Examensreport: ZR III 1. Examen aus dem Januar 2017 in Schleswig-Holstein

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

 

Teil 1:

V ist Verkäufer von Plastikgeschirr. X und V schließen einen Kaufvertrag über 50 Plastikteller zu einem Preis von je 1 €. Die Teller werden X noch in dem Geschäft des V übergeben und er bezahlt sie direkt vor Ort. X wollte die Plastikteller für eine private Party verwenden. Zwei Tage nach dem Kauf packt X die Plastikteller aus und bemerkt bei 15 Tellern am Rand eine schwarze Verfärbung. Da die Party des X am selben Abend stattfinden soll, versucht er 5 der Teller mit einem scharfen Putzmittel zu reinigen. Dabei wird die Verfärbung jedoch entgegen aller Erwartungen des X erheblich schlimmer. X hat das Putzmittel schon öfter verwendet um Teller (die nicht aus Plastik waren) zu reinigen und vorab noch nie Verfärbungen aufgrund des Putzmittels an den gereinigten Tellern entdeckt. Auch auf dem Etikett des Putzmittels ist kein Hinweis dahingehend, dass eine Verwendung mit Plastik nicht möglich wäre.

 

X verwendet am Abend der Party die übrigen 35 Teller für seine Gäste. Direkt am nächsten Tag ruft er V an und fordert sofort den Austausch der 50 Teller, V lehnt dies strikt ab. X entgegnet dem V, dass er sodann die 50 € gegen Rückgabe der Teller zurück haben möchte. X benötige die Teller nur für größere Feste und sei deshalb nur an einer einheitlichen Tafel interessiert. V versteht nicht, warum er dem X die 50 € zurückgeben muss. Sollte er die 50 € zurückzahlen müssen, möchte er zumindest Ersatz für die 5 Teller sowie Ersatz für die 35 Teller, die V nur noch für 80ct statt 1€ weiterverkaufen kann.

 

Aufgabe 1: Kann X von V Rückzahlung der 50€ gegen Rückgabe der Teller****verlangen?

 

Teil 2:

Kurze Zeit später ruft der K den V an und möchte 50 Becher erwerben, die er für seine gut besuchte Diskothek verwenden möchte. K ist jedoch nur Student und gibt sich gegenüber V nur als Inhaber der Diskothek aus, um besonders gute Konditionen zu erhalten. V verkauft dem K die Becher dennoch zu dem normalen Preis von 1 € pro Stück.

Noch am selben Abend bringt V die 50 Becher zur Post. Aus ungeklärten Gründen erreicht das Paket den K nicht. Die Ursache hierfür lässt sich nicht feststellen und auch das Paket ist nicht mehr aufzufinden.

Zwei Tage später ruft K den V an und fordert eine erneute Lieferung der 50 Becher. V lehnt dies zunächst ab. Daraufhin entgegnet K dem V, dass er sodann von dem Vertrag nichts mehr wissen wolle. Kurze Zeit später ruft K den V erneut an, weil er es sich anders überlegt hat. Er möchte weiterhin an dem Vertrag festhalten und begehrt erneut die Lieferung. V, der mittlerweile über die Lüge des K Bescheid weiß, entgegnet dem K, dass er nun seinerseits nichts mehr von dem Vertrag wissen wolle.

 

Aufgabe 2: Kann K von V Lieferung der 50 Becher verlangen?

 

Teil 3:

Nachdem mit X und K alles geklärt ist, tritt der B auf V zu. B ist Inhaber des benachbarten Antiquitätenladen. B bittet den V um ein Darlehen in Höhe von 20.000 € um sich davon ein neues KFZ für private Zwecke zu kaufen. V gibt dem B die 20.000 € und als Sicherheit übereignet B dem V eine Briefmarkensammlung im Wert von 22.000 €. V weiß, dass B die Briefmarkensammlung von C geliehen bekommen hat, nimmt die Sicherungsübereignung aber dennoch an. Kurze Zeit später erhält V eine große Lieferung an Plastikgeschirr von seinem Lieferanten L im Wert von 19.000 €. V bittet den L, dass er anstatt der Zahlung den Rückzahlungsanspruch gegen B erhalten könne und auch die zur Sicherheit übereignete Briefmarkensammlung des B. L seinerseits geht davon aus, dass die Briefmarkensammlung dem B gehört und willigt ein.

Zwei Monate später ist die Rückzahlung des Darlehens des B fällig. Als B nicht an L zahlt, fragt L sich, ob er nun einen Rückzahlungsanspruch gegen B hat und ob er die Briefmarkensammlung des B verkaufen könne um sich die geschuldete Summe aus dem Erlös zu holen.

 

Aufgabe 3: Wie sind die von L aufgeworfenen Fragen rechtlich zu beantworten?

 

Unverbindliche Lösungsskizze

 

Teil 1: X gegen V auf Rückzahlung von 50 Euro gegen Rückgabe der Teller

A. §§ 437 Nr. 2, 2. Fall, 323, 346 I BGB

I. Anspruch entstanden

  1. Wirksamer Kaufvertrag (+)

  2. Mangel

  • Bzgl. 15 Teller mit schwarzer Verfärbung (+), § 434 I 2 Nr. 2 BGB
  • Bzgl. 35 Teller, die dann nicht ausreichend sind (+); Arg .: Rechtsgedanke des § 434 III
  1. Fall BGB

  2. Maßgeblicher Zeitpunkt (+)

  3. Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung (+)

  4. Kein Ausschluss

a) Vertraglich (-)

b) Gesetzlich

  • Kenntnis, § 442 BGB (-)
  • § 377 HGB (-)
  1. Rücktrittserklärung, § 349 BGB (+)

  2. Keine Einrede der Unwirksamkeit, § 218 BGB (+)

II. Anspruch nicht erloschen
-> Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB

  1. Aufrechnungslage

a) Gegenseitige Forderungen
-> Ansprüche V gegen X

aa) Wegen der 5 verfärbten Teller

(1) Wertersatz, § 346 II Nr. 3 BGB

(a) Wirksamer Rücktritt (+), s.o.

(b) Verschlechterung (+)

(c) Kein Ausschluss
-> § 346 III Nr. 3 BGB

(aa) Gesetzliches Rücktrittsrecht (+)

(bb) Beobachtung der eigenüblichen Sorgfalt
-> Haftung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, § 277 BGB
Hier : zumindest keine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz; Arg.: Putzmittel schon öfter verwendet, kein Hinweis auf dem Etikett. Aber : zumindest einfache Fahrlässigkeit; **Arg :**scharfes Putzmittel, bisher noch nie für Plastikgeschirr verwendet.
- Problem : Teleologische Reduktion des § 346 III Nr. 3 BGB
- aA : (-); Arg.: Wortlaut
- hM : (+), ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund Haftung nach § 276 BGB (also auch für
einfache Fahrlässigkeit); Arg : Systematik (Vergleich zum vertraglichen Rücktritt).

(d) Ergebnis: (+)

(2) Schadensersatz, §§ 346 IV, 280 I BGB

(a) Schuldverhältnis
Hier: Rückgewährschuldverhältnis

(b) Pflichtverletzung
- Problem : Pflichtverletzung vor Rücktrittserklärung
- aA : (-); Arg.: kein Verweis auf § 311a BGB in § 346 IV BGB
- aA : § 346 IV BGB analog; Arg: Vergleichbarkeit
- hM : § 280 I BGB; Arg.: Keine Regelungslücke, aber Vermeidung von Haftungslücke

(c) Ergebnis: (-)

(3) Schadensersatz, § 280 I BGB

(a) Schuldverhältnis
Hier: Kaufvertrag

(b) Pflichtverletzung
Hier: Beschädigung der Teller = Pflichtverletzung post contractum finitum

(c) Vertretenmüssen, § 276 BGB (+)

(d) Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB (+)

bb) Wegen der benutzten 35 Teller

(1) Wertersatz, § 346 II Nr. 3 BGB
(-); Arg .: Bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme.

