BVerwG: "Firmenwaffenschein" unzulässig

A. Sachverhalt

K ist Bewachungsunternehmer und besitzt eine gewerberechtliche Erlaubnis nach § 34a GewO für die Ausübung des Bewachungsgewerbes. Das Landratsamt F (Bayern) erteilte ihm zwei Waffenscheine. Unter “Auflagen und Beschränkungen” ist in beiden Waffenscheinen vermerkt, dass sie nur für Tätigkeiten bei dem Bewachungsunternehmen des K gelten. Zudem sind sie auf drei Jahre befristet.

Nach Ablauf dieser Frist beantragt K nun, die Geltungsdauer der Waffenscheine zu verlängern. Ihm ist es wichtig, dass er auch in Zukunft selbst darüber entscheiden kann, ob bei einem konkreten Auftrag die Schusswaffe geführt werden soll, weil nach seiner Einschätzung die zu sichernde Person oder das zu sichernde Objekt gefährdet ist und die mitgeführte Schusswaffe erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern. Das Landratsamt lehnt den Antrag ab und führt aus, dass aufgrund der neugefassten „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz“ anders als bisher, Waffenscheine nur noch als Einzelgenehmigungen für konkrete Bewachungsaufträge und nicht mehr als sogenannte Firmenwaffenscheine für sämtliche Bewachungsaufträge eines Bewachungsunternehmers erteilt werden dürften.

K erhebt fristgemäß Klage und begehrt die Verlängerung der Geltungsdauer seiner Waffenscheine um drei Jahre.

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Anmerkung: Es ist davon auszugehen, dass K die Anforderungen des § 4 I Nr. 1-3 und 5 WaffG erfüllt.

 

B. Die Entscheidung des BVerwG (Urteil vom 11.11.2015 – 6 C 67.14)

Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, soweit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, sie zulässig und begründet ist.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges

K begehrt eine waffenrechtliche Erlaubnis (§ 2 II WaffG). Streitentscheidende Normen sind diejenigen des WaffG (§§ 10 IV, 28, 4 I WaffG), die dem öffentlichen Recht zuzurechnen sind. Es handelt sich also um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, weswegen gemäß § 40 I VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

II. Zulässigkeit der Klage

K begehrt die Verlängerung der Waffenscheine. Bei einem Waffenschein handelt es sich um die Erlaubnis zum Führen einer Waffe (§§ 10 IV 1, 2 II WaffG) und damit um einen (begünstigenden) Verwaltungsakt. Eine Anfechtungsklage (§ 42 I Var. 1 VwGO) gegen die Versagung der Verlängerung der Erlaubnis würde bei Erfolg zwar den ablehnenden Bescheid beseitigen. Dadurch würde die durch Zeitablauf aufgehobene Erlaubnis aber nicht wieder aufleben. K müsste dann einen neuen Antrag stellen, der höchstwahrscheinlich erneut abgelehnt werden würde. Daher ist die Verpflichtungsklage (§ 42 I Var. 2 VwGO) die statthafte Klageart. K ist klagebefugt i.S.v. § 42 II VwGO, zudem ist ein Vorverfahren entbehrlich (§ 68 II, I 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 III AGVwGO BY). Die Klage ist damit zulässig. K begehrt die Verlängerung zweier Genehmigungen, so dass es sich um eine (objektive) Klagehäufung handelt (§ 44 VwGO).

III. Begründetheit

Die Klage ist begründet, soweit die Ablehnung der Erteilung des Waffenscheines rechtswidrig und K dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 V 1 VwGO).

1. Anspruchsgrundlage

Als Anspruchsgrundlage kommt § 10 IV 1 Hs. 2 WaffG in Betracht, wonach die Geltungsdauer eines Waffenscheins zweimal um höchstens je drei Jahre verlängert werden kann.

2. Formelle Voraussetzungen

K hat einen Antrag gestellt.

3. Materielle Voraussetzungen

In materieller Hinsicht stellt § 10 IV 1 Hs. 2 WaffG keine besonderen Anforderungen auf. Die Verlängerung eines Waffenscheins und dessen Neuerteilung haben denselben Inhalt und dieselbe Wirkung. Daher sind Verlängerung und Neuerteilung von denselben materiell-rechtlichen Voraussetzungen abhängig. K müsste also die Voraussetzungen des § 4 I WaffG erfüllen. Fraglich ist nach dem Bearbeitervermerk allein, ob K ein Bedürfnis nachgewiesen hat (§ 4 I Nr. 4 WaffG).

Nach § 4 I Nr. 4 WaffG setzt die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis zum Führen einer Waffe voraus, dass der Antragsteller ein Bedürfnis nachgewiesen hat. Der Nachweis eines Bedürfnisses ist nach § 8 WaffG erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen, unter anderem als Bewachungsunternehmer, sowie die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffe für den beantragten Zweck glaubhaft gemacht wurden. Bei einem Bewachungsunternehmer i.S.d. § 34a GewO wird nach § 28 I 1 WaffG ein Bedürfnis zum Führen von Schusswaffen anerkannt, wenn er glaubhaft macht, dass Bewachungsaufträge wahrgenommen werden oder wahrgenommen werden sollen, die aus Gründen der Sicherung einer gefährdeten Person i.S.d. § 19 WaffG oder eines gefährdeten Objekts Schusswaffen erfordern.

