BGH zum Abhandenkommen eines PKW bei Mitbesitz

A. Sachverhalt

Der Kläger, ein Arzt, kaufte mit Vertrag vom 25. November 2010 einen neuen PKW der Marke BMW (fortan: BMW) für 46.490,80 €. Das Fahrzeug wurde ihm am 24. Januar 2011 übergeben; seine Ehefrau war Mitbesitzerin. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Einer seiner Patienten, Herr G. , erklärte sich bereit, ihm gegen Stellung des BMW als Sicherheit ein Darlehen zu verschaffen, mit dem die übrigen Gläubiger ausgezahlt werden könnten. Der Kläger traf sich am 30. Januar 2011 mit Herrn G. in einem Hotel und unterzeichnete eine Vereinbarung mit einer W. Treuhand AG, deren Verwaltungsratspräsident Herr G. war, der zufolge er – der Kläger – der AG seinen BMW übereignete. Tags darauf rief Herr G. den Kläger an und teilte ihm mit, in etwa 15 Minuten werde ein Herr F. bei ihm in der Praxis erscheinen und den BMW abholen. Als dieser erschien, übergab der Kläger ihm den BMW nebst einem der Fahrzeugschlüssel und beiden Teilen der Zulassungsbescheinigung (fortan Fahrzeugbrief bzw. Fahrzeugschein). Er behielt einen weiteren Fahrzeugschlüssel, das Originalbordbuch und das Servicescheckheft, fertigte eine Kopie des Personalausweises von Herrn F. und ließ sich von diesem die Übergabe und den Kilometerstand bestätigen. Am 22. Februar 2011 wurde der BMW abgemeldet. Der Kläger erhielt ihn nicht zurück.

Am 7. April 2011 kaufte die Beklagte das Fahrzeug, dessen Laufleistung mit 1.960 km angegeben war, unter Inzahlunggabe ihres alten BMW für 42.500 € von dem Autohändler P., der den Wagen seinerseits von dem Zwischenhändler Z ankaufte. Sie bezahlte in bar und erhielt einen Fahrzeugschlüssel und die Originalpapiere, in denen nicht der Verkäufer, sondern der Kläger als Halter ausgewiesen war, sowie auf Nachfrage den Hinweis, die Papiere zu dem BMW befänden sich im Handschuhfach. Der BMW wurde am folgenden Tag auf die Beklagte zugelassen. Den zweiten Schlüssel, das Bordbuch und das Scheckheft, die sich nicht im Fahrzeug befanden, sandte der Verkäufer der Beklagten wenige Tage später zu.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Herausgabe des BMW sowie eine Nutzungsentschädigung. Zu Recht?

B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 13.12.2013, Az. V ZR 58/13)

Als Anspruchsgrundlage für die Herausgabe kommt lediglich § 985 BGB in Betracht, für die Zahlung einer Nutzungsentschädigung lediglich §§ 990 I, 987 I BGB. Diese Ansprüche stehen dem Kläger nur zu, wenn er Eigentümer des BMW geblieben ist.

Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger das Eigentum durch eine Übereignung an die W. Treuhand AG am 31.1.2011 (Tag der Übergabe an F.) verloren und welchen Weg das Eigentum an dem BMW seitdem womöglich genommen hat, wenn die Beklagte den BMW jedenfalls gutgläubig von dem Autohändler erworben hat, als sie es am 7.4.2011 abholte.

Einigung und Übergabe im Sinne von §§ 932, 929 S. 1 BGB liegen vor. Auch war sie gutgläubig im Sinne von § 932 II BGB:

„Das war sie nach § 932 II BGB, wenn sie zu diesem Zeitpunkt weder wusste noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass der BMW nicht dem Verkäufer, sondern einem Dritten gehörte. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegeben. Die Beklagte hat sich danach mit dem Verkäufer darüber geeinigt, dass sie (Zug um Zug gegen die geleistete Barzahlung des Kaufpreises und die Inzahlunggabe ihres alten Fahrzeugs) das Eigentum an dem BMW erhielt. Der Verkäufer hat ihr den BMW übergeben. Sie wusste nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Verkäufer nicht Eigentümer des BMW war, und hatte auch keinen hinreichenden Anlass, an dessen Eigentum zu zweifeln. Diese tatsächlichen Feststellungen sind revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar und in diesem Rahmen nicht zu beanstanden. Sie werden von dem Kläger mit der Revision auch nicht angegriffen.“

Fraglich ist aber, ob ein gutgläubiger Erwerb des PKW nach § 935 I BGB ausgeschlossen ist. Danach scheidet der gutgläubige Erwerb des Eigentums an einer beweglichen Sache trotz der Gutgläubigkeit des Erwerbers aus, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Eine bewegliche Sache kommt ihrem Eigentümer abhanden, wenn dieser den Besitz an ihr unfreiwillig verliert.

