BGH: Stellt die Eintragung eines Fahrzeugs in die sogenannte SIS-Liste einen Rechtsmangel dar?

A. Sachverhalt

K und B schlossen Mitte des Jahres 2012 mündlich einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio (Oldtimer) zum Preis von 29.000 €. Nach Eingang der vereinbarten Anzahlung in Höhe von 1.000 € am 11. Oktober 2012 übergab B dem K den Pkw Mitte Oktober 2012 gegen Zahlung des Restkaufpreises.

Bei dem Versuch des K, den Pkw Ende Juli 2013 anzumelden, wurde das Fahrzeug polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener Informationssystem (SIS) von französischen Behörden als am 6. Juni 2012 gestohlen gemeldet und zur Fahndung (Sicherstellung und Identitätsfeststellung) ausgeschrieben worden war. Diese sogenannte SIS-Ausschreibung hat ihre rechtliche Grundlage in dem Beschluss 2007/533/JI des Europäischen Rats vom 12. Juni 2007 über die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II; ABl. L 205/63). In Art. 38 I, II Buchst. a dieses Beschlusses ist geregelt, dass Daten in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, in das Fahndungssystem eingegeben werden können. Wird das gesuchte Fahrzeug aufgefunden, wird dem aufgreifenden Mitgliedsstaat in Art. 39 III des Beschlusses aufgegeben, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu ergreifen.

Gegen K und B wurden von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei eingeleitet. Am 30. September 2013 erfolgte die Freigabe des Kraftfahrzeugs, nachdem im Zuge der Ermittlungen die Vermutung aufgekommen war, der ehemalige französische Eigentümer des Kraftfahrzeugs habe den Diebstahl zum Zwecke des Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht.

In der Freigabebescheinigung des Polizeipräsidiums Düsseldorf an K ist vermerkt, dass keine Bedenken gegen eine amtliche Zulassung bestünden.

Am 17. Dezember 2013 wurde der Pkw auf K zugelassen. Die zunächst im November 2013 eingestellten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen die Parteien wurden im Januar 2014 wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls noch bis in das Jahr 2015 an. Das Fahrzeug ist nach wie vor im SIS ausgeschrieben. Es konnte bisher nicht abschließend geklärt werden, ob der Pkw dem (früheren) französischen Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines Versicherungsbetruges gewesen ist.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Mai 2014 erklärte K gegenüber B den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn auf, den Kaufpreis gegen Rückgabe des Pkw zurückzuerstatten. B bestreitet einen Mangel und entgegnet, dass es sich um ein Missverständnis handeln müsse. Er sei sicher, den Sachverhalt unter Einschaltung der Behörden aufklären und die Löschung des Eintrags im SIS erwirken zu können.

 

Steht K gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu?

B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 18.1.2017 – VIII ZR 234/15)

K könnte gegen B ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 29.000 Euro aus §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 BGB zustehen.

 

I. Kaufvertrag

Die Parteien sind durch einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio (Oldtimer) miteinander verbunden.

 

II. Mangelhaftigkeit der Kaufsache bei Gefahrübergang

Fraglich ist, ob das Fahrzeug mangelhaft ist (vgl. Einleitungssatz von § 437 BGB). Ob der Wagen dem französischen Eigentümer gestohlen wurde, konnte nicht geklärt werden. Die Mangelhaftigkeit könnte sich aber bereits daraus ergeben, dass der Wagen in die SIS-Liste eingetragen ist.

 

1. Sachmangel (§ 434 BGB)

Eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) oder Vereinbarung über den Verwendungszweck (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) haben K und B nicht getroffen. Ein Sachmangel könnte sich aus § 434 I 2 Nr. 2 BGB ergeben. Dann müsste das verkaufte Fahrzeug eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache nicht erwarten kann.

Fraglich ist aber, ob die Eintragung des Fahrzeugs in die SIS-Liste eine „Beschaffenheit“ iSv § 434 I BGB darstellt. Dagegen spricht, dass die Eintragung nicht mit den physischen Eigenschaften der Kaufsache zusammenhängt. Die Beschränkungen in der Nutzbarkeit beruhen vielmehr auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, nämlich dem Beschluss 2007/533/JI des Europäischen Rats vom 12. Juni 2007 über die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II; ABl. L 205/63), wonach dem Mitgliedsstaat, der ein in die SIS-Liste eingetragenes Fahrzeug aufgreift, verpflichtet ist, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu ergreifen (Art. 39 III des Beschlusses).

