Muss sie eine Frist zur Nacherfüllung setzen oder darf sie direkt zum Tierarzt?
Wieder einmal hat ein Lieblingsthema der Prüfungsämter mehr als nur ein Gericht beschäftigt: der Kauf eines Tieres und alle (rechtlichen) Schwierigkeiten, die ein auch nur vermeintlicher Mangel bei einem Lebewesen mit sich ziehen kann. Da es hier im Wesentlichen um die Frage nach der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung geht, kann es nicht schaden, sich den Fall genauer anzuschauen.
Was war geschehen?
Die Klägerin erwarb mehrere Katzen von der Beklagten und holte diese am 18. März 2020 bei der Beklagten ab. Bereits am nächsten Tag zeigten sich die Tiere als derart krank, dass die Käuferin die Notwendigkeit sah, sofort zum Tierarzt zu fahren und die Katzen behandeln zu lassen. Sie gab an, dass die Beklagte ihr auf WhatsApp nicht mehr geantwortet hätte und zudem eines der Tiere aufgrund von Dehydrierung nicht mehr transportfähig gewesen sei, sodass die Klägerin die Tiere nicht zurück zur Beklagten habe bringen können. Die Kosten der Behandlung wollte die Klägerin anschließend von der Verkäuferin erstattet bekommen.
Rechtliche Beurteilung
In Betracht kommt ein Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB. Demnach bedarf es den Ablauf einer fruchtlos verstrichenen Frist, um dem Verkäufer das Recht zur Nacherfüllung zu ermöglichen. Eine Frist hat die Klägerin hier aber gerade nicht gesetzt, sodass sich die Frage stellt, ob diese ausnahmsweise entbehrlich war. So sah es das AG Reinbek: Es gab der Klage statt und sprach der Klägerin somit den gewünschten Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 440 BGB zu. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, eine unstreitig nicht gesetzte Nacherfüllungsfrist sei hier entbehrlich gewesen, da die Klägerin davon ausgehen dürfte, im Sinne des Tierwohles sei der Tierarzt unverzüglich aufzusuchen gewesen. Dagegen wehrte sich die Beklagte mit der Berufung. Wie beurteilt das LG Lübeck die Frage um die Erforderlichkeit einer Fristsetzung?
Entscheidung des Gerichts
Das LG Lübeck sah die Sache nun anders: Es fehle an einer Fristsetzung, welche auch beim Kauf eines Tieres erforderlich sei und gerade nicht entbehrlich. Die Fristsetzung könne nach einer älteren BGH-Entscheidung (BGH, Urteil vom 22. Juni 2005 - VIII ZR 1/05) zwar dann entbehrlich sein, wenn ein Notfall vorläge, der den unverzüglichen Tierarztbesuch erfordere. Der entscheidende Punkt liegt hier also darin, ob das Gericht den Tierarztbesuch am 19. März als Notfallmaßnahme ansieht oder die Klägerin zunächst eine Frist zur Selbstvornahme der Behandlung der Katzen hätte setzen müssen. Dafür holte es die Stellungnahme der behandelnden Ärztin ein, wonach es nicht so gewesen sei, als sei keinerlei Aufschub mehr möglich gewesen. Zudem hätte die Ärztin die Tiere auch für transportfähig gehalten. Zuletzt helfe auch nicht der Umstand, dass die Klägerin möglicherweise nicht gewusst hätte, ob ein medizinischer Notfall vorläge und ob die Krankheit bereits vor Übergabe gegeben sei. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass allein das Nichtwissen des Käufers darüber, ob es sich bei einer aufgetretenen Krankheit um einen Mangel im Rechtssinne handele, ihn nicht davon entbinde, dem Verkäufer die Möglichkeit zur Nachbesserung bzw. Behandlung auf eigene Kosten durch Fristsetzung zu gewähren.
Auch hält das Gericht fest, ob die Beklagte auf WhatsApp erreichbar gewesen sei oder nicht, sei nicht relevant: Die Klägerin hätte in jedem Falle trotzdem in Form einer Nachricht eine Frist setzen müssen. Falls die Beklagte dann nicht geantwortet hätte, wäre sodann eine Selbstvornahme möglich gewesen.
Prüfungsrelevanz
Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht ist ein Dauerbrenner im ersten Examen, aber auch schon in den Klausuren während des Studiums. Gerade ein Kauf von Tieren bietet sich dabei an, da die gelernten Grundsätze auf die Besonderheiten von Lebewesen zu übertragen sind. Insbesondere die Diskussion um die möglicherweise vorliegende Entbehrlichkeit der Fristsetzung ist bei den Prüfungsämtern und Klausurerstellern beliebt, weil sie die Fähigkeit des Prüflings abprüft, den Sachverhalt genau zu subsumieren und den problematischen Punkt zu diskutieren. Daher sollte sich immer mal wieder vor Augen geführt werden, wie der Schadenersatzanspruch im Kaufrecht mit allen seinen Besonderheiten aufzubauen ist und wo dabei der Grundsatz des Rechts zur zweiten Andienung anzuknüpfen ist.
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