Examensreport: ZR II 1. Examen aus dem August Durchgang 2016 im Saarland

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Teil 1:

Ausgangsfall:
E ist Eigentümer eines Kipplasters. Der Kipplaster wird von Dieben gestohlen. Später kauft der V diesen Kipplaster von polnischen Arbeitern. V seinerseits verkauft das Fahrzeug mit gut gefälschten Papieren an den K, der von der Vorgeschichte nichts weiß. Der K verursacht aus Unachtsamkeit einen Unfall, bei dem der Kipplaster - Wert: 10.000 Euro - vollständig zerstört wird. Später erfährt der E durch einen Bekannten vom Schicksal des Kipplasters. Daraufhin verklagt der E den K auf Schadensersatz. Im Prozess vor dem Landgericht Saarbrücken schließen E und K einen Vergleich und vereinbaren zusätzlich, dass dieser bis zum 31.08. widerrufen werden kann. Mit einem Schriftsatz, der am 31.08. bei Gericht eingeht, widerruft Rechtsanwalt R im Namen des E den geschlossenen Vergleich.

Frage 1: Hat E einen Anspruch auf Schadensersatz gegen K?
Frage 2 : Ist der Prozess durch den Vergleich beendet worden?

1. Abwandlung:
K verleiht das Fahrzeug an M. M lässt sich bei der Fahrt mit dem Kipplaster ablenken, so dass der Kipplaster seinem Namen alle Ehre macht und tatsächlich umkippt.

Hat E gegen M einen Schadensersatzanspruch?

2. Abwandlung
Wie 1. Abwandlung mit einzigem Unterschied: Der Unfall wird nicht durch M selbst, sondern durch dessen Fahrer F verursacht. Diesen hatte M sorgfältig ausgewählt und überwacht.

Hat E gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz?

Teil 2:

M und L wohnen gemeinsam zur Miete. Vereinbarungsgemäß zahlt jeder 50 % der Miete. Gegen den L ergeht aufgrund unbezahlter Zahnarztrechnungen zunächst ein Mahnbescheid und sodann ein Vollstreckungsbescheid. Der von der zahnärztlichen Abrechnungsstelle beauftragte Gerichtsvollzieher begibt sich zur gemeinsamen Wohnung von M und L. Dort entdeckt der Gerichtsvollzieher das Gemälde „Saarbrücken bei Nacht“ – Wert: 2.000 Euro. M trägt gegenüber dem Gerichtsvollzieher wahrheitsgemäß vor, dass sie das Gemälde von ihren Eltern geschenkt bekommen habe, das Bild also ihr gehöre. Der Gerichtsvollzieher nimmt das Gemälde dessen ungeachtet mit.

Was kann M tun?