Fraglich ist, ob § 28 I WaffG die Erteilung des von K begehrten „Firmenwaffenscheins“ zulässt oder ob K das Bedürfnis für einzelne, konkrete Aufträge glaubhaft machen muss.

a. Wortlaut

Der Wortlaut des § 28 I 1 WaffG verlangt, dass der Antragsteller die Wahrnehmung von Bewachungsaufträgen glaubhaft macht. Die Glaubhaftmachung bezieht sich damit auf Bewachungsaufträge, nicht aber auf die Tätigkeit als Bewachungsunternehmer. Deswegen spricht nach Ansicht des BVerwG der Wortlaut der Vorschrift gegen die Möglichkeit eines „Firmenwaffenscheins“:

„Dieses Verständnis des § 28 I 1 WaffG ergibt sich bereits aus seinem Wortlaut. Danach begründen bereits übernommene oder demnächst zu übernehmende Bewachungsaufträge nicht stets und schon für sich ein waffenrechtliches Bedürfnis. Die dafür verlangte Glaubhaftmachung bezieht sich nicht auf die Tätigkeit als Bewachungsunternehmer allgemein, sondern auf seine Bewachungsaufträge, deren Gegenstand ihrerseits mit gefährdeten Personen oder Objekten umschrieben wird. Deren Gefährdung kann wiederum nur glaubhaft gemacht werden, wenn die konkreten Personen und Objekte benannt werden, für die Bewachungsaufträge wahrgenommen werden oder werden sollen. (…)

Kann danach nur anhand konkreter Bewachungsaufträge festgestellt werden, ob die Voraussetzungen des § 28 I 1 WaffG für die Erteilung eines Waffenscheins erfüllt sind, kann der Waffenschein nur für diese konkreten Aufträge, also als Einzelerlaubnis erteilt werden. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, hat die zuständige Behörde vor der Erteilung eines Waffenscheins zu prüfen. Diese Beurteilung ist nicht in die Hand des Bewachungsunternehmers gegeben. Der Behörde gegenüber ist glaubhaft zu machen, dass Gegenstand der Bewachungsaufträge gefährdete Personen oder Objekte sind, zu deren Sicherung Schusswaffen mitgeführt werden müssen.“

b. Systematik

In systematischer Hinsicht spreche auch § 10 IV 3 WaffG gegen die Zulässigkeit eines „Firmenwaffenscheins“. Das BVerwG führt hierzu aus:

„Gestützt wird diese Auslegung des § 28 I 1 WaffG durch dessen systematischen Zusammenhang mit § 10 IV 3 WaffG. Nach dieser Vorschrift ist der Geltungsbereich des Waffenscheins auf bestimmte Anlässe oder Gebiete zu beschränken, wenn ein darüber hinausgehendes Bedürfnis nicht nachgewiesen ist. Danach muss die Reichweite des Waffenscheins mit dem nachgewiesenen Bedürfnis übereinstimmen. Das mit dem Waffenschein zugesprochene Recht, Waffen zu führen, soll auf Fälle beschränkt bleiben, für welche ein vom Gesetz anerkanntes Bedürfnis nachgewiesen wurde, also von der zuständigen Behörde zuvor festgestellt worden ist. Ist ein solches Bedürfnis nur für eine bestimmte Fallgestaltung nachgewiesen, darf ein Recht, Waffen zu führen, nicht darüber hinaus für weitere Fallgestaltungen zugesprochen werden, die noch nicht geprüft werden konnten und für die deshalb ein Bedürfnis noch nicht nachgewiesen ist. Die in § 10 IV 3 WaffG genannten Anlässe sind bei einem Waffenschein für Bewachungsunternehmer die Bewachungsaufträge, für die glaubhaft gemacht ist, dass sie für gefährdete Personen oder gefährdete Objekte gelten, für deren Sicherung mitgeführte Schusswaffen erforderlich sind.“

Auch § 28 II WaffG spreche dafür:

„Dieselbe Einschränkung des Rechts, Waffen zu führen, ergibt sich aus § 28 II 1 WaffG. Nach dieser Vorschrift darf der Bewachungsunternehmer eine Schusswaffe nur bei der tatsächlichen Durchführung eines konkreten Auftrags nach Absatz 1 führen, also nur bei Bewachungsaufträgen, die aus Gründen der Sicherung einer gefährdeten Person im Sinne des § 19 WaffG oder eines gefährdeten Objektes Schusswaffen erfordern. Die Vorschrift bestätigt mit ihrem Verweis auf Absatz 1 des § 28 WaffG, dass dort nur für konkrete Aufträge eine Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen begründet werden soll. Die Vorschrift sichert die Einhaltung dieser Beschränkung ab, indem sie den notwendigen Anknüpfungspunkt für die Strafvorschrift des § 52 III Nr. 5 WaffG bildet. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer entgegen § 28 II 1 WaffG eine Schusswaffe führt.“

c. Sinn und Zweck

Schließlich gebiete auch der Sinn und Zweck des WaffG eine restriktive Auslegung:

„Das allgemeine Ziel des Waffengesetzes fordert ebenfalls, § 28 I WaffG dahin auszulegen, dass der Waffenschein für Bewachungsunternehmer nur für konkrete Bewachungsaufträge erteilt werden darf. Zu den Zielen des Waffengesetzes gehört, die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und Zahl der in Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt notwendige und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken (BVerwG, Urt. v. 13.07.1999 - 1 C 5.99 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 85). Auf der Linie dieser Zielsetzung liegt es, auch die zugelassenen Anlässe, an denen Waffen geführt werden dürfen, auf das unbedingt notwendige und unter Sicherheitsaspekten vertretbare Maß zu beschränken.“

d. Ergebnis

§ 28 WaffG lässt den von K begehrten „Firmenwaffenschein“ nicht zu. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

C. Fazit

Eine interessante waffenrechtliche Entscheidung, die – wieder einmal aufzeigt, dass unbekannte Rechtsprobleme mit einer systematischen und handwerklich sauberen Vorgehensweise „in den Griff“ zu kriegen sind.

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