Der Kläger hat den BMW freiwillig an F. herausgegeben. Ein Abhandenkommen wird auch nicht dadurch begründet, wenn der Kläger den BMW aufgrund eines Irrtums oder einer Täuschung weggegeben haben sollte. Ein Abhandenkommen könnte sich aber unter den folgenden Gesichtspunkten ergeben.

I. Eigenmächtige Weggabe des PKW durch einen Besitzdiener

Ein unfreiwilliger Besitzverlust kann (unter allerdings im Einzelnen streitigen Bedingungen) eintreten, wenn der Eigentümer den Besitz an der Sache nach Maßgabe von § 855 BGB durch einen Besitzdiener ausübt und dieser die Sache ohne den Willen des Eigentümers einem Dritten überlässt. Der Kläger meint, diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil er den BMW dem Zeugen F. zur Vorführung bei der Bank überlassen und dieser das Fahrzeug dem Zeugen G. oder der von diesem vertretenen Gesellschaft überlassen hat, von denen der Autohändler das Fahrzeug erworben hat.

F., G. oder die W. Treuhand AG müssten also als Besitzdiener des Klägers anzusehen sein.

Besitzdiener ist nach § 855  BGB, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat. Dazu muss ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis begründet werden, das dem Besitzherrn zumindest faktisch die Möglichkeit gibt, seinen Willen gegenüber dem Besitzdiener durchzusetzen. Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass keine der handelnden Personen als Besitzdiener des Klägers anzusehen war:

„(1) Der Kläger hat bislang die Ansicht vertreten, ein solches Rechtsverhältnis habe zwischen ihm und dem Zeugen F. bestanden. Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser Zeuge von dem Zeugen G. beauftragt worden war, den BMW abzuholen, diesen Auftrag auch erledigt hat und ihn der Kläger, wie das Berufungsgericht formuliert hat, “nicht einfach ‚kraft Willensakts‘ zu seinem Besitzdiener machen” konnte. Das hat das Berufungsgericht zutreffend gesehen. Dagegen wendet sich der Kläger nicht.

(2) Entgegen der Ansicht des Klägers waren auch weder der Zeuge G. selbst noch die von diesem vertretene Gesellschaft seine Besitzdiener.

(a) Der Kläger stützt seine gegenteilige Ansicht darauf, dass der Zeuge G. oder die von diesem vertretene Gesellschaft zu ihm in einem Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis gestanden und aufgrund dieses Rechtsverhältnisses seine Weisungen zu befolgen gehabt hätte. Das allein macht aber weder den Zeugen noch die von ihm vertretene Gesellschaft zu Besitzdienern des Klägers. Besitzdiener ist nicht jeder, der Weisungen des Eigentümers der Sache zu befolgen hat, sondern nur derjenige, demgegenüber der Eigentümer die Einhaltung seiner Weisungen im Nichtbefolgungsfall aufgrund eines Direktionsrechts oder vergleichbarer Befugnisse unmittelbar selbst durchsetzen kann. Solche Befugnisse sehen weder das Auftrags- noch das Geschäftsbesorgungsrecht vor. Deshalb werden der Beauftragte, der Geschäftsbesorger ebenso wie Werkunternehmer als Besitzmittler angesehen (RGZ 100, 190, 193; 109, 167, 170 für Auftrag; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 1010, 1011; OLG Brandenburg, OLGR 2006, 850 für Geschäftsbesorgungsvertrag; RGZ 98, 131, 134 für Geschäftsführung ohne Auftrag; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1951 - IV ZR 90/50, Umdruck Seite 29, insoweit weder in LM Nr. 2 zu Art. 3 AHKG 13 noch in LM Nr. 1 zu § 855 BGB abgedruckt, und OGHZ 2, 157, 160 für Frachtvertrag; OLG Koblenz, NJW-RR 2003, 1563, 1564 aE für Werkvertrag), nicht als Besitzdiener.

