Neues Spiel, neues Glück?

Neues Spiel, neues Glück?

Persönliche Gedanken zu der Frage eines Verbesserungsversuchs

Nach jahrelangem, intensivem Studium (und dem zweijährigen Referendariat) fühlt man sich in dem Moment, in dem man das Prüfungsgebäude nach der mündlichen Prüfung verlässt, erleichtert und gleichzeitig wahnsinnig erschöpft. Spätestens wenn man die strahlenden Gesichter von angereisten Freunden und Familienmitgliedern sieht, bricht dann bei nahezu jedem die Freude über das Erreichte aus. Anschließend werden Bilder in allen möglichen Personenkonstellationen gemacht, bei denen nicht selten Heliumballons, Sektgläser und Blumensträuße als willkommene Requisiten dienen. Der Tag der mündlichen Prüfung bliebe aber auch ohne Andenken ein unvergesslicher Moment im Leben aller Juristen und Juristinnen, der ausgekostet werden will. Nach einer wohlverdienten Auszeit, die hoffentlich auch einen ausgiebigen Urlaub enthält, kehrt die neue Normalität ein und man wird man sich früher oder später dieser Frage stellen müssen: Stelle ich mich dem Verbesserungsversuch oder lasse ich es gut sein? Genau hier will ich meine Gedanken teilen und Dir Gedankenanstöße für diese hochindividuelle Entscheidung liefern.

Zunächst die gute Nachricht: Alle Bundesländer sehen den Verbesserungsversuch im ersten und zweiten Staatsexamen vor. Unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit zur Verbesserung besteht, hängt allerdings wie so vieles in der juristischen Ausbildung davon ab, in welchem Bundesland man sich der Prüfung gestellt hat. Insofern sei auf die jeweiligen Prüfungsordnungen verwiesen, wobei zu beachten ist, dass einige Prüfungsämter nur solche Kandidaten und Kandidatinnen mit dem Verbesserungsversuch zum ersten Examen „belohnen“, die ihr erstes Examen im Rahmen des Freischusses bestanden haben.

Dass die Entscheidung wohl überlegt sein sollte, versteht sich von selbst. Allerdings schließt sich das Zeitfenster zur Anmeldung je nach Bundesland wenige Monate nach der mündlichen Prüfung. Schiebt man die Entscheidung also zu lange weg, so ist die Chance definitiv vertan. Unabhängig davon, wie zufrieden man mit den erzielten Punkten beim Verlassen des Prüfungsraumes konkret ist, sollte man sich jedenfalls Gedanken über die Verbesserungsmöglichkeit machen.

Die offensichtlichen Vorzüge eines Verbesserungsversuchs

Ganz klar lässt sich festhalten: Notentechnisch hat man bei einem Verbesserungsversuch nichts zu verlieren, da ein neues Zeugnis nur ausgestellt wird, wenn man sich verbessert. Das nimmt den Druck jedenfalls insofern, dass man sich um das Bestehen keine Sorgen mehr machen muss. Allein dieser Umstand mag bei dem ein oder anderen zu einem selbstsichereren Auftreten in der Prüfung bzw. sauberer Arbeit und klarerer Gedankenführung in der Klausur beitragen. Die durch Stress oder Schlafmangel hervorgerufenen „Flüchtigkeitsfehler“ könnten möglicherweise durch größere Entspanntheit von selbst entfallen. Allein der Umstand, dass Ablauf und Räumlichkeiten bekannt sind, sowie die Gewissheit, dass das Leben weitergeht, egal ob man sich verbessert oder nicht, kann hier helfen, weil man das Examen bereits einmal durchgestanden hat.

Ferner bietet sich die Chance, die im Rahmen der Klausureinsicht gewonnenen Erkenntnisse bei der erneuten Vorbereitung zu berücksichtigen. Vielleicht fallen grundsätzliche Fehler auf, die im zweiten Anlauf vermieden werden sollten. Häufig sind es aber auch vermeintlich kleinere Punkte oder stilistische Defizite, die sich durch mehrere Klausuren ziehen und keinen guten Eindruck bei den Korrektorinnen und Korrektoren hinterlassen. Nur wer sich mit seinen Examensklausuren auseinandersetzt, hat die Chance, aus der Kritik zu lernen. Denn im Gegensatz zu Probeklausuren bilden sie die eigenen Fähigkeiten unter echten Examensbedingungen ab.

