Was ich im Nachhinein in Bezug auf meine Freizeit gern anders gemacht hätte
Selbstreflexion zum Wechsel in das nächste Studiensemester bzw. in die Examensvorbereitung ist ein einfaches Mittel, um für die Zukunft etwas zu verändern. Es ist allerdings leichter gesagt als getan. Häufig kommen dann doch eher Standardvorsätze a la „früher mit dem Lernen anfangen“ dabei heraus, die keine messbaren Ziele enthalten und entsprechend ungeeignet sind, um nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Da unterscheiden sich die Schwierigkeiten wenig von denen bei den Neujahrsvorsätzen. Man kennts. In einer kleinen Serie soll hier erarbeitet werden, welche Tücken sich im Studium ergeben. Ein ungewöhnlicher Ausgangspunkt, der allerdings jede und jeden betrifft, ist hierbei die Freizeit.
Spätestens seit der ersten Prüfungsphase weiß jeder, dass das Jurastudium sehr vereinnahmend sein kann. Mit der Erlangung der erforderlichen Scheine, der Ableistung von Praktika und dem Schwerpunkt war ich gut beschäftigt. Spätestens in der Examensvorbereitung hatte ich das Gefühl, alles dreht sich in meinem Leben nur um Jura. Das mag daran gelegen haben, dass ich mich sehr auf den Erfolg im Studium fokussiert habe (was gut ist), aber am Ende mit dem Gefühl die Uni verlassen habe, dass ich die Studienzeit trotz guter Noten nicht „richtig“ genutzt habe. „Richtig“ in diesem Kontext ergibt schon wenig Sinn, weil es nicht einen Weg gibt und ich auch im Nachgang nicht beantworten kann, was für mich persönlich „richtig“ gewesen wäre, aber es wäre „besser“ gewesen, sich nicht nur um das Studium, sondern auch um mich persönlich zu kümmern.
Die Studienjahre sind schließlich auch eine Zeit der Orientierung. Wer nichts bzw. wenig Neues ausprobiert, der lässt unbekannte Talente weiter schlummern, dem entgehen Erkenntnisse über das Leben und große Erfahrungen, die die Persönlichkeit und die eigenen Erinnerungen nachhaltig prägen. Niemand will nach der Examenszeit (+ Referendariat) als Fachidiot ohne Persönlichkeit aus dem System „ausgespuckt“ werden. Die Folgeprobleme lassen sich zwar auch lösen, aber wer es nicht so weit kommen lässt, ist klar im Vorteil. Die Zwanziger (oder Dreißiger) im eigenen Leben bringt einem auch das Prädikat nicht zurück. Darum folgende Ratschläge zur sonstigen Lebensgestaltung.
1. Unisport und Hobbys generell
Probiere Dich aus! Hinter den meisten „Hirngespinsten“ steht ein Interesse, das man verfolgen kann. Sobald Dich etwas interessiert, geh dem in angemessenem Maße nach. Wenn sich herausstellt, dass es keinen Spaß macht, dann lass es wieder sein. Aber probiere es. Wenn Du z.B. schon immer mal Badminton ausprobieren wolltest, dann melde Dich an. Die geringen Kosten beim Unisport taugen als Ausrede nicht. Kurszeiträume von einem Semester stellen keine wahnsinnige Verpflichtung dar.
Wenn man sich zum Semesterstart ausführlich mit dem Unisportangebot auseinandersetzt, kann es auch bei eher kleinen Universitäten gelingen, exotische Kurse wie „Vorbereitung für einen Segelschein“, „Surfurlaub in Portugal“ oder „Drachenfliegen in Frankreich“ aufzufinden. Die Vorteile lassen sich schnell nennen: Das Ganze ist häufig für kleines Geld zu haben, man kann neue Interessen entwickeln bzw. alte kultivieren und man lernt neue Leute aus der eigenen Uni kennen, die mit Jura nichts am Hut haben.
Ähnliches gilt natürlich für andere universitäre Kursangebote, die nichts mit Sport zu tun haben. Wer gerne debattiert, findet vielleicht im Debattierteam neue Freunde. Auch die Initiativen zum Unikino, aber auch der Studentenzeitung suchen sicherlich immer nach Unterstützung.