(b) Nichts anderes ergibt sich aus dem von dem Kläger angestellten Vergleich des vorliegenden Rechtsverhältnisses mit dem Rechtsverhältnis des Verkäufers eines Fahrzeugs zu dem Kaufinteressenten, dem er eine Probefahrt ermöglicht. Es ist zwar richtig, dass der Kaufinteressent, der mit dem ihn interessierenden Fahrzeug eine Probefahrt unternimmt, als Besitzdiener des Verkäufers angesehen wird (OLG Köln, MDR 2006, 90; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 855 Rn. 14; vorsichtig distanzierend: Staudinger/Gutzeit, BGB, [2012] § 855 Rn. 22). Ob dem ohne Weiteres gefolgt werden kann, kann dahinstehen. Anerkannt ist jedenfalls, dass der Inhaber der Fahrzeugschlüssel jedenfalls dann nicht mehr nur Besitzdiener des Eigentümers, sondern selbst unmittelbarer Besitzer des Fahrzeugs ist, wenn sich der Eigentümer seiner Einflussmöglichkeiten begibt (OLG Schleswig, SchlHA 1969, 43, 44; Soergel/Stadler, BGB, 15 13. Aufl., § 855 Rn. 10 aE; Staudinger/Gutzeit, BGB [2012] § 855 Rn. 16 Abs. 2). So liegt es hier. Der Kläger hat den BMW dem Zeugen F. übergeben, der von dem Zeugen G. beauftragt war, auf den wiederum der Kläger nicht unmittelbar einwirken konnte. Er hat dem Zeugen F. zudem nicht nur das Fahrzeug mit dem Schlüssel und dem für die Fahrt zur Bank benötigten Fahrzeugschein, sondern auch den Fahrzeugbrief übergeben. Welchen Zweck das hatte, muss hier nicht geklärt werden. Der Kläger hatte mit der von dem Zeugen G. vertretenen Gesellschaft am Tag zuvor vereinbart, dieser den BMW zu übereignen. Vor diesem Hintergrund hat er jedenfalls durch die Übergabe auch des Fahrzeugbriefs - im Unterschied zu dem Verkäufer bei der Übergabe eines Fahrzeugs zur Probefahrt - dem Zeugen G. oder der von diesem vertretenen Gesellschaft die Möglichkeit verschafft, als Eigentümer des Fahrzeugs aufzutreten. Er hat seinen unmittelbaren Besitz freiwillig aufgegeben und hatte auch keinen Besitzdiener, durch den er den Besitz noch ausüben konnte.“

II. Eigenmächtige Weggabe durch einen Besitzmittler

Kurz und prägnant stellt der BGH klar, dass die (eigenmächtige) Weggabe einer beweglichen Sache durch einen Besitzmittler kein Abhandenkommen der Sache begründet (vgl. § 935 I 2 BGB):

„Eine eigenmächtige Weggabe der Sache durch den Besitzmittler - hier des Zeugen G. oder der von diesem vertretenen Gesellschaft - steht aber, anders als ein eigenmächtiges Verhalten eines Besitzdieners, dem gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten nicht entgegen (BGH, Urteile vom 16. April 1969 - VIII ZR 64/67, WM 1969, 656, 657 und vom 20. September 2004 - II ZR 318/02, NJW-RR 2005, 280, 281). Sie führt zwar 16 zur Beendigung des Besitzmittlungsverhältnisses und dazu, dass der mittelbare Besitzer - hier der Kläger - den mittelbaren Besitz ohne seinen Willen verliert. Der Verlust des mittelbaren Besitzes ist aber für den Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach § 935 I BGB nicht entscheidend (BGH, Urteil vom 16. April 1969 - VIII ZR 64/67, WM 1969, 656, 657). Den unmittelbaren Besitz, auf dessen unfreiwilligen Verlust es nach der Vorschrift ankommt, hat der mittelbare Besitzer mit der Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses freiwillig aufgegeben (MünchKomm-BGB/Oechsler, 6. Aufl., § 935 Rn. 9).“

III. Mitbesitz der Ehefrau

Der Kläger macht geltend, dass seine Ehefrau Mitbesitzerin, nicht aber Miteigentümerin des BMW gewesen sei.

