Examensreport: ZR I 1. Examen April 2014 in HH

Hier eine kurze Zusammenfassung der ersten zivilrechtlichen Examensklausur:

In dieser Examensklausur ging es um einen Ausgangsfall und zwei Abwandlungen, die ihren Schwerpunkt im Bereich des Eigentumserwerbs an beweglichen Sachen hatten.

Im Ausgangsfall dieser Examensklausur ging es um folgenden Sachverhalt: L ist Bauer und Eigentümer der Kuh Y. L entschließt sich, Y zu schlachten. Kurz darauf läuft Y von der Weide weg und versteckt sich im Wald. Y bleibt über zwei Wochen spurlos verschwunden, weil sie sich hartnäckig versteckt. Medien berichten darüber. Es wird befürchtet, dass Y auf die Straße läuft und den Straßenverkehr gefährdet. Daraufhin lässt die Behörde Y zum Abschuss freigeben. Tierschützer T möchte dem L die Y für 500 Euro abkaufen. Sie einigen sich über den Übergang des Eigentums. F findet Y (braun-weiß) und stellt sie in seinen Stall zu seinen anderen Kühen (allesamt Schwarz-weiß). Dabei erkennt F, dass es sich um die gesuchte Y handelt. F lässt die völlig entkräftete Y tierärztlich behandeln und füttert sie. Die Kosten insgesamt betragen 300 Euro.

Die erste Frage im Ausgangsfall dieser Examensklausur lautete: Wer ist Eigentümer von Y? Ursprünglich war L Eigentümer der Y. Bei dem Eigentumserwerb des T von L gem. § 929 S. 1 BGB war in dieser Examensklausur insbesondere die Übergabe zu diskutieren, die eigentlich den unmittelbaren Besitzerwerb des Erwerbers, einer Hilfs- oder Geheißperson des Erwerbers voraussetzt. Im Anschluss war in dieser Examensklausur ein - gesetzlicher - Eigentumserwerb des F zu prüfen. § 948 BGB (Vermischung) kam nicht in Betracht, weil Y aufgrund der abweichenden Farbe noch von den anderen Kühen unterschieden werden konnte. § 958 BGB (Aneignung) scheiterte, weil die Kuh nicht i.S.v. § 959 BGB herrenlos war. Auch lagen in der Examensklausur die Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb nach § 973 BGB (Fund) nicht vor, weil zumindest die Frist von sechs Monaten nicht verstrichen war.

In der zweiten Frage des Ausgangsfalls dieser Examensklausur wurde nach Herausgabeansprüchen des T gegen F gefragt. Im Rahmen des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB waren etwaige Verwendungsersatzansprüche des bösgläubigen Besitzers F aus §§ 994 II, 677 ff. BGB zu prüfen, die gem. § 1000 BGB dem Herausgabeanspruch einredeweise entgegenhalten werden können. Sowohl die Kosten für die tierärztliche Behandlung als auch die Kosten für die Fütterung dürften notwendige Verwendungen gewesen sein. Es stellte sich allerdings die Frage, ob, angesichts der von F geplanten Schlachtung, eine echte berechtigte oder doch eher eine echte unberechtigte GoA vorlag.

Die 1. Abwandlung der Examensklausur war dann ein echter Klassiker („Jungbullen-Fall“): L verkauft nicht an T. F findet Y und verkauft sie entsprechend ihrem objektiven Wert für 500 Euro an M. M verarbeitet Y zu Fleisch und Wurst im Wert von 1000 Euro. Gefragt wurde nach Ansprüchen des L gegen M. Zunächst mussten etwaige EBV-Ansprüche auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I, 992 i.V.m 823 ff. BGB verneint werden. Der Schwerpunkt in dieser Examensklausur lag dann bei dem Wertersatzanspruch aus §§ 951, 812 I 1 2. Fall BGB. Ein Eigentumsverlust nach § 950 BGB (Verarbeitung) lag vor. Fraglich war nur, ob F etwas „in sonstiger Weise“, also nicht durch jemandes Leistung erlangt hat (Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion). Hier musste in der Examensklausur das Problem der „Verwendungen auf abhandengekommene Sachen“ diskutiert werden. Nach dem Wertungsmodell der §§ 816, 932, 935 BGB war eine vorrangige Leistung zu verneinen, sodass der Wertersatz im Ergebnis zu bejahen war.

In der 2. Abwandlung dieser Examensklausur hat L ein gezähmtes Wildschwein (G), das frei auf dem Hof lebt. G läuft weg und kehrt für über zwei Wochen nicht zurück. F findet G, nimmt es mit und steckt es in seinen Stall, wo es jederzeit eingefangen werden kann. Gefragt wurde wieder nach der Eigentumslage. In diesem Zusammenhang mussten die Kandidaten in dieser Examensklausur wieder die Aneignung gem. § 958 BGB prüfen und dabei auf die Dunkelnorm § 960 III BGB (Wilde Tiere) stoßen, wonach ein gezähmtes Tier herrenlos wird, wenn es die Gewohnheit ablegt, an den ihm bestimmten Ort zurückzukehren.

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