Gerade auch in der Prüfungszeit ist es wichtig, sich bewusst Zeiten zu blocken, um seinen Interessen nachzugehen und bewusst einen Haken an den Lerntag zu setzen – selbstverständlich unabhängig vom Gelingen der letzten Übungsklausur oder der Einhaltung der jeweiligen Tagesziele.
2. Reisen
Verreise! Vermutlich niemals im Leben wirst Du wieder so pleite, aber flexibel sein. Im Jurastudium sind die Semesterferien zwar teilweise zugekleistert mit Prüfungen und Praktika, aber dafür gibt es im Semester selten eine Anwesenheitspflicht. Wer mal eine Woche verpasst, der wird nicht automatisch am Ende durch die Klausuren fallen. Kümmert man sich um die Vor-/Nacharbeit des verpassten Stoffs, so ist man keineswegs schlechter dran als die Studierenden, die sich nur körperlich und zur Beruhigung ihres Gewissens in der Vorlesung befinden, aber (unterstützt durch Handy oder Laptop) geistig ganz woanders sind.
Natürlich wächst auch das Geld nicht auf Bäumen, jedoch ist es viel leichter mit weniger Komfort loszufahren, solange man körperlich noch in der Lage ist und in gewisser Weise gewohnt ist, damit klarzukommen. Das Semesterticket bzw. aktuell das 49 Euro-Ticket eröffnen innerhalb Deutschlands großartige Möglichkeiten. Rabatte für Studierende helfen zusätzlich.
Ich wünschte, ich hätte mich bei spontanen Ausflugsideen oder Reisen gefragt „Warum eigentlich nicht?“ statt das Vorhaben wie einen juristischen Fall zu zerdenken.
3. Soziales Umfeld
Vernachlässige Dein soziales Umfeld nicht! Freunde, die keine angehenden Juristen sind, verstehen den Zeitaufwand und den generellen Struggle in der juristischen Ausbildung vermutlich erst mal genauso wenig wie die eigene Familie, soweit sie denn aus Nichtjuristen besteht. Es bleibt ermüdend, wenn man gefühlt dem halben sozialen Umfeld und auf jeder Party mindestens einmal erzählen darf, dass man im Jurastudium keine Gesetze auswendig lernt. Etwas mehr Geduld ist da nicht verkehrt. Die Verbindung zum „echten Leben“ nicht zu verlieren, hilft wesentlich dabei, Erfolg und Misserfolg im Studium einzuordnen. Ein gesundes und verständnisvolles soziales Umfeld ist der Schlüssel, um sich nach und während anstrengender Lebensphasen selbst gesund zu halten. Deswegen sollte man besondere Geduld bei der Erklärung der eigenen Situation haben, wenn man seine Freunde behalten will. Nichts geht über gemeinsam verbrachte Zeit, die zugegebenermaßen häufig Mangelware ist. Deswegen plädiere ich dafür, zwar seltener, dafür aber lieber Qualitytime miteinander zu verbringen. Man sollte selbstverständlich von seinen Problemen berichten dürfen, darf jedoch nicht aus dem Blick verlieren, dass auch die Freunde sicherlich etwas zu berichten haben und manchmal einen geduldigen Zuhörer oder Zuhörerin brauchen. Auch ihre Probleme sind real und wichtig, Jura steht nicht über allem. Eine gewisse Vernachlässigung habe auch ich mir zuzuschreiben, ein Glück aber ohne nachhaltige Schäden an den Freundschaften.
Wer sich in der Examensvorbereitung befindet, bekommt keinen Freifahrtschein, sich mies zu benehmen: Auf den letzten Drücker abzusagen und das mehrfach bleibt respektlos. Das schlechte Gewissen, weil man sein Tageslernziel nicht erreicht hat, ist absolut kein Grund, sich und andere zu bestrafen. Um es zu verdeutlichen: Wer am Ende alle Menschen aus seinem Leben erfolgreich weggestoßen hat, wird sehr einsam sein, ob mit oder ohne Examen.
