BGH: Minderung im Rahmen eines Winterdienstvertrages

K ist Inhaberin eines Unternehmens für Straßenreinigung und Winterdienst. Sie schließt mit B, der Eigentümer eines Hausgrundstücks ist, einen “Reinigungsvertrag Winterdienst”. Gegenstand des Vertrages ist der Winterdienst für den Gehsteig, den Hofeingang und den Weg zum Fahrradständer auf dem Grundstück des B. Das Vertragswerk bestimmt unter anderem:

“Der Auftragnehmer übernimmt die öffentlich-rechtliche Verpflichtung während des winterlichen Reinigungszeitraumes vom 1. November bis zum 30. April, die vertraglich vereinbarten Reinigungsflächen gemäß den Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes des jeweiligen Bundeslandes bzw. der jeweiligen kommunalen Satzung von Schnee- und Eisglätte freizuhalten und bei Winterglätte mit abstumpfenden Stoffen zu bestreuen.”

Das vereinbarte Entgelt richtet sich nach der Maschinen- bzw. Handarbeit je Quadratmeter der vereinbarten Fläche. Die von K verwendeten und dem Vertrag zugrunde liegenden “Vertragsbedingungen für die Ausführung von Winterdienstarbeiten” sehen unter Nr. 4 vor:

“Der Auftragnehmer erklärt, dass er aufgrund des jeweils gültigen Straßenreinigungsgesetzes die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Schnee-, Eisglätte- und Eisglättebekämpfung auf den vertraglich vereinbarten Reinigungsflächen übernimmt.”

Unter Nr. 14 der Vertragsbedingungen heißt es:

“Die Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber werden dahin gehend beschränkt, dass sie zunächst nur Nachbesserung verlangen können. Lediglich im Fall des wiederholten Fehlschlagens der Nachbesserung kann der Auftraggeber nach seiner Wahl Herabsetzung der Vergütung oder Rückgängigmachung des Vertrages verlangen.”

Weil K es an einigen Tagen unterlassen hat, Handreinigungsarbeiten für den Weg vom Hofeingang und Maschinenreinigungsarbeiten im Hinblick auf den Weg zum Fahrradständer vorzunehmen, hält B von der geltend gemachten Vergütung insgesamt 400,00 € zurück.

K erhebt Klage und verlangt (vermeintlich) ausstehende Restvergütung in Höhe von 400,00 €. Amts- und Landgericht geben der Klage statt. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 6.6.2013, Az. VII ZR 355/12) hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache zurück an das Landgericht.

Anspruchsgrundlage könnte § 631 I BGB sein. Das setzt zunächst voraus, dass die Parteien einen Werkvertrag geschlossen haben. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Vertrag überwiegend dienstvertraglichen Charakter habe. Dem tritt der Bundesgerichtshof entgegen:

“Gemäß § 631 II BGB kann Gegenstand eines Werkvertrages auch ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird.

Die Klägerin schuldete einen Erfolg. Nach der getroffenen Vereinbarung hatte sie - unter Übernahme der Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes - die vereinbarten Flächen von Schnee- und Eisglätte “freizuhalten”. Die Klägerin schuldete danach ein bestimmtes Arbeitsergebnis. Es kam den Vertragsparteien darauf an, dass die vereinbarten Flächen in der Wintersaison gefahrlos benutzt werden konnten. Vertragsgegenstand war, wie die Revision zutreffend ausführt, die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte.
Das Berufungsgericht hat als entscheidend angesehen, dass die Klägerin auch die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten übernommen hat. Um dem nachzukommen, so hat das Berufungsgericht gemeint, schulde die Klägerin vor allem die Überwachung der Wetterlage und vereinbarten Fläche, sodass der Vertrag überwiegend dienstvertraglichen Charakter habe. Das ist nicht richtig. Die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht ändert nichts an der Rechtsnatur des Vertrages. Diese wird maßgeblich durch den Werkerfolg geprägt, der darin besteht, dass die Gefahrenquelle beseitigt wird. Wetterbeobachtungen und -prognosen dienen lediglich dazu, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem ein Winterdienst notwendig ist.

Das Berufungsgericht hat weiter gemeint, es spreche gegen einen Werkvertrag, dass eine Vergütung auch dann geschuldet sein solle, wenn witterungsbedingt kein Winterdienst notwendig wird. Das überzeugt nicht. Ein Werkvertrag liegt auch dann vor, wenn die Leistung des Unternehmers nur unter bestimmten Umständen zu erbringen ist. Der Einordnung eines sogenannten Winterdienstvertrages als Werkvertrag steht auch nicht entgegen, dass der Auftraggeber ein pauschales, nach Zeitabschnitten bemessenes Entgelt zu entrichten hat. Ebenso wenig ist entscheidend, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines Dauerschuldverhältnisses aufweist. Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu.”

Der Anspruch könnte aber infolge einer erklärten Minderung gemäß §§ 634 Nr. 3, 638 BGB untergegangen sein.

