BVerwG verneint Informationspflicht des Bundespräsidenten über Glückwunschtelegramme an den Iran

BVerwG verneint Informationspflicht des Bundespräsidenten über Glückwunschtelegramme an den Iran

Unsere Darstellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat besondere Klausurrelevanz. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich als Revisionsgericht nur mit einer Frage befasst – nämlich der besonderen Stellung des Bundespräsidenten im Rahmen einer Informationsfreigabe. Um sich auf eine entsprechende Examensklausur vorzubereiten, muss man aber auch den – für Klagen aus dem IFG – nicht ganz unkomplizierten prozessualen Aufbau beherrschen. Deshalb legen wir Dir die von uns gewählte Darstellung besonders ans Herz.

Leitsätze:

  1. Präsidentielle Akte des Bundespräsidenten und ihre Vorbereitung sind nicht vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes umfasst.

  2. Die Übermittlung eines Glückwunschschreibens an ein ausländisches Staatsoberhaupt ist ein präsidentieller Akt, den der Bundespräsident in seiner Funktion als Staatsoberhaupt in Ausübung seiner allgemeinen Repräsentations- und Integrationsaufgaben wahrnimmt, die ihm über die von der Verfassung ausdrücklich zugewiesenen Befugnisse hinaus zukommen.

A. Vereinfachter Sachverhalt

K ist Ressortleiter eines Nachrichtenmagazins. Er hat erfahren, dass der Bundespräsident ein Glückwunschschreiben anlässlich des Nationalfeiertags des Iran an den Staatspräsidenten der Islamischen Republik Iran übermittelt hat. K begehrt deshalb auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu etwaigen Glückwunschtelegrammen des Bundespräsidenten an den Staatspräsidenten des Iran jeweils anlässlich des Nationalfeiertages seit 1994 sowie zu den zugehörigen Verwaltungsvorgängen und Aktenvermerken. Der Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Bundespräsidialamt keine informationspflichtige Behörde iSd § 1 I IFG sei. Auf Widerspruch des K erging ein entsprechender Widerspruchsbescheid. K hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben.

Wie ist zu entscheiden?

B. Entscheidung

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts

Das angerufene Verwaltungsgericht Berlin müsste zunächst zuständig sein. Andernfalls verweist es den Rechtsstreit an das zuständige Gericht (§§ 17a II GVG, 83 VwGO).

a) Verwaltungsrechtsweg

Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 I VwGO eröffnet, wenn eine Vorschrift anwendbar ist, durch die ein Hoheitsträger einseitig berechtigt oder verpflichtet wird. In Abwehrfällen kommt es danach auf die Ermächtigungsgrundlage an, in Leistungsfällen auf die Rechtsgrundlage, auf deren Grundlage das erstrebte Verwaltungshandeln ergehen könnte.

(1) Nach den Landespressegesetzen (LPrG) sind „die Behörden“ verpflichtet, den Vertretern der Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben Auskünfte zu erteilen (z.B. § 4 I LPrG Bln). Das Landesrecht kann nur Landesbehörden, nicht Bundesbehörden berechtigen oder verpflichten und scheidet deshalb als Grundlage aus.

(2) Mögliche Rechtsgrundlage ist § 1 I S. 1 IFG. Nach dieser bundesrechtlichen Vorschrift sind Bundesbehörden gegenüber jedermann verpflichtet, Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Bundesgesetze können auch Landesbehörden verpflichten (vgl. Art. 83 ff GG), das IFG bezieht sich jedoch nur auf Bundesbehörden. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

b) Sachliche Zuständigkeit

Sachlich zuständig ist nach § 45 VwGO das Verwaltungsgericht, wobei sich die örtliche Zuständigkeit bei Klagen gegen Bundesbehörden nach deren Sitz richtet, sodass der Bundespräsident zutreffend vor dem Verwaltungsgericht Berlin verklagt worden ist.

2. Parteien des Rechtsstreits

Beteiligte des Rechtsstreits sind K als Kläger und die Bundesrepublik Deutschland als beklagte juristische Person, vertreten durch den Bundespräsidenten (§§ 61 Nr. 1, 63 VwGO).

