Examensreport: ÖR II 1. Examen April 2014 Berlin und Brandenburg

Hier eine kurze Zusammenfassung der zweiten Examensklausur im öffentlichen Recht:

In dieser Examensklausur ging es im Wesentlichen um staatsorganisationsrechtliche Fragen. Zu prüfen waren die Erfolgsaussichten einer abstrakten Normenkontrolle vor dem BVerfG gegen zwei vom Bundestag beschlossene Gesetze. In dem ersten Gesetz (MStVG) wurde die Vermietung von Wohnungen, die sich in einem vertragswidrigen Zustand befinden unter Strafe gestellt. Dabei war auch vorgesehen, dass das Strafmaß nicht von dem Gericht, sondern von der Behörde festgesetzt wird. Außerdem sah das Gesetz keine mündliche Vernehmung vor. In dem zweiten Gesetz (MRÄG) wurde die Eigenbedarfskündigung des Vermieters gem. §§ 573, 573a BGB eingeschränkt.

In der Zulässigkeit der abstrakten Normenkontrolle gem. Art. 93 I Nr. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfG ergaben sich in dieser Examensklausur keine besonderen Probleme. Allein die Frage, ob die „Zweifel“ der Antragstellerin an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen ausreichten, musste diskutiert werden. § 76 I BVerGG verlangt ein „Für nichtig halten“. Danach würden bloße „Zweifel“ nicht ausreichen. Allerdings setzt sich hier Art. 93 I Nr. 2 GG durch, wonach bereits Zweifel bzw. Meinungsverschiedenheiten ausreichen.

In der Begründetheit der abstrakten Normenkontrolle war in dieser Examensklausur zunächst die formelle Verfassungsmäßigkeit der beiden Regelungen zu prüfen. Der erste Stolperstein in dieser Examensklausur war hier, dass nur 48 Abgeordnete bei der Abstimmung über diese Regelungen anwesend waren, wobei 20 dafür und 19 dagegen stimmten. 4 Abgeordnete enthielten sich der Stimme und 5 Stimmen waren ungültig. Daher musste bei dem Prüfungspunkt „Gesetzgebungsverfahren“ begründet werden, dass die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen der anwesenden Abgeordneten ausreicht. In formeller Hinsicht muss ein Gesetz eigentlich vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden und dann verkündet werden. In der vorliegenden Examensklausur war der Bundespräsident auf einer mehrwöchigen Urlaubsreise, sodass der Bundestagspräsident in Vertretung das Gesetz unterschrieben hatte. An dieser Stelle der Examensklausur wurde erwartet, dass die Kandidaten darlegen, dass es sich bei der mehrwöchigen Urlaubsreise um eine „Verhinderung“ des Bundespräsidenten i.S.v. Art. 57 GG handelt, die eine Stellvertretung durch den Bundestagespräsidenten rechtfertigt.

Bei der Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit empfahl es sich in dieser Examensklausur, darstellerisch nach Regelungsmaterien zu unterteilen.

Hinsichtlich des MStVG musste zunächst die Bestimmtheit dieser strafrechtlichen Regelung diskutiert werden. Das Bestimmtheitsgebot ist allgemein im Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 I, III GG, verankert. Speziell für das Strafrecht folgt das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 II GG. Besonders kritisch war, dass das MStVG vorsah, dass jeder „vertragswidrige Zustand“ strafbewährt sein sollte. Außerdem stellte sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer solchen Strafbewährung. Im Hinblick auf die Regelung über die Festsetzung des Strafmaßes durch die Behörde mussten die Kandidaten in dieser Examensklausur auch noch den Gewaltenteilungsgrundsatz diskutieren, der ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip verankert ist. Schließlich war auch noch ein Verstoß gegen das Rechtliche Gehör, Art. 103 I GG, anzusprechen, weil das MStVG keine mündliche Vernehmung des Beschuldigten vorsah.

Bei dem MRÄG stellte sich in dieser Examensklausur allein die Frage nach der Verletzung der Eigentumsgarantie, Art. 14 GG. Ein Eingriff in den Schutzbereich lag insoweit vor. Bei der Bestimmung der Schranken stellte sich sodann die Frage, ob eine Enteignung gem. Art. 14 III GG in Gestalt einer Aufopferungsenteigung oder eine bloße Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 I 2 GG vorlag. Nach der sog. formellen Theorie des BVerfG kommt es dabei auf den objektiven, also den nach außen erkennbaren Willen des Gesetzgebers an, wobei bestimmte formelle Kriterien als Indiz für das eine oder das andere heranzuziehen sind. Die abstrakt-generelle Neuregelung eines Lebensbereichs – hier des Wohnraumrechts – und das Fehlen einer Entschädigungsregelung sprachen in der vorliegenden Examensklausur für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung. Danach griff lediglich ein einfacher Gesetzesvorbehalt. Dennoch stellte sich auch hier die Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Einschränkung der Eigenbedarfskündigung.

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