BGH: Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach Untergang des Fahrzeugs

A. Sachverhalt (leicht abgewandelt)

K kauft von B einen Neuwagen zu einem Preis von 50.000 Euro. Der Wagen wird K übergeben, der den Kaufpreis zahlt und für das Fahrzeug eine Kaskoversicherung abschließt. In der Folgezeit zeigen sich verschiedene Mängel. B versucht mehrfach, diese Mängel zu beseitigen. Nach dem letzten erfolglosen Nachbesserungsversuch erklärt K den Rücktritt vom Kaufvertrag und fordert B auf, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zurückzuzahlen. B rechnet mit einem Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 5.000 Euro auf.

Kurze Zeit später brennt das Fahrzeug, das sich nach wie vor bei K befindet, aus. K, der den Brand nicht zu vertreten hat, tritt sämtliche Ansprüche aus dem von ihm für das Fahrzeug abgeschlossenen Kaskoversicherungsvertrag an B ab, der die Abtretungserklärung annimmt. Der Versicherer erklärt jedoch unter Verweis auf einen – in den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung enthaltenen – Genehmigungsvorbehalt, dass die Abtretung nicht genehmigt werden könne, da die Eintrittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei.

Steht K ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu?

B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 25.3.2015, Az. VIII ZR 38/14)

Anspruch des K aus §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 I, 440 BGB

K könnte ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach erklärtem Rücktritt aus §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 I, 440 BGB zustehen.

I. Voraussetzungen des Anspruchs

Der Wagen war mangelhaft im Sinne von § 434 I BGB. Die Nachbesserung ist fehlgeschlagen, so dass es einer Fristsetzung nicht bedurfte (§ 440 BGB). Zudem hat K den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB). Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ist also entstanden.

II. Gegenansprüche des B

Möglicherweise stehen dem B Gegenansprüche zu, die er im Wege der Aufrechnung (§ 389 BGB) oder der Einrede (§§ 348, 320 BGB) dem Anspruch des K entgegenhalten kann.

1. Anspruch auf Nutzungsersatz

B steht gemäß § 346 I, II Nr. 1 BGB ein Gegenanspruch auf Wertersatz für die von K gezogenen, aber nicht in Natur herausgebbaren Nutzungen zu. Die gegenseitigen Ansprüche werden nicht automatisch saldiert. B hat aber die Aufrechnung erklärt, so dass der Anspruch des K auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 5.000 Euro erloschen ist (§ 389 BGB).

2. Anspruch auf Rückübereignung des Wagens

Ursprünglich stand B auch ein Gegenanspruch auf Rückübereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu (§ 346 I BGB), den er einredeweise hätte geltend machen können (§§ 348, 320 BGB). Das Fahrzeug ist aber ausgebrannt und untergegangen, so dass der Anspruch auf Rückübereignung wegen objektiver Unmöglichkeit nach § 275 I BGB erloschen ist.

3. Anspruch auf Wert- oder Schadensersatz für den zerstörten Wagen

Grundsätzlich steht dem Verkäufer nach Rücktritt ein Anspruch auf Wertersatz zu, wenn der Kaufgegenstand untergegangen ist (§ 346 II 1 Nr. 3 BGB). Dieser Anspruch besteht im Ausgangspunkt unabhängig davon, ob der Käufer den Untergang des Kaufgegenstands zu vertreten hat oder nicht – er haftet nach § 346 II 1 Nr. 3 BGB verschuldensunabhängig und damit auch für Zufall. Das entspricht der Regelung über die Gefahrverteilung in § 446 BGB.