Zunächst stellt der BGH dar, unter welchen Voraussetzung ein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB im Falle von Mitbesitz angenommen wird:

„Dem Kläger ist allerdings einzuräumen, dass der gutgläubige Erwerb des Alleineigentums an einer in unmittelbarem Besitz mehrerer Mitbesitzer stehenden Sache nach wohl unbestrittener Ansicht ausscheidet, wenn der Erwerber den Besitz von einem Mitbesitzer ohne Wissen und Wollen der anderen Mitbesitzer erlangt (BGH, Urteil vom 6. März 1995 - II ZR 84/94, NJW 1995, 2097, 2099; OLG München, MDR 1993, 918; OLG Braunschweig, OLGE 26, 58, 59; Bamberger/Roth/Kindl, BGB, 3. Aufl., § 935 Rn. 4; jurisPK-BGB/Beckmann, 6. Aufl., § 935 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Oechsler, 6. Aufl., § 935 Rn. 3; NK-BGB/Meller-Hannich, 3. Aufl., § 935 Rn. 4; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 935 Rn. 9; Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 935 Rn. 9; Staudinger/Wiegand, BGB [2011] § 935 Rn. 7). Diskutiert wird diese Möglichkeit bislang aber nur für den Fall, dass die Mitbesitzer der Sache auch Miteigentümer sind (BGH, Urteil vom 6. März 1995 - II ZR 84/94, NJW 1995, 2097, 2099; OLG Braunschweig, OLGE 26, 58, 59), und für den Fall, dass der Mitbesitzer, der sich oder einem Dritten den Alleinbesitz an der Sache verschafft, selbst nicht deren Eigentümer ist (OLG München, MDR 1993, 918; Staudinger/ 17 Wiegand, aaO Rn. 8).“

Im vorliegenden Fall geht es aber um eine dritte Fallkonstellation: Der Dritte erlangt den Besitz von einem Mitbesitzer (Kläger), der Alleineigentümer der Sache ist.

Dieser Fall ist – so der BGH – aber nicht vom Wortlaut des § 935 I BGB gedeckt:

„Die Vorschrift schließt den gutgläubigen Erwerb nur aus, wenn entweder der Eigentümer selbst (Absatz 1 Satz 1) oder der unmittelbare Besitzer, der ihm den Besitz vermittelt, den unmittelbaren Besitz unfreiwillig verliert (Absatz 1 Satz 2). Der Verlust des Mitbesitzes der Ehefrau des Klägers erfüllt weder den Tatbestand des Satzes 1 noch den des Satzes 2 der Vorschrift. Der Kläger hat seinen unmittelbaren Mitbesitz nicht unfreiwillig verloren. Seine Ehefrau vermittelte ihm den Besitz an dem BMW nicht, da er selbst neben ihr unmittelbarer Mitbesitzer war.“

Fraglich ist, ob § 935 I BGB in einer derartigen Fallgestaltung analog angewendet werden kann. Eine Analogie setzt bekanntlich voraus, dass das Gesetz eine unbeabsichtigte (planwidrige) Lücke aufweist, die nach dem Plan des Gesetzes durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf diese Konstellation ausgefüllt werden müsste, weil der nicht geregelte Fall eine vergleichbare Interessenlage aufweist.

Der BGH sieht bereits keine planwidrige Regelungslücke:

„(1) § 935 I BGB schützt den Eigentümer vor einem Eigentumsverlust durch den gutgläubigen Erwerb eines Dritten, wenn er seinen Besitz unfreiwillig verloren hat. Der unfreiwillige Besitzverlust entwertet nämlich den unmittelbaren Besitz und die an ihn anknüpfende Eigentumsvermutung (§ 1006 BGB) als Grundlage des gutgläubigen Erwerbs. Das ist in den bisher diskutierten Fallgestaltungen nicht anders. Erlangt der Erwerber ohne den Willen des Eigentümers den unmittelbaren Besitz von einem Mitbesitzer, dem die Sache nicht gehört, verliert ihr Eigentümer den Besitz jedenfalls unfreiwillig. Ist der Mitbesitzer zugleich Miteigentümer, verlieren zwar nicht alle Miteigentümer den Besitz unfreiwillig, wohl aber die Miteigentümer, die dem Dritten den Besitz nicht (mit-)verschafft haben. In beiden Fallgestaltungen wäre die Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb nicht zu rechtfertigen. Beide Fälle werden nach Wortlaut und Zweck von § 935 I 1 BGB erfasst.

