BGH: Gewährleistung bei öffentlicher Versteigerung eines Kunstgegenstandes

V betreibt ein Auktionshaus und führt dabei als öffentlich bestellter und vereidigter Auktionator im Sinne von § 34b V GewO Kunstauktionen durch. Im Rahmen einer Kunstauktion bietet er eine bei ihm eingelieferte, im Auktionskatalog unter der Losnummer 1. abgebildete und wie folgt beschriebene Buddha-Skulptur zum Kauf an:

“Sitzender Buddha, Dhyan Asana, Hände fehlen. Marmor mit Wurzelspuren. China, Sui-Dynastie, 581-618, H 40 cm. Es handelt sich wahrscheinlich um den historischen Buddha Sakyamuni. Der regelmäßige Verlauf der ziemlich flachen Falten und das enge Anliegen des Gewandes am Körper entsprechen noch dem nördlichen Chi-Stil. Museal! 3.800,00 €.”

Die der Auktion zugrunde liegenden Versteigerungsbedingungen des V enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:

„2. Grundlagen der Versteigerung
a) Die Versteigerung ist freiwillig und öffentlich i.S.d. § 383 III BGB. Sie wird durch das Auktionshaus als Kommissionär im eigenen Namen für Rechnung der Einlieferer durchgeführt, die unbenannt bleiben.
b) Die zur Versteigerung kommenden Gegenstände können vor der Auktion besichtigt und geprüft werden. Die Sachen sind gebraucht. Sie werden in dem Zustand versteigert, in dem sie sich bei der Auktion befinden. Die Katalogangaben sind nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen, sie sind aber nicht Teil der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit der Gegenstände; das gleiche gilt für deren Bezeichnung beim Aufruf. Beeinträchtigungen des Erhaltungszustands sind nicht in jedem Falle angegeben. Die im Katalog genannten Preise sind Limite, keine Schätzwerte…

  1. Gewährleistung, Haftung
    a) Der Käufer kann gegen das Auktionshaus keine Einwendungen oder Ansprüche wegen Sachmängeln erheben. Das Auktionshaus wird jedoch begründete Mängelrügen, die ihm innerhalb einer Frist von 1 Jahr seit Übergabe der Sache vom Käufer angezeigt werden, gegenüber dem Einlieferer geltend machen, wenn der Käufer die dafür notwendigen sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen nachweist.
    b) Die Haftung des Auktionshauses auf Schadensersatz für Vermögensschäden, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen, es sei denn, dem Auktionshaus fiele Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last …”

K bietet auf die Skulptur, für die ein Mindestpreis von 3.800 € aufgerufen wird, und erhält für 20.000 € den Zuschlag und entrichtet den Kaufpreis. Später stellt sich heraus, dass es sich bei der Skulptur um eine neuzeitliche Fälschung handelt. K erklärt gegenüber V den Rücktritt vom Kaufvertrag.

K erhebt Klage gegen V und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises, Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Skulptur.

Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 9.10.2013, Az. VIII ZR 224/12) bejaht einen Rückzahlungsanspruch.

K könnte ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Skulptur gemäß §§ 346 I, 437 Nr. 2, 326 V, 348, 346 I BGB zustehen.

Zunächst müsste die Skulptur mangelhaft sein (§§ 437 Nr. 2, 434 BGB).

Denkbar wäre zunächst ein Sachmangel i.S.v. § 434 I 1 BGB. Aus der Beschreibung der Skulptur im Auktionskatalog könnte sich eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung ergeben. Allerdings findet sich unter Nr. 2 b) der Vertragsbedingungen der Hinweis, dass die Katalogangaben nicht Teil der vereinbarten Beschaffenheit seien. Ob diese Bestimmung, die als AGB i.S.v. § 305 I BGB anzusehen ist, wirksam ist, ist fraglich. Sie könnte als überraschend anzusehen sein (§ 305c I BGB) oder jedenfalls als unangemessene Benachteiligung (§ 307 I BGB). Letztlich muss diese Frage nicht entschieden werden, wenn jedenfalls ein Sachmangel i.S.v. § 434 I 2 Nr. 2 BGB vorliegt. Dazu der BGH:

„Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass eine auf einer Kunstauktion angebotene Skulptur, die im Auktionskatalog in der vorstehend wiedergegebenen Weise (“China, Sui-Dynastie, 581-618 … Museal”) mit einem als unteres Limit zu verstehenden Ausrufpreis von 3.800 € im Sinne von § 434 I 3 BGB beschrieben worden ist, nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann, wenn es sich nicht um ein aus der angegebenen Stilepoche stammendes Original, sondern um eine neuzeitliche Fälschung handelt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die danach zu fordernde Beschaffenheit nicht entscheidend darauf an, ob sich auch eine Nachahmung als Raumschmuck aufstellen lässt und den Betrachter über die Gestaltung von Buddha-Statuen im Zeitpunkt der Schaffung des als Vorbild dienenden Objekts informiert. Entscheidend ist - was das Berufungsgericht richtig gesehen hat und was vorliegend durch den Hinweis auf die Eignung der Skulptur für museale Zwecke und die Höhe des Ausrufpreises noch verstärkt wird - vielmehr die Echtheit der Skulptur im Sinne ihrer Herkunft aus der angegebenen Stilepoche und damit ihre nach den Umständen auf der Hand liegende Eignung als Sammlerstück und Wertanlage.“