Dieser Grundsatz wird allerdings nach § 346 III 1 Nr. 3 BGB eingeschränkt. Der Anspruch auf Wertersatz nach § 346 II BGB entfällt dann, wenn dem Käufer ein gesetzliches Rücktrittsrecht zustand und der Untergang eingetreten ist, obwohl der Käufer diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (vgl. § 277 BGB). § 346 III 1 Nr. 3 BGB privilegiert also den gesetzlich zum Rücktritt Berechtigten und befreit ihn von der Haftung für Zufall: Ein Anspruch auf Wertersatzanspruch besteht nur dann, wenn der Käufer nicht die eigenübliche Sorgfalt beobachtet hat (“Zurückspringen” der Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Verkäufer). K hat den Untergang des Wagens nicht verschuldet, so dass ein Wertersatzanspruch nach § 346 III 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen ist.

Allerdings besteht die Besonderheit des Falles darin, dass der Untergang des Fahrzeugs eingetreten ist, nachdem K von den Mängeln (und damit von dem Rücktrittsgrund) Kenntnis erlangt und er den Rücktritt erklärt hat. Teilweise wird in der Literatur vertreten, § 346 III 1 Nr. 3 BGB ab Zeitpunkt der Kenntnis vom Rücktrittsgrund teleologisch zu reduzieren und nicht anzuwenden. Die Privilegierung sei ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund nicht mehr gerechtfertigt. Dagegen spricht jedoch, dass der Käufer dann gezwungen wäre, die Kaufsache an den Verkäufer vorsorglich herauszugeben, ohne seinen Kaufpreis zurückerhalten zu haben. Das ist ihm nicht zumutbar. Der Wertersatzanspruch ist damit nach § 346 III 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen.

Von der Frage nach einem Wertersatzanspruch sauber zu trennen ist die Frage nach einem Schadensersatzanspruch des B infolge des Untergangs des Wagens.

Der Untergang ist erst nach Erklärung des Rücktritts und demnach nach Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses und der Pflichten aus § 346 I BGB eingetreten. Nach § 346 IV BGB kann der Rücktrittsgegner wegen Verletzung einer Pflicht aus § 346 I BGB nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 BGB Schadensersatz verlangen. Ein Anspruch könnte sich demnach wegen nachträglicher Unmöglichkeit aus §§ 346 IV, 280 I, III, 283 BGB ergeben.

Allerdings setzt der Anspruch ein Verschulden des K voraus (§§ 280 I 2, 276 BGB). Den Untergang des Fahrzeugs hat K aber nicht zu vertreten, er erfolgte zufällig. Für Zufall müsste K nur einstehen, wenn er sich – was hier nicht der Fall ist – im Schuldnerverzug befunden hätte (§ 287 S. 2 BGB). Dabei kommt es nicht auf die im Einzelnen umstrittene Frage ab, ob und inwiefern die Privilegierung des § 346 III 1 Nr. 3 BGB auch auf Schadensersatzansprüche im Sinne von § 346 IV BGB Anwendung findet, um etwaige Wertungswidersprüche zwischen Wert- und Schadensersatz zu vermeiden.

4. Anspruch auf Herausgabe der verbliebenen Bereicherung

Ist der Anspruch auf Wertersatz aus § 346 II BGB nach § 346 III 1 BGB ausgeschlossen, steht dem B ein Anspruch auf Herausgabe der verbliebenen Bereicherung zu (§ 346 III 2 BGB). Dabei handelt es sich nach h.M. um eine Rechtsfolgenverweisung auf §§ 818 ff. BGB.

Eine Bereicherung des K könnte sich aus der Kaskoversicherung ergeben. Eine Zahlung hat K noch nicht erhalten, sondern allenfalls einen Anspruch gegen die Kaskoversicherung auf Zahlung der Versicherungssumme. Der Anspruch des B aus § 346 III 2 BGB wäre also allenfalls gerichtet auf Abtretung des Anspruchs gegen die Kaskoversicherung. Eine solche Abtretung ist bereits versucht worden. Die Abtretung ist aber an dem Genehmigungsvorbehalt der Versicherung gescheitert (§ 399 2. Alt. BGB).