Es geht hier in der Sache um die Abgrenzung von Sach- und Rechtsmangel. Der BGH stellt dazu seine Maßstäbe dar und verweist auf einige Fälle aus der Vergangenheit:

„Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen (BT-Drucks. 14/6040, S. 217; BeckOK- BGB/Faust, aaO Rn. 18 f.; MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 10; Erman/Grunewald, aaO Rn. 11). Dies gilt – in Abgrenzung zu den dem Bereich der Sachmängelgewährleistung (§ 434 BGB) zuzuordnenden Sachverhalten – jedenfalls dann, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der Kaufsache ist; andernfalls liegt es nahe, (nur) einen Sachmangel anzunehmen (Erman/Grunewald, aaO). Schematische Lösungen verbieten sich hierbei (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 75/90, BGHZ 113, 106, 112).

(1) So hat der Senat in einem Fall, in dem Hasenfleisch verkauft wurde, bei dem der begründete Verdacht der Salmonellenverseuchung bestand, einen Sachmangel bejaht, weil die Kaufsache – unabhängig davon, dass sie in Folge des Verdachts (auch) der öffentlich-rechtlichen Beschlagnahme unterlag – nicht mehr für die vorgesehene Verwendung (Weiterveräußerung) tauglich war (Senatsurteil vom 14. Juni 1972 – VIII ZR 75/71, WM 1972, 1314 unter I 3). In Abgrenzung hiervon hat der Senat dagegen entschieden (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 75/90, aaO S. 112 f.), dass sich ein Käufer, der Dieselkraftstoff zum Betrieb von Dieselmotoren bestellt, gegenüber dem Verkäufer mit Erfolg auf einen Rechtsmangel berufen kann, wenn in Abweichung von der Bestellung ein mit Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird; die Besonderheit dieses Falles, die zur Annahme eines Rechtsmangels führte, lag darin, dass der gelieferte Kraftstoff zwar zur vertraglich vorgesehenen Verwendung (Betrieb von Dieselmotoren) auch mit der Verunreinigung tauglich war, er aber wegen der Heizölbeimischung der Gefahr der behördlichen Beschlagnahme unterlag. Die den Käufer treffende Beeinträchtigung lag mithin nicht in der tatsächlichen Beschaffenheit der Sache, sondern darin, dass der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 75/90, aaO).

(2) Auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zieht die Grenze zwischen Sach- und Rechtsmangel in Fällen, in denen öffentlich-rechtliche Befugnisse oder Beschränkungen auf die Nutzung eines verkauften Grundstücks einwirken, in gleicher Weise. So liegt in öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit (insbesondere die Lage) anknüpfen, ein Sachmangel (BGH, Urteil vom 15. Juli 2011 – V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 5 mwN): Hingegen stellt etwa die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung, die von deren Beschaffenheit unabhängig ist, ebenso einen Rechtsmangel dar (BGH, Urteile vom 9. Juli 1976 – V ZR 256/75, BGHZ 67, 134, 135 ff.; vom 21. Januar 2000 – V ZR 387/98, NJW 2000, 1256 unter II 1) wie eine Veränderungssperre (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1985 – V ZR 263/83, BGHZ 96, 385, 390 f.) oder die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers, einen Teil des verkauften Grundstücks als Straßenbauland an die Gemeinde zu veräußern (BGH, Urteil vom 4. Juni 1982 – V ZR 81/81, NJW 1983, 275 unter II 3 b).“

 

Auf der Grundlage von zwei Entscheidungen des Reichsgerichts geht der BGH davon aus, dass die rechtlichen Folgen von öffentlich-rechtlichen Beschlagnahmebefugnissen, die nicht in den physischen Eigenschaften des Kaufgegenstands ihren Grund finden, keinen Sachmangel, sondern einen Rechtsmangel begründen können:

„(3) Dementsprechend hat der Senat die nach § 111b StPO (rechtmäßig) durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Kraftfahrzeugs – deren allein der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche des durch die Straftat Verletzten dienende Anordnung keine Folge der Beschaffenheit des Fahrzeugs war – als Rechtsmangel angesehen und es insoweit als genügend erachtet, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen die (spätere) Beschlagnahme erfolgt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (Senatsurteil vom 18. Februar 2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Diese Rechtsprechung geht zurück auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen die rechtlichen Folgen von öffentlich-rechtlichen Beschlagnahmebefugnissen (zum einen aufgrund Verstoßes gegen Einfuhrbestimmungen [RGZ 105, 390], zum anderen aufgrund Verstoßes gegen zollrechtliche Bestimmungen [RGZ 111, 86]) zu klären waren. In beiden Fällen hat es bereits das Reichsgericht für die Annahme eines Rechtsmangels ausreichen lassen, dass bei Gefahrübergang ein Sachverhalt vorliegt, der einen staatlichen Zugriff auf die Kaufsache im Wege einer künftigen Beschlagnahmeanordnung ermöglicht (RGZ 105, 390, 391 f.; RGZ 111, 86, 88 f.). Im Anschluss daran hat auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Rechtsmangel bereits dann gegeben ist, wenn das Recht eines Dritten auch nur potentiell geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 – V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396 unter II 2; so auch Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 9).“

 

2. Rechtsmangel (§ 435 BGB)

Möglicherweise stellt allein die von den französischen Behörden veranlasste Eintragung des Fahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste aber einen Rechtsmangel iSv § 435 BGB dar. Dazu müsste diese Eintragung ein „Recht eines Dritten in Bezug auf die Sache“ darstellen.

 

Der BGH führt zunächst allgemein aus:

„Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können.

a) Der Verkäufer muss daher, um seine Leistungspflicht vollständig zu erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-) Recht als solches verschaffen, sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die Kaufsache unangefochten und frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen kann. Das Ziel der Rechtsverschaffung ist umfassend, damit der Käufer, wie in § 903 Satz 1 BGB für den Eigentümer vorgesehen, in die Lage versetzt wird, nach Belieben mit der Sache zu verfahren (siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 218; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 8; vgl. auch Grunewald, Die Grenzziehung zwischen der Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf, 1980, S. 50 f.). Ein Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (MünchKommBGB/Westermann, 7. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK- BGB/Faust, Stand: August 2014, § 435 Rn. 6).

aa) Hinsichtlich der rechtlichen Natur dieser individuellen Belastung kommen nicht nur dingliche Rechte eines Dritten, sondern auch obligatorische Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem Rechtsinhaber ein Recht zum Besitz der Sache verschaffen (Miet- und Pachtverhältnisse betreffend: BGH, Urteile vom 2. Oktober 1987 – V ZR 105/86, NJW-RR 1988, 79 unter II 1; vom 17. Mai 1991 – V ZR 92/90, NJW 1991, 2700 unter III; vgl. auch Münch- KommBGB/Westermann, aaO Rn. 7; Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 435 Rn. 8; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 15; Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 15).

bb) Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen (BT-Drucks. 14/6040, S. 217; BeckOK- BGB/Faust, aaO Rn. 18 f.; MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 10; Erman/Grunewald, aaO Rn. 11). Dies gilt – in Abgrenzung zu den dem Bereich der Sachmängelgewährleistung (§ 434 BGB) zuzuordnenden Sachverhalten – jedenfalls dann, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der Kaufsache ist; andernfalls liegt es nahe, (nur) einen Sachmangel anzunehmen (Erman/Grunewald, aaO). Schematische Lösungen verbieten sich hierbei (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 75/90, BGHZ 113, 106, 112).“

 

Nach diesen Maßstäben sieht der BGH bereits in der bloßen Eintragung des Fahrzeugs in die SIS-Liste einen Rechtsmangel; auf eine weitere Umsetzung in Form einer Sicherstellung oder sonstigen Sachentziehung komme es nicht an. Dabei stellt der BGH maßgeblich darauf ab, dass sich bereits aus der Eintragung eine erhebliche Nutzungsbeeinträchtigung für den Käufer ergebe:

„Nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben ist (bereits) die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS- Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen (so auch die einhellige Auffassung der Oberlandesgerichte; vgl. OLG Köln NJW-RR 2014, 1080; OLG Düsseldorf vom 20. Februar 2015 – I-22 U 159/14, juris; OLG München, Urteil vom 2. Mai 2016 – 21 U 3016/15, juris). Zwar handelt es sich bei dem Schengener Informationssystem (nur) um eine interne Datenbank der Sicherheitsbehörden des Schengen-Raumes, mit der – anders als bei einer bereits vollzogenen behördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung – noch kein unmittelbarer Eingriff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die Eigenart der auf einem internationalen Abkommen beruhenden SIS-Sachfahndung gebietet es jedoch, bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine daraufhin erfolgende Beschlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel einzuordnen. Denn bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahndungssystem ist für den Käufer mit der Gefahr einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung verbunden und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen.“

