Examensreport: ÖR II 1. Examen aus dem April Durchgang in Berlin und Brandenburg

Diese Examensklausur hatte ihren Schwerpunkt im Bereich Staatsorganisationsrecht und Grundrechte.

Konkret ging es in dieser Examensklausur um folgenden Sachverhalt: Der Bundestag beschließt das Luftverkehrssteuergesetz (LuftVStG), wonach gewerbliche Passagierflüge der Steuerpflicht unterliegen. Gestaffelt nach Distanzklassen, die jährlich von der Bundesregierung angepasst werden dürfen, werden die Fluggesellschaften verpflichtet, eine Abgabe pro Passagier zu zahlen. Ziel dieser Regelung ist es, Anreize für ein umweltgerechtet Verhalten zu setzen und den Haushalt zu konsolidieren. Ausgenommen von dieser Regelung sind Fracht- und Privatflüge, sowie Transit- und Transferflüge. Außerdem ist vorgesehen, dass die Distanzklassen pauschal vom Flughafen Frankfurt am Main zum wichtigsten Flughafen des Ziellandes berechnet werden. Die Landesregierung des Bundeslandes B möchte die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vom Bundesverfassungsgericht klären lassen.

In der Zulässigkeit der hier statthaften abstrakten Normenkontrolle gem. Art. 93 I Nr. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG ergaben sich keine Besonderheiten.

In der Begründetheit galt es die Verfassungsmäßigkeit des LuftVStG zu prüfen.

In formeller Hinsicht musst herausgearbeitet werden, dass der Bund gem. Art. 105 II, 106 I Nr. 3 GG („motorisierte Verkehrsmittel“) die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit hatte. Außerdem war in dieser Examensklausur das Gesetzgebungsverfahren problematisch, weil die Vertreter des Bundeslandes B im Bundesrat uneinheitlich abgestimmt hatten. Mit der herrschenden Meinung zu dem Problem der uneinheitlichen Stimmabgabe im Bundesrat waren die Stimmen des Bundeslandes B sowohl auf der Ja- als auch auf der Nein-Seite abzuziehen, so dass die erforderliche Zustimmung des Bundesrates zu bejahen war.

Bei der Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit war in dieser Examensklausur zunächst eine Verletzung von Art. 12 I GG, also der Berufsfreiheit der Fluggesellschaften zu prüfen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit musste die 3-Stufen-Theorie bemüht werden. Hier lag ein Eingriff auf der 1. Stufe vor („Berufsausübungsregel“), so dass bereits „vernünftige Gründe des Gemeinwohls“ zur Rechtfertigung des Eingriffs in Berufsfreiheit der Fluggesellschaften ausreichten. Die Förderung umweltgerechten Verhaltens und die Haushaltskonsolidierung dürften diesen Anforderungen genügen. Hinsichtlich der Passagiere indes dürfte die Regelung, selbst dann wenn die Fluggesellschaften die Steuer auf die Flugpreise umlegten, wohl noch nicht einmal ein Eingriff in die Berufsfreiheit vorliegen (keine „berufsregelnde Tendenz“).

Sodann galt es, in dieser Examensklausur Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 I GG, in verschiedene Richtungen zu prüfen. Die erste Ungleichbehandlung ergab sich im Vergleich zwischen gewerblichen Passagierflügen und den von der steuerlichen Regelung ausgenommenen Fracht- und Privatflügen. Bei der Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung mussten die Kandidaten dieser Examensklausur diskutieren, ob das von der Bundesregierung vorgebrachte Argument, nämlich dass die gewerblichen Passagierflüge die Hauptverantwortung für die Umweltbelastung trügen, durchgreift. Die zweite Ungleichbehandlung betraf die Herausnahme der Transit- und Transferflüge aus der steuerlichen Regelung. Als Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung war in dieser Examensklausur angelegt, dass auf den Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit („Drehkreuze“) eingegangen werden musste. Schließlich galt es noch zu würdigen, ob die pauschale Berechnung der Distanzklassen am Maßstab des wichtigsten Flughafens des Ziellandes, ungeachtet des konkreten Reiseziels, zu rechtfertigen war. Im Sachverhalt wurde als Argument die Vereinfachung des Steuerrechts angeboten.

Wer wollte, konnte zur Abrundung dieser Examensklausur auch noch auf die Bestimmtheit der Verordungsermächtigung im Hinblick auf Art. 80 I 2 GG eingehen.