3. Klageart

Statthafte Klage ist eine Verpflichtungsklage, wenn der Kläger die Verurteilung des Bundespräsidenten zum Erlass eines Verwaltungsaktes erstrebt (§ 42 II VwGO, 2. Alternative). Ein Verwaltungsakt ist ein auf Außenwirkung gerichteter behördlicher Rechtsakt zur Regelung eines Einzelfalls (§ 35 S. 1 VwVfG).

a) Rechtsnatur des erstrebten Handelns

Die Bekanntgabe von Informationen stellt sich als „schlichtes“ Verwaltungshandeln ohne Regelungscharakters dar. Es handelt sich um Wissenserklärungen, die nicht darauf angelegt sind, einseitig eine Rechtsänderung zu bewirken. Der Information ist jedoch eine Entscheidung und damit eine verbindliche Regelung über die Anspruchsbegründung im Einzelfall und somit ein Verwaltungsakt vorgelagert, wie § 7 I IFG deutlich macht.

b) Zweistufige Leistungsbeziehung

Es geht um ein 2-stufiges Rechtsverhältnis: Es bedarf zunächst eines Verwaltungsaktes (der Entscheidung), der dann durch schlichtes Verwaltungshandeln (Information) „erfüllt“ wird – vergleichbar einem Anspruch auf Subventionsbescheid und Auszahlung der Subvention. In diesen Fällen muss zunächst in der 1. Stufe im Wege der Verpflichtungsklage vorgegangen werden. Erst wenn in Erfüllung des Verpflichtungsurteils die Entscheidung und damit durch die Behörde der Verwaltungsakt erlassen worden ist, besteht ein Anspruch auf die Informationsvermittlung durch schlichtes Verwaltungshandeln.

c) Klageverbindung

Eine Klageverbindung scheidet in Leistungsfällen aus (§ 44 VwGO), weil nicht beide Stufen gleichzeitig entscheidungsreif sind. Anderenfalls käme es zu einem unzulässigen Eingriff in die Gewaltenteilung, weil sich bei gleichzeitiger Entscheidung in der Sache das Verwaltungsgericht über die Kompetenz der (verurteilten) Behörde hinwegsetzen würde, (in Erfüllung des Verpflichtungsurteils) den Verwaltungsakt zu erlassen. Das ist nur anders, wenn es in der 1. Stufe um eine Anfechtungsklage (z.B. gegen eine Sicherstellung), und in der 2. Stufe um eine Leistungsklage geht (z.B. Herausgabe des sichergestellten Gegenstandes). §§ 113 IV, 113 I S. 2 VwGO gestatten dann abweichend von § 44 VwGO die Verbindung der beiden Stufen, weil es in Abwehrfällen ohnehin in der 1. Stufe mit der Anfechtung durch das Gestaltungsurteil (§ 113 I S. 1 VwGO) zu einer (zulässigen) Durchbrechung der Gewaltenteilung gekommen ist, sodass das Gericht gleichzeitig über die Folgen entscheiden kann.

4. Klageartabhängige Sachurteilsvoraussetzungen

Die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der Verpflichtungsklage sind erfüllt.

a) Klagebefugnis

Das für die Klagebefugnis (§ 42 II VwGO) erforderliche subjektive Recht leitet sich unmittelbar aus §§ 1 I, 7 I IFG ab. Die Vorschriften begründen einen Anspruch und damit ein subjektives Recht.

b) Vorverfahren

Im Regelfall entfällt das Erfordernis eines Vorverfahrens (§§ 68-70 VwGO) bei Klagen gegen oberste Bundes- oder Landesbehörden (§ 68 I S. 2 Nr. 1, II VwGO), sofern das Gesetz davon nicht abweicht. Nach § 9 IV IFG musste das Vorverfahren durchgeführt werden.

c) Klagefrist

Es wird unterstellt, dass die Klagefrist des § 74 VwGO beachtet wurde.

II. Begründetheit

Das Verwaltungsgericht verpflichtet den Bundespräsidenten zu einer positiven Entscheidung über die Bekanntgabe der angestrebten Informationen, wenn die Ablehnung rechtswidrig ist, der Kläger dadurch seinem subjektiven Recht verletzt ist und die Sache spruchreif ist (vgl. § 113 V S. 1 VwGO). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht.

1. Anspruchsgrundlage

Rechts- und Anspruchsgrundlage ist § 1 I S. 1 in Verbindung mit § 7 I S. 1 IFG.

2. Anspruchsvoraussetzungen

Es müssen die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch vorliegen. Formell ist von Bedeutung, dass ein Antrag an die zuständige Behörde gerichtet wurde (§ 7 I S. 1 IFG), hier an den Bundespräsidenten, der über die angestrebte Information verfügt und verfügen kann. Materiell ist von Bedeutung, dass es um amtliche Informationen dieser Behörde geht (§ 2 Nr. 1 IFG) und der Informationsanspruch nicht durch § 3 bis § 5 IFG ausgeschlossen oder eingeschränkt ist.

a) Organisatorischer Behördenbegriff

Diese Anforderungen könnten auf den ersten Blick erfüllt sein, zumal der Bundespräsident als Teil der Exekutiven organisatorisch als Behörde des Bundes anzusehen ist – und zwar als „oberste“ Bundesbehörde, weil seine Aufgaben im GG geregelt sind.