 

Dem stehe nicht entgegen, dass das Fahrzeug nach der Sicherstellung wieder freigegeben wurde. Solange das Fahrzeug im SIS-System eingetragen sei, müsse K jederzeit damit rechnen, dass das Fahrzeug – je nach Erkenntnisstand der Behörden – erneut beschlagnahmt werde. Zudem sei die (Wieder)Verkäuflichkeit des Pkw erheblich beeinträchtigt:

„Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Einordnung als Rechtsmangel unerheblich, dass der streitgegenständliche Pkw hier nach der Sicherstellung in Düsseldorf von der dortigen Polizei wieder freigegeben wurde und der Kläger das Fahrzeug anschließend zum Straßenverkehr zulassen konnte. Denn die Ausschreibung besteht nach wie vor, weil ungeachtet der schon länger andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Pkw dem (früheren) französischen Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines Versicherungsbetruges gewesen ist; auch das – zwischenzeitlich für kurze Zeit eingestellte – Ermittlungsverfahren gegen beide Parteien dauerte jedenfalls bis in das Jahr 2015 hinein an.

Die SIS-Ausschreibung erschöpft sich deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Denn die durch die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengen-Raums bestehen fort, solange die Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er – was angesichts der ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist – Eigentümer des Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 BGB vorgesehen, unbelastet von (Zugriffs-) Rechten Dritter nach Belieben mit der Kaufsache verfahren.

Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, erneut beschlagnahmt wird. Dies wäre für den Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen nicht ohne weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit erheblichen weiteren Nachteilen – insbesondere bei einer Sicherstellung im Ausland – verbunden.”

 

III. Fristsetzung

Grundsätzlich ist nach § 323 I BGB ein Rücktritt nur möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer zuvor erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) gesetzt hat. Eine solche Fristsetzung lag hier nicht vor.

Möglicherweise war die Fristsetzung aber entbehrlich.

Das Berufungsgericht hatte sich dabei auf § 323 II Nr. 1 BGB gestützt und argumentiert, im Bestreiten des Mangels durch B liege eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung.

Dem tritt der BGH unter Hinweis auf die strengen Anforderungen des § 323 II Nr. 1 BGB – es müsse sich um „das letzte Wort“ handeln – entgegen:

„Allerdings ergibt sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung vorliegend nicht, wie das Berufungsgericht meint, aus § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des Senats sind, was auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (st. Rspr.; zuletzt Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 33 mwN).

Ob ein Verkäufer die Nacherfüllung endgültig und ernsthaft verweigert hat, unterliegt zwar der tatrichterlichen Würdigung (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, aaO Rn. 34 mwN); diese ist jedoch revisionsrechtlich darauf überprüfbar, ob der Tatrichter von den zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und alle Umstände des Falles, insbesondere das gesamte Verhalten des Verkäufers, berücksichtigt hat (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, aaO).

Das Berufungsgericht hat den bereits in der Klageerwiderung gehaltenen und in der Folgezeit beibehaltenen Vortrag des Beklagten, er sei nicht passiv legitimiert, sowie das prozessuale Bestreiten eines Mangels dahin gewürdigt, der Beklagte habe die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert. Damit hat es in Abweichung von höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen die Anforderungen an eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu niedrig angesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann aus dem bloßen Bestreiten von Mängeln nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – die das Berufungsgericht hier nicht festgestellt hat – auf eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, aaO). Gleiches gilt für die Behauptung, nicht passivlegitimiert zu sein.“

 

Stattdessen bejaht der BGH die Voraussetzungen des § 440 S. 1 BGB und stellt darauf ab, dass auch nach 18 Monaten Ermittlungsverfahren der Sachverhalt nicht habe aufgeklärt werden können:

„Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass eine Fristsetzung hier nach § 440 Satz 1 BGB entbehrlich war, weil es dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Rücktritts nicht zuzumuten war, sich noch auf eine Nacherfüllung (Beseitigung der SIS-Eintragung bei den französischen Behörden) durch den Beklagten einzulassen. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt – nach wie vor – sowohl der Verdacht eines durch den französischen Eigentümer begangenen Versicherungsbetruges als auch eines zu dessen Nachteil begangenen Diebstahls im Raum stand und die im Zeitpunkt des Rücktritts (2. Mai 2014) seit mehr als 18 Monaten andauernden Ermittlungsmaßnahmen der Polizei den Sachverhalt nicht hatten klären können. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen nicht zuzumuten war, noch abzuwarten, ob der Beklagte in absehbarer Zeit etwas würde erreichen können, was den Ermittlungsbehörden bisher nicht gelungen war, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.“

 

Dem stehe nicht entgegen, dass B in der Lage gewesen wäre, erfolgreich auf die Löschung des SIS-Eintrags hinzuwirken. Für die Frage der Zumutbarkeit komme es auf den Erkenntnisstand des Klägers zum Zeitpunkt des Zugangs der Rücktrittserklärung (2.5.2014) an:

„Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten nicht gewürdigt. Der Beklagte, so die Revision, habe vorgetragen, er sei seit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 13. November 2013 bis zum Erhalt der Rücktrittserklärung im Mai 2014 von einer Aufklärung der Angelegenheit ausgegangen, auch weil ihm ein Mitarbeiter der französischen Versicherungsgesellschaft mitgeteilt habe, der frühere Eigentümer habe einen Versicherungsbetrug oder einen versuchten Versicherungsbetrug begangen. Die Beibehaltung der Ausschreibung könne nur auf einem Missverständnis beruhen, denn die französischen Ermittlungsbehörden hätten von der Versicherung die unzutreffende Auskunft erhalten, das Fahrzeug sei noch nicht gerichtlich freigegeben und die Ermittlungen in Deutschland seien noch nicht abgeschlossen. Er, der Beklagte, hätte die Möglichkeit gehabt, über das Landeskriminalamt oder das Bundeskriminalamt oder durch entsprechenden Nachdruck bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf auf die Löschung des SIS-Eintrags hinzuwirken und hätte dies wohl auch erreicht.

Diese Umstände sind indes nicht geeignet, die Würdigung des Berufungsgerichts zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung in Frage zu stellen. Denn bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es maßgeblich auf den Erkenntnisstand des Klägers als Käufer im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. Aus dessen Sicht war es aber am 2. Mai 2014 entscheidend, dass es – wie bereits ausgeführt – in einem nach Übergabe des Fahrzeugs verstrichenen Zeitraum von 18 Monaten nicht einmal den strafrechtlichen Ermittlungsbehörden gelungen war, den Sachverhalt aufzuklären. Der Hinweis des Beklagten auf die Einstellung der Ermittlungen am 13. November 2013 liegt neben der Sache. Denn die – von den deutschen Behörden geführten – strafrechtlichen Ermittlungen wurden nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kurz nach deren Einstellung – auch gegen den Beklagten – wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls bis in das Jahr 2015 noch an. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen im Mai 2014 nicht zumutbar war abzuwarten, ob der Beklagte nunmehr (erfolgreich) versuchen könnte, den Sachverhalt in absehbarer Zeit doch noch aufzuklären und eine Löschung des Eintrags zu erreichen, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.“

 

Insoweit kann offenbleiben, ob sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung ergibt (§ 326 V BGB).

 

IV. Rücktrittserklärung

Die nach § 349 BGB erforderliche Rücktrittserklärung des K – vertreten durch seinen Rechtsanwalt – liegt vor.

 

V. Ausschlussgründe

Auch § 323 V 2 BGB stehe dem Rücktritt nicht entgegen:

„Diese gravierenden Folgen rechtfertigen es, bereits die aufgrund behördlicher Verfügung erfolgte SIS-Ausschreibung als einen – im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB erheblichen – Rechtsmangel anzusehen.“

 

VI. Gegenrechte des B

B kann seinerseits die Herausgabe und Rückübereignung des Pkw verlangen (§ 346 I BGB); beide Ansprüche sind daher Zug-um-Zug zu erfüllen (§§ 348, 320, 322 BGB).

C. Fazit

Eine interessante, lehrreiche und nicht zuletzt prüfungsrelevante Entscheidung, die der nicht immer einfachen Abgrenzung von Sach- und Rechtsmangel eine neue Facette hinzufügt.