Zulässig im Hinblick auf Jugendschutz?
Die meisten dürften mittlerweile schon einmal von sogenannten 24/7 Supermärkten gehört haben. Gemeint sind damit kleine, durchgehend geöffnete Verkaufsstätten ohne Kassierer, in denen der Einkaufsprozess gänzlich elektronisch abläuft. Ein solches Konzept ist praktisch für Kunden und lukrativ für die Betreiber zugleich. Eine etwas abgespeckte Version dieses Geschäftsmodells stellen einfache Verkaufsautomaten dar, die häufig von Landwirten genutzt werden, um dort zusätzlich zu ihrem stationären Hofladen durchgehend Fleisch, Eier oder ähnliche Produkte aus eigener Erzeugung anbieten zu können. Insbesondere während der Coronapandemie und dem damit einhergehenden Lockdown erfreuten sich solche Einkaufsmöglichkeiten großer Beliebtheit. Auf diesen Trend aufspringen wollte jüngst auch ein Winzer aus Rheinland-Pfalz. Kurzerhand stellte er auf seinem Grundstück im Kurgebiet einen solchen Automaten auf und bestückte diesen mit Wein aus eigener Erzeugung. So weit so gut möchte man meinen, doch was sagt das Verwaltungsgericht in Koblenz dazu?
Was ist passiert?
Der Kläger ist Winzer in der Stadt B. Er betreibt dort einen Familienbetrieb und ist auf der Suche nach neuen Vertriebsmöglichkeiten für seinen Wein. Auf der Suche nach neuen Wegen der Direktvermarktung stößt er auf eingangs geschildertes Geschäftsmodell und entschließt sich, einen solchen Automaten zu betreiben. Weil der Kläger schon ahnt, dass dies möglicherweise ein Problem hinsichtlich des Jugendschutzes geben könnte, fügt er einen mit Zigarettenautomaten vergleichbaren Sicherheitsmechanismus ein. Nach kurzer Zeit wird darauf auch die Stadt B aufmerksam. Sie prüft den Sachverhalt und kommt zu der Ansicht, dass der Verkauf von Wein auf diese Weise - trotz der Schutzfunktion - nicht mit den Jugendschutzbestimmungen vereinbar sei. Ausgehend davon erlässt B eine auf das Gefahrenabwehrrecht gestützte Betriebsuntersagung gegenüber dem Kläger. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren zog dieser nun vor das Verwaltungsgericht Koblenz.
Rechtliche Einordnung
Im Fall spielen sowohl das Sicherheits- und Ordnungsrecht als auch das Jugendschutzrecht eine Rolle. Ersteres dient letztlich der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit fällt u.a. die Gesamtheit aller Rechtsnormen, somit auch solche des Jugendschutzrechts. Sofern diese verletzt werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, mittels einer sicherheitsrechtlichen Maßnahme gegen den Rechtsverstoß vorzugehen.
Die Entscheidung des VG
Das Gericht gibt der Anfechtungsklage nicht statt, die Anordnung der Stadt sei rechtmäßig. Ihre Rechtsgrundlage liege mangels Einschlägigkeit von Spezialgesetzen in der sicherheitsrechtlichen Generalklausel. Danach seien die Ordnungsbehörden (hier die Stadt) befugt, Maßnahmen zu treffen, um eine im Einzelnen bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Der Tatbestand sei erfüllt, denn der vom Kläger aufgestellte Weinverkaufsautomat verstoße gegen § 9 III 1 JSchG. Nach dieser Norm dürfe man alkoholische Getränke in der Öffentlichkeit nicht mithilfe eines Automaten anbieten. Eine Ausnahme gelte laut der Norm nur dann, wenn der Automat an einem für Jugendliche unzugänglichen Ort betrieben werde oder er sich in einem gewerblich genutzten Raum befinde und dort ständig sichergestellt werden könne, dass Jugendliche keinen Zugriff erhielten.
Auch die allenfalls in Betracht kommende zweite Alternative läge hier aber nicht vor. Zwar sei es richtig, dass der Begriff “Raum” im Jugendschutzgesetz nicht definiert sei, anhand der allgemein bekannten Auslegungsregeln sei damit aber jedenfalls eine äußerliche Abgrenzung gemeint, die, sofern der Automat wie hier unmittelbar an einer Straße stehe und so allgemein zugänglich sei, nicht erfüllt sei.
Schließlich dringt der Kläger auch mit seiner Behauptung, die Norm sei angesichts der Unterschiede beim Vertrieb von Alkohol und Nikotin mittels Automaten gleichheitswidrig, nicht durch. Das VG kommt nach einer Prüfung von Art. 3 GG nämlich zu dem Ergebnis, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei. Die Wirkweise beider Substanzen sei unterschiedlich, insbesondere sei nur Alkohol laut einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Betäubungsmittel. Alkohol wirke im Gegensatz zu Nikotin bereits unterhalb der Schwelle zum übermäßigen Konsum beeinträchtigend hinsichtlich Wahrnehmung, Reaktionsfähigkeit und Motorik. Im Übrigen stehe dem Gesetzgeber auch hier ein gewisses Maß an Einschätzungsprärogative zu, er müsse nicht jeden Sachverhalt absolut gleich behandeln, es genüge, wenn jedenfalls nachvollziehbare Aspekte angeführt würden, warum dies im Einzelfall nicht gemacht werde.
Prüfungsrelevanz
Der hier vorliegende Fall veranschaulicht letztlich perfekt eine von Klausurerstellern häufig verwendete Konstellation. Bekannte Normen des Sicherheits- und Ordnungsrechts - hier die Generalklausel - werden mit unbekannten Normen kombiniert. Zwar gehört das Jugendschutzgesetz als solches wohl nicht in seiner Gänze und in allen Details zum Pflichtfachstoff, davon gehört haben sollte man aber in jedem Fall einmal. Außerdem äußern sich auch die Ausbildungsordnungen der verschiedenen Bundesländer dazu recht klar: Unbekannte Normen können auch dann abgeprüft werden, wenn sie mit den gängigen Auslegungsmethoden bewältigt werden können. Und auch in dieser Hinsicht ist die Entscheidung hier ein tolles Beispiel, wendet ja das VG gerade auch selbst bei der Frage, wann ein “Raum” vorliegt, die Dir bekannten Auslegungsmethoden an.
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