Fraglich ist, ob K verpflichtet ist, einen etwaigen Anspruch gegen die Versicherung an B abzutreten.  B könnte den Anspruch dem K einredeweise entgegenhalten (§§ 348, 320 BGB). Eine Aufrechnung kommt hingegen mangels Gleichartigkeit der gegenseitigen Ansprüche nicht in Betracht (§ 387 BGB). Eine solche Abtretung ist bereits versucht worden.

Der BGH verneint einen solchen Anspruch aus § 346 III 2 BGB. Derzeit gebe es keine herausgabefähige Bereicherung aufseiten des K. Der etwaige Anspruch des K werde von der Versicherung erst geprüft. Es sei dem K auch nicht zuzumuten, den etwaigen Anspruch gegen die Versicherung einzuklagen:

„Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 III 2 BGB ist etwas erst dann, wenn es sich aufgrund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt. Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kl. hat weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Kl. auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige Bereicherung iSd § 346 III 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der Bekl. gegen den Kl. erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des Kl. den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 348 BGB nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus dieser Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein Rückgewährschuldner, der (wie der Kl.) die untergegangene Kaufsache nicht herausgeben kann, die Last der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 III 2 BGB erlegt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähig vorhandenen Bereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht dazu, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine – sodann herauszugebende – Bereicherung erst herbeizuführen.“

5. Anspruch auf Herausgabe des Surrogats

Ein Anspruch auf Abtretung des etwaigen Anspruchs gegen die Versicherung könnte sich aber aus §§ 346 I, 275 I, 285 BGB ergeben.

Fraglich ist, ob § 285 BGB überhaupt anwendbar ist auf den Untergang der Kaufsache nach § 346 II 1 Nr. 3 BGB. Das wird von der wohl h.M. bejaht, die sich auf die Begründung zur Schuldrechtsmodernisierung berufen kann:

„Es ist allgemein anerkannt, dass der bisherige § 281 (jetzt § 285) auf Ansprüche aus dem durch den Rücktritt begründeten Rückgewährschuldverhältnis anwendbar ist (RG JW 1911, 321; BGH NJW 1983, 929, 930, MünchKomm/Janßen, § 347 Rdnr. 7; Soergel/Hadding, § 347 Rdnr. 2). Der Entwurf geht davon aus, dass die Neufassung des § 346 hieran nichts ändert.“ (BT-Drs. 14/6040, S. 194)

Dagegen wird aber etwa eingewandt, dass es sich bei § 346 II, III BGB um eine abschließende Regelung handele. Das werde auch durch § 346 IV BGB bestätigt, der keinen Verweis auf § 285 BGB enthalte.

Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, weswegen der BGH zu dieser Frage keine Stellung nimmt. Selbst wenn § 285 BGB anwendbar wäre, hätte K (noch) nichts erlangt:

„Denn nach § 285 BGB hätte der Kl. auch nur dasjenige herauszugeben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch Brand zerstörte Fahrzeug zurückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat der Kl. aber von der Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Dass der Kl. künftig – etwa dadurch, dass die Versicherung den Anspruch feststellt und dieser abtretbar wird – etwas erlangen könnte, dessen Herausgabe die Bekl. sodann verlangen könnte, ist, wie ausgeführt, unerheblich, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden kann, die noch gar nicht entstanden sind.“

III. Ergebnis

K steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 45.000 Euro zu. Weitergehende Gegenansprüche stehen B nicht zu.

C. Fazit

Das Rücktrittsfolgenrecht ist in vielerlei Hinsicht noch immer umstritten. Nicht zuletzt daraus folgt seine erhebliche Examensrelevanz. Zudem lässt es sich mit einer Vielzahl von schuldrechtlichen Fallgestaltungen und Problemen kombinieren. Die vorliegende Entscheidung könnte beispielsweise hervorragend mit Fragen des Sachmangels (§ 434 BGB), der Entbehrlichkeit der Fristsetzung (§§ 323 II, 440 BGB) und/oder mit Fragen eines Ausschlusses des Rücktritts (§ 323 V, VI BGB) kombiniert werden und in eine Prüfungsaufgabe einfließen.