Zunächst ist fraglich, ob die besonderen Vorschriften über die Sachmängelhaftung einschlägig sind oder ob die allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts Anwendung finden, die eine Minderung nicht kennen. Während im Kaufrecht der Zeitpunkt des Gefahrübergangs den Übergang von den allgemeinen Vorschriften zu denjenigen zum Sachmängelgewährleistungsrecht markiert (vgl. § 434 I 1 BGB), fehlt es im Werkvertragsrecht an einer ausdrücklichen Regelung. Nach h.M. kommt es insoweit grds. auf die Abnahme an (vgl. § 634a II BGB), wobei der Bundesgerichtshof auch hier offen lassen kann, ob der Besteller bereits vor der Abnahme Mängelrechte gemäß § 634 BGB geltend machen kann.
Im Falle eines Winterdienstvertrages scheidet eine Abnahme jedoch aus:

“Eine Abnahme des von der Klägerin geschuldeten Winterdienstes scheidet seiner Natur nach aus, vgl. auch § 646 BGB. Sinn und Zweck des Winterdienstvertrages ist es, dass der Auftragnehmer den Winterdienst versieht, ohne dass der Auftraggeber jedes Einsatzergebnis billigen soll. Der Auftraggeber soll gerade davon freigestellt werden, seinerseits die Witterung im Blick zu behalten und bei Schneefall bzw. Eisglätte am Ort der Winterdienstleistung zu erscheinen. Auch zum Ende der vereinbarten Wintersaison (30. April des Jahres) ist das Werk nicht mehr abnahmebedürftig. An einer Abnahme zu diesem Zeitpunkt besteht für den Auftraggeber kein Interesse mehr. Denn er kann die Leistung nicht mehr mit dem Ziel als nicht vertragsgerecht zurückweisen, dass eine ordnungsgemäße Erfüllung nachgeholt wird.”

Scheidet eine Abnahme - wie hier - aus: Auf welchen Zeitpunkt ist dann abzustellen? Dazu der Bundesgerichtshof:

“In den Fällen, in denen die Abnahme nach der Natur der Sache ausgeschlossen ist und der Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner gesamten Verbindlichkeit erbracht hat, ist es gerechtfertigt, das Mängelrecht der §§ 634 ff. BGB anzuwenden, wenn die Leistung unvollständig ist. Eine in zu geringer Menge erbrachte Leistung steht einem mangelhaften Werk gleich (§ 633 II 3 2. Fall BGB). Dies entspricht auch der Sicht der Gesetzesmaterialien des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wonach es darauf ankommt, dass der Werkunternehmer die Leistung als Erfüllung seiner Pflicht erbringt (BT-Drucks. 14/6040, S. 261 unter Hinweis auf S. 216).”

Danach beurteilt sich der Fall nach dem spezielleren werkvertraglichen Gewährleistungsrecht.

Indem B einen Teil der Vergütung zurückbehielt, hat er konkludent die Minderung erklärt.
Weitere Voraussetzung ist, dass das Werk mangelhaft i.S.v. § 633 BGB war. Der Bundesgerichtshof nimmt einen Mangel i.S.v. § 633 II 3 BGB an:

“Sie hat ihr Werk damit als vollständig erfüllt betrachtet, sodass im Fall unvollständiger Befreiung der vereinbarten Flächen von Schnee oder Eis ein Sachmangel anzunehmen ist.”

Schließlich müsste B der K eine angemessene Nachfrist gesetzt haben, weil der Besteller die Minderung nur “statt eines Rücktritts” erklären darf, also auch die Voraussetzungen eines Rücktritts vorliegen müssen, für den grds. es einer Fristsetzung bedarf (§§ 634 Nr. 3, 636, 323 I BGB).
Eine Nachfrist hat B nicht gesetzt, doch geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass diese nach § 323 II Nr. 3 BGB entbehrlich war:

“Für die Auftraggeber der Klägerin steht im Vordergrund, dass sie bei Bedarf unverzüglich tätig wird. Angesichts des mit einer Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen Zeitverlusts ist es dem Auftraggeber nicht zuzumuten, der Klägerin zunächst eine - wenn auch kurze Nachfrist - zu setzen, weil in diesem Zeitraum nicht hinnehmbare Gefahren für die Gesundheit von Anwohnern, Besuchern und anderen Verkehrsteilnehmern entstehen können.”

Schließlich steht dem nicht Nr. 14 der Vertragsbedingungen entgegen:

“Diese Formularbestimmung ist unwirksam. Nach dem Inhalt der Klausel muss der Vertragspartner der Klägerin eine Nachfrist setzen, auch wenn eine Fristsetzung gemäß § 323 II BGB, § 326 V BGB, § 636 BGB entbehrlich ist. Eine solche Formularbestimmung benachteiligt die Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht.”

Weil bislang keine Feststellungen zur Höhe getroffen wurden, hat der Bundesgerichtshof die Sache zurückverwiesen. Als “Segelanweisung” gibt er dem Berufungsgericht aber mit auf den Weg, dass die Höhe der Minderung auch geschätzt werden könne (§ 638 III 2 BGB, § 287 ZPO) und es sich anbiete nicht erbrachte Teilleistungen im Ausgangspunkt nach Maßgabe des offen gelegten Preisgefüges des Vertrages zu bewerten.

Eine lehrreiche Entscheidung, die Vieles bietet, was in der Examensvorbereitung relevant ist: Abgrenzung Dienst-/Werkvertrag, Abgrenzung allg. Schuldrecht / besondere Gewährleistungsvorschriften, Entbehrlichkeit der Fristsetzung, AGB-Kontrolle.