(2) Das Problem, das die Vorschrift des § 935 BGB bewältigen soll, stellt sich dagegen nicht, wenn der Dritte den unmittelbaren Besitz von einem Mitbesitzer erlangt, dem die Sache allein gehört. Der Eigentümer gibt in diesem Fall seinen unmittelbaren Besitz an der Sache zugunsten des Dritten freiwillig ganz auf und verschafft diesem damit den unmittelbaren Besitz, an den wiederum nach § 1006 BGB die Vermutung für dessen Eigentum knüpft. Es gibt deshalb keinen sachlichen Grund, ihn vor den Folgen des gutgläubigen Erwerbs zu schützen. Dass die Regelung in § 935 BGB auf diesen Fall keine Anwendung findet, entspricht dem Plan des Gesetzes und dem Zweck der Vorschrift. Daran ändert es entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht nichts, dass Mitbesitzerin des Fahrzeugs im vorliegenden Fall die Ehefrau des Klägers war. Für die Geltung oder Nichtgeltung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb kommt es nach § 935 I BGB allein darauf an, ob der Eigentümer oder sein Besitzmittler den unmittelbaren Besitz unfreiwillig verliert. Auf welcher Grundlage die maßgeblichen Besitzverhältnisse beruhen, spielt dagegen für die Geltung des Verkehrsschutzes keine Rolle.

(3) § 935 BGB kann, anders als der Kläger meint, auch nicht deshalb als lückenhaft angesehen werden, weil der Schutz des eigentumslosen Mitbesitzers in dieser Fallkonstellation unzureichend sei.

(a) Zweifelhaft ist schon, ob der Schutz des Mitbesitzers unzureichend ist. Dem eigentumslosen Mitbesitzer stehen gegen den Eigentümer die materiellrechtlichen Ansprüche auf Verschaffung oder Wiederverschaffung des Mitbesitzes aus dem Rechtsverhältnis zu, aufgrund dessen er den Mitbesitz erlangt hat. Außerdem stehen ihm die allgemeinen possessorischen Ansprüche zu, die bei der vollständigen Entziehung des Mitbesitzes durch § 866 BGB nicht ausgeschlossen sind (Senat, Urteil vom 6. April 1973 - V ZR 127/72, LM Nr. 8 zu § 854 BGB; OLG Düsseldorf, OLGZ 1985, 233, 235).

(b) Auch wenn der Schutz des Mitbesitzers gegenüber dem mitbesitzenden Eigentümer unzureichend sein sollte, bedeutet das nicht, dass gerade die Vorschrift des § 935 BGB planwidrig lückenhaft ist. Lückenhaft ist in einer solchen Situation vielmehr die Vorschrift, deren Zweck die Bewältigung des unzureichend geregelten Problems ist (vgl. Senat, Urteil vom 19. März 2004 - V ZR 214/03, VIZ 2004, 374, 375). Das wäre hier § 866 BGB, nicht § 935 BGB. Nur die erstgenannte Vorschrift befasst sich mit dem Schutz des Mitbesitzers. Die Vorschrift des § 935 BGB befasst sich dagegen mit dem Schutz des Eigentümers vor den Folgen des gutgläubigen Erwerbs bei einem unfreiwilligen Besitzverlust. Regelungsthema der Vorschrift ist damit der Schutz des Eigentümers, nicht der Schutz des Besitzers. Dass diese Vorschrift nicht lückenhaft sein kann, wenn der Schutz der Mitbesitzer untereinander unzureichend sein sollte, zeigt sich auch an den Folgen einer entsprechenden Anwendung auf die Entziehung des Mitbesitzes durch den mitbesitzenden Eigentümer. Die Vorschrift schlösse zwar den gutgläubigen Erwerb des Eigentums an der Sache durch einen Dritten aus und verhinderte, dass der Besitz an der Sache endgültig verloren geht. Davon profitierte aber nur der Eigentümer. Für den eigentumslosen Mitbesitzer wäre nichts gewonnen. Er bliebe für die Wiederverschaffung des Mitbesitzes auf die materiellrechtlichen und possessorischen Ansprüche verwiesen, die ohnehin bestehen.“

Die Beklagte hat damit jedenfalls gutgläubig Eigentum an dem PKW erworben. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte scheiden damit aus.

C. Fazit

Eine Entscheidung, die sicherlich über kurz oder lang Eingang in Prüfungsarbeiten finden wird – unbedingt lesen! Die erstinstanzliche Entscheidung des LG Stuttgart (Urt. v. 20.07.2012, Az.  20 O 499/11) ist unter BeckRS 2014, 02214 veröffentlich worden, das Berufungsurteil des OLG Stuttgart (Urt. v. 27.2.2013, Az. 3 U 140/12) ist im Internet im Volltext abrufbar.