diesen Bildern Werbung gemacht werde. Außerdem sei dies menschenverachtend. Er fordert, dass es A untersagt wird, diese Anzeigen auch in Zukunft abzudrucken. Das LG entschied entsprechend und untersagte dem A die Veröffentlichung der Werbung. Außerdem drohte es bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld i. H. v. 250.000 € an. Der BGH bestätigte das Urteil des LG. Bilder von leidenden Kriegsopfern zu Werbezwecken zu verwenden, verletze deren Menschenwürde.
A möchte auch weiterhin die Anzeigen des französischen Modeunternehmens abdrucken und erhebt Verfassungsbeschwerde. Er führt u. a. als Begründung an, dass das Unternehmen auf Missstände aufmerksam mache und die Gesellschaft so zur Auseinandersetzung mit den Ursachen von Gewalt und Krieg zwinge. Würde dies untersagt, stelle das eine unerträgliche Zensur dar.
Hat die Verfassungsbeschwerde des A Erfolg?
Unverbindliche Lösungsskizze
A. ZulässigkeitI. Zuständigkeit des BVerfG
-> Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG
II. Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG
-> Jedermann (+)
III. Beschwerdegegenstand, § 90 I BVerfGG
Hier: Urteil (Akt der Judikative)
IV. Beschwerdebefugnis, § 90 I BVerfGG
- Mögliche Grundrechtsverletzung
Hier: Art. 5 I 1; 5 I 2 GG
- Problem: Drittwirkung von Grundrechten zwischen Privatrechtssubjekten
-> Mittelbare Drittwirkung; Arg.: Art. 1 III GG
- Selbst, unmittelbar, gegenwärtig (+)
V. Rechtswegerschöpfung, § 90 II BVerfGG (+)
VI. Form, Frist, §§ 23, 92, 93 BVerfGG (+)
VII. Rechtsschutzbedürfnis (+)
B. Begründetheit
I. Verletzung der Pressefreiheit, Art. 5 I 2 GG
- Schutzbereich
a) Persönlicher Schutzbereich
-> Jedermann-Grundrechte (+)
b) Sachlicher Schutzbereich
-> Pressefreiheit: Auch Abdruck fremder Meinungen („sprechende Bilder“) für Werbezwecke
Eingriff
Hier: UrteilVerfassungsrechtliche Rechtfertigung
a) Bestimmung der Schranke
-> Qualifizierter Gesetzesvorbehalt („Allgemein“)
b) Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage (§§ 1, 3 UWG)
aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit (+)
bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit
(1) Schrankenspezifische Anforderungen
- Problem: „Allgemein“
- aA: Formelle Theorie
-> (+); Arg.: §§ 1, 3UWG wollen keine bestimmte Meinung verbieten - aA: Materielle Theorie
-> (+); Arg.: §§ 1, 3 UWG wollen nur einem im Verhältnis zur Meinungsfreiheit im Einzelfall höherrangigen Recht zur Durchsetzung verhelfen. - hM: Kombinationsformel
-> (+); Arg.: s.o.
(2) Verhältnismäßigkeit (+)
(3) Kein Verstoß gegen Zensurverbot, Art. 5 I 3 GG (+)
c) Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes
-> Verhältnismäßigkeit bzw. verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Rechtsgrundlage
-> Menschenwürde der Kriegsopfer, Art. 1 I GG, als Schranke der Presse- bzw. Meinungsfreiheit
- Dafür: Ausnutzung des Leids für kommerzielle Zwecke; fehlender Bezug zum Produkt
- Dagegen: Meinungs- und pressefreundliche Auslegung – Werbezwecke schließen nicht aus, dass eine Diskussion über Gewalt und Krieg angestoßen werden soll
- Ergebnis: (+)
II. Verletzung der Berufsfreiheit, Art. 12 I GG
(-); Arg.: Deutschen-Grundrecht; Art. 5 I 2 GG lex specialis
III Verletzung von Art. 2 I GG
(-); Arg.: Schutzbereich von Art. 5 I 2 GG betroffen.
C. Gesamtergebnis: (+)
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