Mit Behörde im organisatorischen Sinn wird eine „in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestattet sind“ verstanden (BVerfGE 10, 20, 48), unabhängig davon, ob es sich um Stellen des Bundes oder der Länder („unmittelbare“ Staatsverwaltung“) oder unterstaatlicher juristischer Personen des öffentlichen Rechts handelt („mittelbare“ Staatsverwaltung durch Körperschaften der funktionalen und kommunalen Selbstverwaltung, rechtsfähige Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts).

b) Funktioneller Behördenbegriff

Der funktionelle Behördenbegriff umfasst demgegenüber alle Organe, wenn und soweit sie zur hoheitlichen Durchführung konkreter Verwaltungsaufgaben im Außenverhältnis berufen sind. Danach kann zum Beispiel auch der Bundestagspräsident, obwohl er organisatorisch zu Legislativen gehört, als Behörde handeln, wenn er – wie etwa bei der Ausübung der Polizeigewalt (Art. 40 II S. 1 GG) – im Einzelfall verwaltend tätig wird.

Folgt man – wie üblich im öffentlichen Recht – dem funktionellen Behördenbegriff kann dies aber auch dazu führen, dass eine Behörde im organisatorischen Sinn mit Blick auf die wahrgenommene Aufgabe und damit funktional nicht als Behörde handelt. Genau dies nimmt das BVerwG bei der Übermittlung von Glückwunschschreiben des Bundespräsidenten an ausländische Staatsoberhäupter an. Es handelt sich funktional um einen präsidentiellen Akt und nicht um die Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgabe.

Rn. 9 „Beim Bundespräsidialamt handelt es sich zwar um eine Behörde im organisationsrechtlichen Sinne. Der Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist jedoch funktioneller Natur. Eine Behörde ist jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431 Rn. 22). Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bezieht sich daher allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und sonstigen Stellen des Bundes (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 15)….“

Rn. 10 „….Der Gesetzgeber legt in § 1 Abs. 1 IFG die grundsätzliche Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich deren Öffnung als Informationsquelle fest, so dass in diesem Umfang der Schutzbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG eröffnet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 29. März 2023 - 10 C 2.22 - K&R 2023, 623 Rn. 33). Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben ist deshalb das Regelungsziel des Informationsfreiheitsgesetzes…..“

Rn. 12 Die Übersendung eines Glückwunschtelegramms des Bundespräsidenten an ein ausländisches Staatsoberhaupt ist ein präsidentieller Akt, den er in seiner Funktion als Staatsoberhaupt in Ausübung seiner allgemeinen Repräsentations- und Integrationsaufgaben wahrnimmt, die ihm über die von der Verfassung ausdrücklich zugewiesenen Befugnisse hinaus zukommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09 u. a. - BVerfGE 136, 277 Rn. 94). Der Bundespräsident repräsentiert hierbei Staat und Volk der Bundesrepublik nach außen. Er verkörpert die Einheit des Staates. Wie der Bundespräsident seine ungeschriebenen Verfassungsaufgaben der Repräsentation und Integration mit Leben erfüllt, entscheidet der Amtsinhaber grundsätzlich selbst (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 - BVerfGE 136, 323 Rn. 25)…..“

Interpretiert man den Begriff der Behörde in § 1 IFG nicht organisatorisch, sondern funktional, liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs nicht vor, wenn es um Informationen geht, welche die staatsleitende Tätigkeit des Bundespräsidenten betreffen. Demgegenüber hat die Rechtsprechung die mandatsbezogene Unterstützung von Abgeordneten durch Zuarbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages als materielle Verwaltungstätigkeit dem Anwendungsbereich des § 1 I IFG unterstellt (BVerwGE 152, 241 Rn. 18).

Der Fall macht deutlich, dass Vorgänge aus dem Kernbereich der Regierungstätigkeit nicht der Gewaltenverschränkung durch Gewaltenkontrolle unterliegen, sondern letztlich – wie Gnadenakte – „justizfreie Hoheitsakte“ sind. Das gilt auch für die Bundesregierung – nicht nur bei Ansprüchen aus § 1 IFG (dazu BVerwGE 141, 122 Rn. 30), sondern auch bei ihrer Verantwortung gegenüber dem Bundestag, wenn es etwa um die (Un-)Zulässigkeit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen geht (BVerfGE 143, 101 Rn. 122 ff).

Ergebnis: Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

(BVerwG Urt. v. 09.11.2023 (10 C 4/22))

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