4. Bewusste Erholung
Ruh Dich aus! Unter bewusster Erholung lässt sich alles zusammenfassen, was einen nicht an Jura denken lässt. Sei es Meditation, ein Kinobesuch, Sport generell oder die Theatergruppe. Es gibt vielfältige Möglichkeiten und nicht jede Möglkichkeit hilft jedem Studierenden, sich von Stress freizumachen. Auch hier gilt: Probieren geht über Studieren. Es liegt in der individuellen Verantwortung, sich gut um Körper und Geist zu kümmern. Diese Verantwortung gilt in stressigen Zeiten um so mehr. Zu wenig Erholung kann auf lange Sicht im schlimmsten Fall zu gesundheitlichen Konsequenzen führen, schon vorher wird es vermutlich für die meisten schwerer, eigene Motivation zum Lernen zu finden. Meinem jüngeren Ich würde ich daher raten, in jeder Prüfungsvorbereitung, Hausarbeitenphase und Examensvorbereitung mindestens ein „Highlight der Woche“ festzusetzen, auf das man sich freuen kann. Unabhängig von dem bis zu diesem Zeitpunkt Erreichten. Genauso wichtig sind aber auch längere Pausen bzw. Urlaub, um die Akkus wieder aufzuladen. Erst als ich mir in der Examensvorbereitung bewusst für eine Woche ein „Juraverbot“ erteilt habe und die Lernsachen aus dem Sichtfeld verbannt habe, konnte ich mich wirklich entspannen. Traurig oder? Der Erholungseffekt war viel größer, als ich für möglich gehalten hatte. Was passiert wäre, wenn ich komplett fertig weitergelernt hätte, will ich mir nicht ausmalen.
5. Social Media und Streaming
Hör mit dem unterbewussten Social-Media-Konsum und Binge-Watching auf! Zu den täglichen Zeitfressern gehört bei vielen Social Media und Streaminganbieter. Natürlich ist es hilfreich, alles zu deinstallieren, aber das halte ich gar nicht für nötig, weil der Kontakt in die Außenwelt heute wesentlich über solche Plattformen stattfindet und sich kostenlose Informationsmöglichkeiten bieten, die mir in Klausuren oder mündlichen Prüfungen das ein oder andere Mal massiv geholfen haben. Auch im Austausch mit anderen ExamenskandidatInnen und in Vorlesungen haben wir das aktuelle Geschehen häufig aus rechtlicher Sicht besprochen – wer da nicht informiert ist, kann nicht wirklich mitdiskutieren. Nach einer gewissen Zeit, in der ich das Offensichtliche nicht wahrhaben wollte, hat es mir wesentlich geholfen, eine App zu laden, die mein Handy in und/oder für bestimmte Zeiten sperrt. Auch Benachrichtigungen auszuschalten ist ein guter Anfang oder den „bitte nicht stören“-Modus zu aktivieren. Abgesehen von der Konzentration und Zeitersparnis gelang es mir dadurch, mich weniger mit anderen zu vergleichen, die gerade ihr „bestes Leben lebten“, während ich lernte. In Pausenzeiten erlaubte ich mir das Scrollen für eine gewisse Zeit, um das Gefühl der Isolation während einer Examensvorbereitung (in der Pandemie) nicht überborden zu lassen. Der klassische Social Media Detox im Urlaub ist auch ein probates Mittel, um danach erholter zurückzukommen. Wesentlich ist: Social Media gehört keineswegs in die Kategorie der bewussten Entspannung. Ein dosierter Einsatz ist entscheidend. Entsprechendes gilt auch für das Streamen von Serien. Wer abends regelmäßig mehrere Folgen binged, wird wahrscheinlich nicht sehr fit in den nächsten Lerntag starten.
Fazit
Egal wie beschwerlich sich das Studium gerade anfühlt – es ist ein Privileg. Dabei den Spagat zwischen mentaler Gesundheit, der Vermeidung von FOMO und einem erfolgreichen Studium zu schaffen, bleibt eine Herausforderung. Umso wichtiger ist es, das eigene Freizeitverhalten im Auge zu behalten. Wer will die Universität am Ende zwar mit Staatsexamen, aber im schlimmsten Fall als Schatten seiner selbst verlassen?
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