(2) Schadensersatz, § 346 I BGB (analog) bwz. § 280 I BGB
(-); Arg .: kein Pflichtverletzung

b) Gleichartigkeit der Forderungen (+)

c) Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Gegenforderung (+)

d) Erfüllbarkeit der Hauptforderung (+)

  1. Aufrechnungserklärung (+)

  2. Kein Ausschluss (+)

III. Anspruch durchsetzbar (+)

IV. Ergebnis
(+), i.H.v. 50 Euro abzüglich Wertersatz/Schadensersatz für die 5 Teller.

B. Sonstige Ansprüche (-)

2. Teil: K gegen V auf Lieferung der 50 Becher, § 433 I BGB

I. Anspruch entstanden

  1. Einigung (+)

  2. Wirksamkeit
    -> Anfechtung durch V, §§ 142, 119 ff. BGB

a) Anfechtungsgrund

aa) Eigenschaftsirrtum § 119 II BGB
(-); Arg.: „Betreiber einer Diskothek“ keine Eigenschaft, zumindest aber Irrtum nicht
kausal für das Rechtsgeschäft, da V den regulären Preis verlangt hat.

bb) Arglistige Täsuchung, § 123 I BGB
(-); Arg .: Keine Kausalität zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung
(„bestimmt“)

b) Ergebnis
Keine Anfechtung. Vertrag wirksam.

II. Anspruch nicht erloschen
-> Rücktritt des K, §§ 346, 323 ff. BGB

  1. Rücktrittsgrund
    Hier : Lieferung wohl unmöglich, dann § 326 V BGB, ansonsten § 323 I BGB

  2. Rücktrittserklärung (+)

  3. Kein Ausschluss (+)

  4. „Wiederaufleben“ des Lieferungsanspruchs durch erneute Geltendmachung
    (-); Arg.: Rücktritt vom Rücktritt nicht möglich; Gestaltungsrecht; § 242 BGB

II. Ergebnis: (-)

Teil 3: Beantwortung der Fragen des L

A. L gegen B auf Rückzahlung, §§ 398, 488 BGB

I. Einigung V-L, § 398 BGB (+)

II. Wirksamkeit (+)

III. Berechtigung des V
Hier: V gegen B, § 488 BGB (+)

IV. Kein Ausschluss (+)

V. Ergebnis: (+)

B. Berechtigung des L zum Verkauf der Briefmarkensammlung des B, um sich aus dem
Erlös zu befriedigen.

Verkaufen darf der L, wenn der Sicherungsfall eingetreten ist, also das Darlehen nicht
bedient wurde. Das ist hier der Fall. Der Erlös steht ihm aber nur dann zu, wenn er als
Berechtigter über die Briefmarkensammlung verfügen kann, also Eigentümer geworden
ist.

I. Ursprünglich: C

II. Eigentumserwerb des B
(-); Arg.: nur Leihe

III. Eigentumserwerb des V, §§ 929, 930 BGB

  1. Einigung B-V (+)

  2. Übergabesurrogat
    Hier : „Sicherungsübereignung“ vereinbar, also Besitzmittlungsverhältnis, § 868 BGB (+)

  3. Einigsein (+)

  4. Berechtigung (-)

  5. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 930, 933 BGB

a) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)

b) Rechtsscheinstatbestand
-> Besitz des B (+)
-> Übergabe (-); Arg .: bei „Sicherungsübereignung“ gerade nicht anzunehmen

  1. Ergebnis: (-)

III. Eigentumserwerb des L, §§ 929, 931 BGB

  1. Einigung V-L (+)

  2. Übergabesurrogat
    Hier : Im Zweifel Abtretung der Herausgabeansprühe des V gegen B

  3. Einigsein (+)

  4. Berechtigung des B (-), s.o.

  5. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 931, 934 BGB

a) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)

b) Rechtsscheinstatbestand
Hier : § 934 1. Fall BGB; Arg .: V mittelbarer Besitzer; aber: C möglicherweise auch
Problem: Mittelbarer Nebenbesitz

  • aA : (-), gutgläubiger Erwerb des L möglich;Arg .: Schutz des Erwerbers
  • hM : (+), gutgläubiger Erwerb des L nicht möglich; Arg.: Schutz des Eigentümers
  1. Ergebnis: (-)

IV. Ergebnis: (-)