Rote Karte für den Schmerzensgeldanspruch
Bei objektiven Regelverstößen im Kampfsport gilt zwar der allgemein bekannte Grundsatz aus der Rechtsprechung, dass ein solcher für sich noch nicht ein schuldhaftes Verhalten indiziere. Ein Schuldvorwurf könne dem Sportler laut übereinstimmender Sicht der Gerichte erst gemacht werden, wenn die gebotene Härte die Grenze zur Unfairness überschreite. Die rechtliche Lösung solcher Fälle scheint nachvollziehbar und logisch. Der von der Rechtsprechung entwickelte Maßstab ist zwar für Dich eine hilfreiche Orientierung in solchen Fällen, aber er erfordert auch eine umfassende Bewertung des konkreten Einzelfalls. Was heißt das nun genau für Deine Klausurvorbereitung und Falllösung? Die aktuelle Entscheidung zeigt Dir, wie Du schon mit wenigen Argumenten eine lebensnahe Abwägung vornehmen kannst.
Was ist passiert?
Bei den Parteien handelte es sich um zwei Feldspieler, die für unterschiedliche Mannschaften an einem Fußballturnier teilnahmen. Innerhalb des Spielverlaufes kam es seitens des Beklagten zu einem Foul gegen den Kläger. Der Beklagte traf den Kläger an seinem rechten Sprunggelenk, wobei das weitere Geschehen zwischen den Parteien streitig war. Der Schiedsrichter erkannte dieses Geschehen als Foul an, sah aber von weiteren Maßnahmen wie z.B. einer gelben oder roten Karte ab. Der Kläger behauptete im Verfahren zudem, dass der Beklagte vor dem Spiel bereits verärgert gewesen sei und daher bereits vor Spielbeginn angekündigt habe, dass er dies „dann selbst regeln müsse“. Andere Mannschaftsmitglieder hätten zudem – bezogen auf die Mannschaft des Klägers – noch verlautet: „Die hauen wir gleich um“.
Der Kläger erlitt durch das Foul des Beklagten einen Bruch des Wadenbeins, einen Bänderriss und eine Kapselverletzung am oberen Sprunggelenk seines rechten Fußes. Infolgedessen wurde der Kläger insgesamt dreimal operiert und erlitt dauerhafte Einschränkungen bei anderen Kontaktsportarten und dem Joggen.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage zum einen die Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld und zum anderen den Ersatz der ihm entstandenen Behandlungskosten.
Rechtliche Würdigung
Das Landgericht Koblenz wies die Klage zurück, weil dem Kläger weder ein Anspruch aus § 823 I BGB noch aus § 823 II BGB i.V.m. § 223 StGB zustehe. Das Gericht sah in dem Verhalten des Beklagten keinen unzulässigen Regelverstoß. Nach Abwägung der Eigenart des Fußballspiels als Kampfsport einerseits, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass Entscheidungen und Handlungen innerhalb des Spiels oft eine schnelle Abwägung von Chancen und Risiken erfordern würden, um dem Spielzweck erfolgreich Rechnung zu tragen, und andererseits der Überschreitung der Grenze zur unzulässigen Fairness, könne dem Beklagten durch sein Foul kein Schuldvorwurf gemacht werden. Das Gericht konnte keinen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Regelverstoß erkennen. Dies begründet das LG hauptsächlich mit dem Umstand, dass zum einen „der Schiedsrichter keine weiteren Strafen für das Foul vergeben habe, was ein guter Anhaltspunkt dafür sei, dass kein grob von der Norm abweichendes regelwidriges Foul vorgelegen habe“ und zum anderen konnte der beweisbelastete Kläger nicht nachweisen, dass es im Vorfeld des Spiels zu den behaupteten verbalen Äußerungen aufseiten des Beklagten gekommen sei. Auch die schweren Verletzungen des Klägers lassen laut Gericht keinen generellen Rückschluss auf ein grob fahrlässiges Foul des Beklagten zu.
Prüfungsrelevanz
Dieses Thema ist universal einsetzbar und kann Dir sowohl in Deiner Anfängerklausur, in Deinem ersten Examen, aber auch in Deinem zweiten Examen über den Weg laufen.
Innerhalb Deiner Anfängerklausur und Deinem ersten Examen liegt der Schwerpunkt dann auf einer sauberen Subsumtion unter dem Prüfungspunkt „Verschulden“. Hier kommt es darauf an, dass Du Dich detailliert mit dem konkreten Einzelfall beschäftigst. Die Schwierigkeit liegt hier nicht schon im Erkennen des Problems, sondern in einer in sich schlüssigen und lebensnahen Argumentation.
Handelt es sich bei diesem Fall um Deinen Klausursachverhalt in Deinem zweiten Examen, kannst Du Dir als erstes Wort auf Deiner Lösungsskizze „Klausurtyp: Beweisrechtsklausur“ vermerken. Mit diesem Fall hast Du eine typische Klausur abgegriffen, bei der der Schwerpunkt auf der Beweiswürdigung liegt und die Lösung der rechtlichen Bewertung meist schon in den Beweismitteln versteckt ist. Zwischen den Referendaren und Referendarinnen herrscht Uneinigkeit, ob dieser Klausurtyp Fluch oder Segen ist. Vorteil bei diesen Klausuren ist, dass Du die rechtliche Lösung eigentlich schon vom LJPA im Sachverhalt mit serviert bekommst, vorausgesetzt Du deutest die Zeugenaussagen und andere Beweismittel korrekt. Unterschätzt werden darf jedoch nicht, wie komplex und anspruchsvoll eine ordentliche Beweiswürdigung am jeweiligen Tatbestandsmerkmal ist und dass dies schnell misslingen kann.
Resümee
Mach Dir bei solchen Klausuren immer bewusst, dass solchen Wettkämpfen ein gewisses Gefahrenpotenzial immanent ist. Das LG hat noch einmal betont, dass auch „bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schädigung bestehe. Insofern sei davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer diejenigen Verletzungen selbst mit schwersten Folgen in Kauf nehme, die auch bei Ausübung nach den anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart nicht zu vermeiden seien.“ Für Dich heißt es also, selbst bei schweren Verletzungen, ein Verschulden des Schädigers nicht vorschnell zu bejahen. Denn zunächst ist davon auszugehen, dass jeder Spieler das Regelwerk kennt und weiß, worauf er sich einlässt. Nur bei Vorliegen eines unentschuldbaren Fouls und einem unfairen Verhalten kann dem Spieler also ein Schuldvorwurf gemacht werden.
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen