So langsam hast Du die ersten Vorlesungen des Wintersemesters hinter Dich gebracht und Du hast nun einen ersten eigenen Einblick bekommen, was sich hinter dem Begriff „Vorlesung“ eigentlich versteckt. Lass mich raten, Deine Vorfreude dürfte bereits etwas verflogen sein und Du fühlst Dich überfordert und erschlagen? Wenn Du diese Frage mit „Ja“ beantworten kannst, kannst Du direkt wieder aufatmen. Du stehst mit diesen Gefühlen nicht allein da. Leider wirst Du aber auch merken, dass viele Deiner Kommiliton:innen nicht ehrlich über ihre Empfindungen sprechen werden, sodass sich womöglich bei Dir das ungute Gefühl einstellt, dass nur Du so empfindest. Damit Dein kleines Unbehagen vor Deinem Studium und universitären Leben sich wieder beruhigt, möchte ich Dir ein paar Eckpfeiler für Dein erstes Semester mitgeben. Uni ist eben doch nicht mit Deinem Schulalltag vergleichbar, auch wenn Du Dich in der Rolle des „Lehrlings“ wiederfindest. Uni ist aber auch viel bunter, lebendiger und kultureller als Dein Schulalltag.
1. Vorlesungen & Arbeitsgemeinschaften
Dein Jurastudium besteht neben den Vorlesungen auch aus sogenannten Arbeitsgemeinschaften. Die Vorlesungen dienen dazu, dass Du die Theorie und Methode der Rechtswissenschaft begreifst, lernst und im Bestfall auch verstehst. Wo ist der Unterschied zwischen Begreifen, Lernen und Verstehen? Du sollst hier also das Handwerkszeug für die juristische Bewertung von Lebenssachverhalten beigebracht bekommen. Wie Du nun aber praktisch einen Lebenssachverhalt juristisch lösen kannst, wird Dir in Deiner Arbeitsgemeinschaft beigebracht. Mach Dir dies bewusst. Wichtig ist daher, dass Du Deine Vorlesungen nicht mit dem Anspruch besuchst, dass Du alles sofort und zu 100 % verstehst. Es handelt sich oft um dogmatisch basiertes Wissen, welches Dir ein juristisches Allgemeinwissen vermitteln soll. Vorlesungen präsentieren ein viel umfangreicheres Wissen als Du es für Deine juristische Grundausstattung für eine Falllösung benötigst. Das heißt, dass Du immer zwischen dem Wissen, welches aus Gründen der Dogmatik gelehrt wird, und dem Wissen für eine Falllösung trennen solltest. Beides ist elementar für Dein Jurastudium, aber im Examen kommt es darauf an, dass Du unter Beweis stellen kannst, dass Du fähig bist, einen Sachverhalt juristisch zu lösen und zu bewerten. Dies solltest Du gerade am Anfang nicht aus dem Blick verlieren. Deine Arbeitsgemeinschaften solltest Du also auf die „Eins“ setzen. Das heißt nicht, dass Du Deine Vorlesungen vernachlässigen solltest. Gerade in den ersten Semestern ist der Besuch von Vorlesungen essenziell, um nicht nur einen Fuß in die Rechtswissenschaft zu bekommen, sondern auch um das universitäre Leben kennenzulernen.
2. Eigenstudium
Der Besuch der Vorlesungen war für mich damals die eine Sache, aber die viel größere Herausforderung war die Nach- bzw. Vorbereitung der Vorlesungen. Aus meiner gewohnten Schulroutine stürzte ich mich direkt auf die Zusammenfassung der Vorlesungen und vor allem des empfohlenen Lehrbuches. Bald merkte ich, dass dies im Jurastudium aufgrund der Masse nicht zu bewerkstelligen war. Versuch Dich daran zu gewöhnen, dass Du für solche Zwecke gerade ein Lehrbuch hast, welches Dir bereits in einer komprimierten Form das erforderliche Wissen bereitstellt. Natürlich musst Du für Dich selbst herausfinden, ob Du eine eigene zusätzliche Zusammenfassung benötigst. Meine eigene Erfahrung ist, dass ich meine ganzen Zusammenfassungen, die ich mir über die Jahre selbst anfertigte, später nur selten benutzte. Für die Klausurvorbereitung griff ich am Ende nur noch zu Prüfungsschemata. Daher mein persönlicher Tipp: Probiere mal aus, dass Du Deinen Fokus auf die Erstellung von Prüfungsschemata legst. Ich griff dazu auf Schemata von Jura Online zurück und unterfütterte die jeweiligen Prüfungspunkte mit zusätzlichem Lerninhalt. Dadurch hatte ich den Vorteil, dass ich direkt an der relevanten Stelle die Problemschwerpunkte im Prüfungsaufbau verortete. Zusammenhänge und Verknüpfungen konnte ich dann viel besser nachvollziehen. Außerdem konzentrierte ich mich so nur auf die Probleme, die auch für meine Falllösung und somit für das Bestehen meiner Klausuren relevant waren. So kannst Du zudem verhindern, dass Du Dich in einer Zettelwirtschaft verlierst und womöglich noch durcheinander kommst. Die Prüfungsschemata von Jura Online können Dir dabei z.B. eine gute Grundlage bieten, um diese mit Deinen eigenen Notizen zu füllen.
3. Lehrbücher und Material
Wahrscheinlich wirst Du schon die ein oder andere Liste mit Lehrbuchempfehlungen aus den Vorlesungen mitgenommen haben. Das Wichtigste bei der Auswahl Deiner Lehrmaterialien ist meiner Meinung nach, dass Du mit dem Schreibstil, der grafischen Aufbereitung und den Prüfungsschemata zurechtkommst. In den Lehrbüchern steht meistens nichts Unterschiedliches, der Stoff wurde nur anders aufbereitet. Ich habe mich manchmal davon irritieren lassen, dass ein und dieselbe Materie unterschiedlich präsentiert wurde, sodass ich die verschiedenen Darstellungsweisen in einem Schema vereinen wollte. Schnell merkte ich, dass das nicht funktioniert. Mein Tipp daher: Lass Dich davon nicht verunsichern, wenn für ein und dieselben Anspruchsvoraussetzungen unterschiedliche Begriffe verwendet werden und Prüfungspunkte unterschiedlich bezeichnet werden. Deine Freiheit im Studium ist es dann, dass Du selbst entscheiden kannst und musst, welche Formulierung Deinem Sprachgebrauch am nächsten kommt. Ratsam ist es, wenn Du dann bei Deiner gewählten Formulierung bleibst bzw. falls Du mit Prüfungsschemata lernst, die andere Begrifflichkeiten verwenden, zumindest Deine gewohnte Formulierung daneben schreibst. Lass Dich zudem nicht verunsichern, wenn nicht nur Begrifflichkeiten, sondern der gesamte Grundaufbau eines Prüfungsschemas teilweise abweicht. Auch hier gibt es unterschiedliche Aufbaumöglichkeiten. Natürlich schadet es zumindest für die Klausuren im Studium nicht, wenn Du die Formulierung und Aufbauschemata Deines Professors oder Deiner Professorin verwendest. Dies ist aber KEIN Muss und wird auch nicht mit Zusatzpunkten honoriert. Hilfreich könnte dies allenfalls für die Korrekturassisten:innen sein, damit diese besser durch die Klausuren springen können.
4. Lerngruppen bilden
Mein wichtigster Tipp für Dich: Versuche so schnell wie möglich eine kleine Lerngruppe mit maximal zwei bis drei Personen zu gründen. Die juristischen Basics musst Du für Dich allein lernen und verstehen, aber das Herzstück des Jurastudiums ist die juristische Falllösung. Diese wird Dich Dein gesamtes Studium bis zum zweiten Examen begleiten und diese musst Du lernen, trainieren und beherrschen können. Ich dachte lange, dass es am besten funktioniert, wenn ich Falllösungen für mich allein erarbeite. Ich irrte mich jedoch. Auch wenn Du zu den eigenständigen Lerntypen gehörst, solltest Du zumindest für das Falltraining in Erwägung ziehen, eine Lerngruppe zu bilden. Gerade zu Beginn, wenn Du noch unerfahren bist, stellen die gemeinsame Fallbesprechung und Entwicklung einer juristischen Lösung einen großen Mehrwert dar. Vorteil dieser Methode ist nämlich, dass Du anfängst selbst zu denken, zu argumentieren und Deinen Standpunkt zu verteidigen. Genau das macht eine Fallbearbeitung aus und ist von entscheidender Bedeutung. Nebenbei erhältst Du Einblicke in andere Denkweisen und Argumentationsmuster. In Deinem Studium wirst Du schnell merken, dass es unzählige Meinungen gibt und fast alles vertretbar ist, wenn Du schlüssig und lebensnah argumentierst. Das Studium ist dafür da, dass Du genau das lernst. Daher solltest Du auch Deine Arbeitsgemeinschaften nutzen und Dich aktiv beteiligen.
Fazit
Mit Deinem Jurastudium hast Du ein Studium gewählt, was hauptsächlich auf Deiner Eigenständigkeit aufbaut. Das Sprichwort „Alles kann – nichts muss“ beschreibt das Jurastudium eigentlich ganz gut. Bis zum Bestehen Deiner Zwischenprüfung ist Dein Studium durch den Studienverlaufsplan zwar noch konkret vorgegeben, den Du zum Bestehen abarbeiten musst. Spätestens ab Deinem Hauptstudium bist Du völlig frei in der Wahl Deiner Vorlesungen und bei den meisten Unis gibt es dann auch nur noch freiwillige Klausuren. Dein erstes Semester solltest Du dazu nutzen, um herauszufinden, wie Du am besten lernen kannst und welche Materialien Du dazu benötigst. Erhältst Du in Deiner Arbeitsgemeinschaft umfangreich ausformulierte Musterlösungen, können diese schon einen ersten Anknüpfungspunkt und Grundlage bieten. Aber Achtung: Überfordere Dich nicht. Gerade am Anfang solltest Du es langsam angehen. Setz Dir doch z.B. das Ziel, dass Du Deine Arbeitsgemeinschaften umfassend vor- und nachbereitest. Das heißt, dass Du also im Vorfeld eine Lösungsskizze anfertigst, z.B. in Deiner privaten Lerngruppe und im Nachhinein für Dich die Musterlösung durcharbeitest. Wenn Du dann auf Fragen stößt, kannst Du Dein Lehrbuch oder die Vorlesungsmaterialien zur Hand nehmen und dich dort noch einmal vertieft mit den Fragen beschäftigen. Für den Anfang bist Du damit schon sehr gut aufgestellt.
Über unsere Autorin
Sie hat beide Examina überdurchschnittlich abgeschlossen und ist mittlerweile Lektorin in einem der größten juristischen Fachverlage. Wie sie die Zeit erlebte und was sie rückblickend anders gemacht hätte, erklärt sie in diesem und dem zweiten Teil des Beitrages.
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