Unverbindliche Lösungsskizze

Teil 1
Ausgangsfall
1. Frage: Ansprüche E gegen K auf Schadensersatz

A. § 989 BGB

I. EBV (zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung)

  1. Besitz des K (+)

  2. Eigentum des E
    (+); Arg.: § 935 BGB

  3. Kein Rechts zum Besitz, § 986 BGB (+)

II. Rechtshängigkeit (+)

III. Ergebnis: (-)

B. §§ 990 I, 989 BGB

I. EBV (+)

II. Bösgläubigkeit
(-); Arg.: gut gefälschte Papiere

III. Ergebnis: (-)

C. §§ 992, 823 ff. BGB
(-); Arg.: kein deliktischer Besitz des K, insbesondere auch keine Zurechnung gem. § 858 II BGB

D. § 823 I BGB
(-); Arg.: Sperrwirkung des EBV, § 993 I BGB a.E.

2. Frage: Beendigung des Prozesses durch Vergleich

I. Prozessuale Wirksamkeit (+)

II. Materielle Wirksamkeit

  1. Einigung, §§ 145 ff. BGB (+)

  2. Wirksamkeit (+)

  3. Voraussetzungen des § 779 BGB (+)

  4. Kein Widerruf
    Hier: Widerruf des E, vertreten durch den R, §§ 164 ff. BGB

III. Ergebnis: (-)

1. Abwandlung: Ansprüche des E gegen M auf Schadensersatz

A. § 989 BGB
(-); Arg.: M nicht verklagter Besitzer

B. §§ 990 I, 989 BGB
(-); Arg.: M nicht bösgläubiger Besitzer

C. §§ 992, 823 ff. BGB
(-); Arg.: M nicht deliktischer Besitzer

D. §§ 991 II, 989 BGB

I. EBV (zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung)

II. Fremdbesitzerexzess
-> K gegen M, § 280 I BGB (+)

III. Verschlechterung (+)

IV. Verschulden, § 276 BGB (+)

V. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB

VI. Ergebnis: (+)

E. § 823 I BGB

  • Problem: Anwendbarkeit beim Fremdbesitzerexzess
  • aA: (+); Arg.: Umkehrschluss aus § 993 I BGB a.E.
  • hM: (-); Arg.: Umkehrschluss aus § 992 BGB

2. Abwandlung: E gegen M auf Schadensersatz

A. § 989 BGB
(-); Arg.: M kein verklagter Besitzer

B. §§ 990 I, 989 BGB
(-); Arg.: M kein bösgläubiger Besitzer

C. §§ 992, 823 ff. BGB
(-); Arg.: M kein deliktischer Besitzer

D. §§ 991 II, 989 BGB

I. EBV (+)

II. Fremdbesitzerexzess
-> K gegen M aus § 280 I BGB
-> Zurechnung gem. § 278 I BGB; Exkulpation gem. § 831 I 2 BGB nicht möglich.

III. Verschlechterung (+)

IV. Verschulden
-> Zurechnung über § 278 BGB; Exkulpation gem. § 831 I 2 BGB nicht möglich.

V. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB (+)

VI. Ergebnis: (+)

E. § 831 I BGB

  • Problem: Anwendbarkeit
  • aA: (+); Arg.: § 993 I BGB a.E.
  • hM: (-); Arg.: § 992 BGB

Teil 2: Was kann M gegen die Pfändung des Gemäldes tun?

A. Erinnerung, § 766 ZPO

I. Zulässigkeit

  1. Statthaftigkeit
    -> Formelle Einwendungen gegen die Vollstreckungsmaßnahme (+)

  2. Zuständigkeit, §§ 766, 764, 802 ZPO
    Hier: Amtsgericht Saarbrücken

  3. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen
    -> Insbesondere Rechtsschutzbedürfnis (+)

II. Begründetheit
-> Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme

  1. Antrag (+)

  2. Zuständigkeit des Vollstreckungsorgans
    Hier: Gerichtsvollzieher, § 808 I ZPO

  3. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen

a) Titel
Hier: Vollstreckungsbescheid, § 794 I Nr. 4 ZPO

b) Klausel (+)

c) Zustellung (+)

  1. Ordnungsgemäße Durchführung des Vollstreckungsverfahrens
    -> Vollstreckung wegen Geldforderungen in körperliche Sachen, §§ 808 ff. ZPO

a) Körperliche Sache, § 90 BGB
Hier: Gemälde

b) (Allein-) Gewahrsam des L

  • Eigentumslage unbeachtlich
  • Hier: Eventuell Mitgewahrsam der M; aber: sofern M und L verheiratet, dann Alleingewahrsamsvermutung, § 739 ZPO (soll unterstellt werden).

c) Keine Unpfändbarkeit, § 811 ZPO (+)

III. Ergebnis: (-)

B. Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO

I. Zulässigkeit

  1. Statthaftigkeit
    -> Kläger muss ein die Veräußerung hinderndes Recht behaupten.
    Hier: Eigentum der M

  2. Zuständigkeit, §§ 771 I, 802 ZPO (+)

  3. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen
    -> Insbesondere Rechtsschutzbedürfnis (+)

II. Begründetheit

  1. Ein die Veräußerung hinderndes Recht der M
    Hier: Eigentum (steht hier fest, ansonsten zu beweisen).

  2. Keine Einwendungen (+)

III. Ergebnis: (+)