BGH zur Unwirksamkeit von Klauseln bezüglich Verwahrentgelten

BGH zur Unwirksamkeit von Klauseln bezüglich Verwahrentgelten

Verstößt eine Klausel zu Verwahr-und Ersatzkartenentgelten gegen das Transparenzgebot?

Bei Giroverträgen sowie Verträgen über Tagesgeld- und Sparkonten haben Banken aufgrund der negativen Zinsentwicklung unter anderem Verwahrentgelte für Guthaben ab einer gewissen Höhe erhoben. Sind solche Klauseln nach § 307 I BGB unwirksam?

A. Sachverhalt

Der Kläger K -ein nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein- hat die beklagte Sparkasse B auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln zu Verwahrentgelten bei Guthaben auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten sowie bezüglich der Erhebung von Entgelten für eine Ersatz-BankCard und eine Ersatz-PIN in Anspruch genommen. In diesen für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierten Verträgen sind bei den Giroverträgen unter anderem folgende Bestimmungen enthalten:

“Verzinsung

Zinssatz für Guthaben (täglich fällige Gelder) 0,00 %

Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 € (Freibetrag 5.000 €)* - 0,70 % p.a.

*Das Verwahrentgelt auf allen Privatgirokonten, die ab dem 01.02.2020 neu eröffnet werden, beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 € 0,70 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 €)….“

Bei den Verträgen zu den Tagesgeldkonten sind unter anderem folgende Bestimmungen enthalten:

“3.2 Entgelt für die Verwahrung von Einlagen

[…]

Einlagen bis 50.000,00 EUR 0,00 % p.a.

Einlagen über 50.000,00 EUR 0,50 % p.a.

Jedes weitere S. 18

Einlagen über 0,00 EUR 0,50 % p.a.

Die Berechnung erfolgt taggenau. Die Belastung der Gebühr erfolgt monatlich nachträglich zulasten des jeweiligen Kontos.

Bei den Verträgen zu Ersatz-BankCard und Ersatz-PIN sind unter anderem folgende Bestimmungen enthalten:

“4.4 Kartengestützter Zahlungsverkehr

4.4.1 Debitkarten

4.4.1.1 BankCard

[…]

  • Ersatzkarte(28) 12,00 EUR

  • Ersatz-PIN(28) auf Wunsch des Kunden 5,00 EUR

[…]

28 Wird nur berechnet, wenn der Kunde die Umstände, die zum Ersatz der Karte/PIN geführt haben, zu vertreten hat und die Bank nicht zur Ausstellung einer Ersatzkarte/Ersatz-PIN verpflichtet ist.”

K nimmt B auf Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln in Anspruch.

B. Entscheidung

K begehrt von B nach §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der Klausel, wonach in Verträgen über Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten Verwahrentgelte anfallen und Entgelte für eine Ersatz-BankCard sowie eine Ersatz-PIN erhoben werden.

Als nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein kann K gem. §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG Ansprüche auf Unterlassung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von dem Verwender verlangen, die nach §§ 307-309 BGB unwirksam sind.

I. Eingetragener Verbraucherschutzverein

K ist ein nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Dementsprechend ist er grundsätzlich berechtigt, Verwender von AGB gem. §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

II. AGB

Bei den Klauseln, wonach in Verträgen über Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten Verwahrentgelte anfallen und Entgelte für eine Ersatz-BankCard sowie eine Ersatz-PIN erhoben werden, müsste es sich um AGB handeln. Dies sind nach § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Dies setzt eine Erklärung des Verwenders voraus, welche eine Regelung des Vertragsinhalts betrifft. Abzugrenzen ist dies von bloßen Hinweisen oder Informationen.

Für die Unterscheidung zwischen (verbindlichen) Vertragsbedingungen einerseits und (unverbindlichen) Bitten oder Empfehlungen sowie bloßen Hinweisen ohne eigenständigen Regelungsgehalt andererseits ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt danach vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden …

Das auf der Internetseite der Beklagten dargestellte Preis- und Leistungsverzeichnis, das auch die streitgegenständliche Klausel über das Verwahrentgelt enthielt, ist zwar eine invitatio ad offerendum. Die Klausel über das Verwahrentgelt vermittelt nach ihrem objektiv eindeutigen Wortlaut bei potenziellen Vertragspartnern aber den Eindruck, dass sie zum Vertragsinhalt werden wird. Sie regelt das Entgelt für die Verwahrung von Geldern auf den von der Beklagten geführten Privatgirokonten und sollte damit nach dem Empfängerhorizont im Fall des Vertragsschlusses eine Zahlungspflicht gegenüber dem Verwender begründen …

Zwischenergebnis

Bei den Klauseln handelt es sich um AGB.

III. Unwirksamkeit nach § 307 I BGB

Die Klauseln könnten gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB verstoßen und damit nach § 307 I 1 BGB unwirksam sein.

Nach § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

1. Giroverträge

Fraglich ist, ob die Bestimmungen in den Giroverträgen, wonach Verwahrentgelte für Guthaben auf den Girokonten erhoben werden, einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Grundsätzlich unterliegen Vereinbarungen über den Vertragsgegenstand und somit auch von Entgelten aufgrund der Vertragsfreiheit keiner Inhaltskontrolle.