Dem steht auch nicht die bereits erwähnte Bestimmung in Nr. 2 b) der Vertragsbestimmungen entgegen:

„Jedenfalls ergäbe auch schon eine Auslegung dieser Klausel, die der Senat selbst vornehmen kann, dass sie entsprechend ihrem Wortlaut nur der Annahme einer (konkludent) vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 I 1 BGB entgegenwirken soll, nicht jedoch den Anforderungen an eine nicht vereinbarte Beschaffenheit im Sinne von § 434 I 2, 3 BGB entgegensteht. Das gilt umso mehr, als für eine Einschränkung der gesetzlichen Gewährleistungshaftung im Zweifel der Grundsatz einer engen Auslegung, sodass die Klausel jedenfalls in ihrer gemäß § 305c II BGB maßgeblichen kundenfreundlichsten Auslegung so zu verstehen ist, dass sie die Voraussetzungen der Mangelfreiheit im Sinne von § 434 I 2, 3 BGB unberührt lässt.“

Aufgrund dieses (unbehebbaren) Mangels steht dem K grds. ein Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB zu, ohne dass es einer Fristsetzung bedarf.

Das Rücktrittsrecht könnte aber gemäß Nr. 7 a) der Vertragsbedingungen ausgeschlossen sein.

Fraglich ist, ob diese Bestimmung wirksam ist.

Der Wirksamkeit steht jedenfalls nicht § 475 I BGB entgegen. Die Skulptur wurde als gebrauchte Sache (zur Frage der Abgrenzung von neuen und „gebrauchten“ Tieren siehe BGH, Urt. v. 15.11.2006, Az. VIII ZR 3/06) im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung i.S.v. § 383 III BGB versteigert, so dass die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 I 2 BGB keine Anwendung finden (zur Auslegung des Begriffs der “öffentlichen Versteigerung” i.S.v. § 474 I 2 BGB siehe BGH, Urt. v. 9.11.2005, Az. VIII ZR 116/05).

Der Gewährleistungsausschluss könnte aber gemäß § 309 Nr. 7 a) BGB unwirksam sein. Dazu der BGH:

„Der in Ziffer 7 Buchst. a Satz 1 der Versteigerungsbedingungen geregelte Gewährleistungsausschluss bezieht bereits nach seinem Wortlaut, wonach der Käufer gegen das Auktionshaus keine Einwendungen oder Ansprüche wegen Sachmängeln erheben kann, jegliche Ansprüche des Käufers gegen den Versteigerer aus Mängeln der ersteigerten Gegenstände im Sinne des § 434 I BGB in seinen Geltungsbereich ein. Dadurch erstreckt sich der Gewährleistungsausschluss auch auf etwaige Schadensersatzansprüche des Ersteigerers gemäß § 437 Nr. 3 BGB wegen Körper- und Gesundheitsschäden infolge eines Mangels. Zwar nimmt Ziffer 7 Buchst. b der Versteigerungsbedingungen von diesem Anspruchsausschluss eine Haftung auf Schadensersatz für Vermögensschäden aus, bei denen dem Auktionshaus Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Eine vergleichbare Einschränkung für Körper- und Gesundheitsschäden ist jedoch nicht vorgesehen. Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung ist auch nicht ersichtlich, dass solche mangelbedingten Schäden durch die zur Versteigerung kommenden Gegenstände schlechthin nicht entstehen könnten. Denn die Versteigerungsbedingungen lassen nicht erkennen, dass bei den vom Beklagten veranstalteten Auktionen nur solche Gegenstände zur Versteigerung kämen, bei denen eine mangelbedingte Gefährdung von Körper und Gesundheit der damit in Berührung kommenden Personen von vornherein generell ausgeschlossen wäre.

Diese fehlende Berücksichtigung der nach § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht abdingbaren Haftung des Verwenders für Körper- und Gesundheitsschäden steht der Wirksamkeit des in Ziffer 7 Buchst. a Satz 1 der Versteigerungsbedingungen geregelten Anspruchsausschlusses in seiner Gesamtheit entgegen. Die darin liegende unangemessene Benachteiligung des Ersteigerers kann insbesondere nicht durch Abtrennung eines unwirksamen Klauselteils behoben werden, so dass der in den Versteigerungsbedingungen vorgesehene Gewährleistungsausschluss insgesamt unwirksam ist.“

Damit steht dem K unter Berücksichtigung der Feststellungen des Berufungsgerichts ein Rücktrittsrecht zu. Da das Berufungsgericht die Feststellungen zur Echtheit der Skulptur aber verfahrensfehlerhaft getroffen hat, indem es sich insoweit auf einen Zeugenbeweis stützte, obwohl ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen wäre, hat der BGH den Fall zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 ZPO).

Ein schöner Kaufrechtsfall, der Gelegenheit bietet, sich mit dem Mangelbegriff und der Wirksamkeit von Gewährleistungsausschlüssen auseinanderzusetzen.