§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hierunter fallen weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung. …

Ob eine Klausel nach diesen Grundsätzen eine kontrollfähige Preisnebenabrede oder eine kontrollfreie Preisabrede enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln, die der Senat selbst vornehmen kann … Diese hat sich nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird … Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders…

Die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten stellt neben der Erbringung von Zahlungsdiensten eine den Girovertrag prägende Leistung und damit eine Hauptleistung aus dem Girovertrag dar …. Die Kunden haben - unabhängig von der Höhe der jeweils aktuellen Marktzinsen - ein Interesse an der Nutzung der Girokonten als “Verwahrstelle” für ihr Geld. Sie können ihr Bargeld mithilfe des Girokontos - nach vorheriger Umwandlung in Giralgeld - sicher aufbewahren … und Guthaben auf Girokonten belassen, ohne sich um dessen Weiterverwendung zu kümmern …. Darüber hinaus sind Guthaben auf Girokonten als Sichteinlagen durch die gesetzlichen Einlagensicherungssysteme geschützt und für Kunden jederzeit verfügbar …. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es bei einer Gesamtschau, die Verwahrung der Guthaben auf Girokonten als von der Bank im Rahmen des Girovertrags erbrachte Hauptleistung anzusehen

Insofern unterliegen die Klauseln über Verwahrentgelte in Giroverträgen keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.

Allerdings erstreckt sich das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen nach § 307 III 2 BGB.

2. Verträge bezüglich Tagesgeld- und Sparkonten sowie Ersatz-BankCard und ErsatzPIN

Die Verträge bezüglich Tagesgeld- und Sparkonten sowie Ersatz-BankCard und ErsatzPIN unterliegen ohne weiteres einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.

3. Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB

Eine unangemessene Benachteiligung kann sich gem. § 307 I 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, sog. Transparenzgebot.

Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen …. Es dient insbesondere auch dem Schutz vor Klauseln, denen aufgrund ihrer unklaren Formulierung ein Element der Täuschung oder Eignung zur Irreführung des Kunden über seine Rechte oder Pflichten innewohnt. Unrichtige oder irreführende Klauselinhalte sind daher unangemessen, wenn sie den Kunden über die wirkliche Rechtslage zu täuschen vermögen und ihn bei der Wahrnehmung seiner Rechte behindern oder ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden können. Eine Täuschungsabsicht ist nicht erforderlich …

Nach dem aus dem Transparenzgebot abgeleiteten Bestimmtheitsgebot muss die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Die Beschreibung muss für den anderen Vertragsteil nachprüfbar und darf nicht irreführend sein. Dabei ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen …

4. Verstoß gegen Transparenzgebot

Die wirtschaftlichen Folgen der Klausel lassen sich nicht absehen.

Die Klausel ist hinsichtlich der Höhe des Verwahrentgelts, das von Verbrauchern gezahlt werden soll, nicht bestimmt genug, sodass Verbraucher ihre mit der Klausel verbundene wirtschaftliche Belastung nicht hinreichend erkennen können.

Weder die in der Klausel enthaltene Formulierung “Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 € (Freibetrag 5.000 €)” noch die in der durch “*” gekennzeichneten Anmerkung enthaltene Formulierung “Das Verwahrentgelt […] beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 € 0,7 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 €)” lässt hinreichend erkennen, auf welches Guthaben das Verwahrentgelt von 0,7 % p.a. berechnet werden soll. Die auf Girokonten bestehenden Guthaben können sich infolge der Verbuchung von Gutschriften und Belastungen innerhalb eines Tages ändern. Die in der Klausel verwendeten Formulierungen lassen offen, welcher konkrete Guthabenstand auf den Girokonten für die Berechnung des Verwahrentgelts von 0,7 % p.a. maßgebend sein soll. Unklar ist insbesondere, ob die Berechnung des Verwahrentgelts taggenau erfolgen soll und bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze auf den Girokonten bei der Berechnung des maßgebenden Guthabensaldos berücksichtigt werden sollen. Ohne eine entsprechende Klarstellung in der Klausel sind für Kunden die mit dem Verwahrentgelt verbundenen finanziellen Belastungen der Höhe nach weder vorhersehbar noch überprüfbar.

Ergebnis

Somit verstoßen die Klauseln gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB und sind damit nach § 307 I 1 BGB unwirksam.

IV. Wiederholungsgefahr

Eine Wiederholungsgefahr besteht, da B die Wirksamkeit der Klausel verteidigt und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.

Ergebnis

K kann von B nach §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der Klauseln, wonach in Verträgen über Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten Verwahrentgelte anfallen und Entgelte für eine Ersatz-BankCard sowie eine Ersatz-PIN erhoben werden, verlangen.

C. Prüfungsrelevanz

Die Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist häufig Gegenstand von Examensklausuren. Der vorliegende Fall bietet die Möglichkeit, sich damit zu beschäftigen, ob eine Klausel eine verbindliche Vertragsbedingung oder lediglich ein unverbindlicher Hinweis ist und ob ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB vorliegt, welches auch bei Hauptleistungspflichten nach § 307 III 2 BGB anwendbar ist.

(BGH Urt. v. 04.02.2025 – XI ZR 61/23)

BlogPlus

Du möchtest weiterlesen?

Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.

Paket auswählen