Abgesehen von der Klausureinsicht bietet der Verbesserungsversuch zudem die Möglichkeit, die absolvierte Vorbereitungszeit zu analysieren. Als erster Anhaltspunkt seien hier exemplarisch folgende Fragen genannt:

· „Lag es an mangelndem Wissen bzw. fehlender Klausurpraxis oder doch eher an der Aufregung?“

· „Gab es Schwierigkeiten mit dem Zeitmanagement?“

· „Wie lief die Examensvorbereitung? Was kann man hier besser machen?“

Abgesehen von den genannten Punkten kann eine suboptimale Vorbereitung auch aus äußeren Einflüssen, gesundheitlichen Problemen oder Schicksalsschlägen resultieren, die zusätzlich zum Examensstoff zu bewältigen waren. Unabhängig davon, wo man den Grund für das Nichterreichen seiner Ziele ausfindig macht, lässt sich jedenfalls bedingt prognostizieren, ob ein weiterer Anlauf möglicherweise unter besseren Vorzeichen steht.

Ein anderer offensichtlicher Vorteil des Verbesserungsversuchs sollte jedem klar sein, der jemals eine Klausur verfasst hat oder einem Prüfer gegenüber saß: Egal wie gut man vorbereitet ist, es wird immer Prüfer gegeben, mit denen man nicht warm wird, und abstruse Sachverhalte, die einem einfach nicht liegen. Es kommt vor, dass die Chemie nicht stimmt, man aus der Frage- bzw. Aufgabenstellung nicht schlau wird, der Aktenvortrag in die Hose ging oder man den Zugang zum Fall nicht schnell genug findet. Das ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Ein neuer Versuch ist gleichzeitig ein neues Los, weil es einen neuen Klausurensatz enthält und andere Prüfer mit anderen Fragen in der mündlichen auf die Prüflinge warten. Da der Erfolg eines jahrelangen Studiums und Referendariats nur von den Leistungen an wenigen Tagen abhängt, sollte man seine Chance auf eine bessere Note nutzen. Es gilt ganz klar das Kredo „Neues Los, neues Glück“. Natürlich wird auch der nächste Durchgang kein Spaziergang sein und aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls den ein oder anderen Sachverhalt enthalten, der für Stirnrunzeln sorgen wird, aber einen Versuch wäre es wert.

Das „Warum“

Das wichtigste Element bei der Überlegung rund um den Verbesserungsversuch dürfte das „Warum“ bilden. Denn ob man im Verbesserungsversuch für sich ganz persönlich etwas zu gewinnen hat, hängt davon ab, mit welchen Noten man aus dem ersten Versuch gegangen ist und ob diese bereits objektiv geeignet sind, die Tür zur angestrebten beruflichen Zukunft zu öffnen. Falls dem so ist und man keinen konkreten Berufswunsch vorweisen kann, der sich andernfalls nicht realisieren lässt, handelt es sich um ein Prestigeprojekt zur Selbstverwirklichung. Das ist nicht per se schlecht, allerdings droht in diesem Fall eher der Motivationsverlust, mit dem man sich beschäftigen und dem man vorbeugen sollte. Natürlich bedarf es nicht der „perfekten“ Vorbereitung, die es ohnehin nicht geben kann. Man kann sich schließlich auch ohne erneute Vorbereitung den Klausuren stellen und dabei erfolgreich sein, allerdings könnte man seine Zeit auch anders investieren, wenn die Kernmotivation beispielsweise darin liegt, sich durch den Verbesserungsversuch Zeit zu „erkaufen“, weil man noch nicht weiß, wo die berufliche Reise hingehen soll. Egal, ob man in dem weiteren Prüfungsdurchgang zeigen will, dass man es eben doch besser kann oder man sich mit der Note alle Türen offenhalten will, die Hauptsache ist, dass man von seinen Gründen überzeugt ist. Um Nietzsches Gedankengang zum Leben auf die juristische Ausbildung zu übertragen: Wer ein starkes Warum hat, erträgt auch den Verbesserungsversuch.

(Vermeintliche) Nachteile: Der Geld- und der Zeitfaktor

Auch wenn man sich nicht verschlechtern kann, so besteht bei einem Verbesserungsversuch jedoch die Gefahr, dass man Geld und viel wichtiger, seine kostbare Lebenszeit verschwendet. In der Zeit und mit seinem Geld könnte man schließlich Schöneres tun, als erneut Gesetze zu wälzen und Klausuren zu lösen.

Nichts im Leben ist umsonst, natürlich auch der Verbesserungsversuch nicht. Die Prüfungsämter kassieren hierfür teilweise beträchtliche Gebühren, wobei die ehemaligen Referendare aus Nordrhein Westfalen es mit beinahe 1000 Euro besonders hart trifft. In den anderen Bundesländern liegen die Beträge für das zweite Examen regelmäßig im mittleren dreistelligen Bereich. Der Verbesserungsversuch des ersten Examens ist je nach Bundesland häufig günstiger zu haben. Gestaffelt nach gewissen Zeitpunkten kann bei Abbruch des Verbesserungsversuchs auch ein Rückzahlungsanspruch bestehen. Neben den unmittelbaren Kosten für die Teilnahme am Examen gilt es weitere Kosten einzupreisen, die beispielsweise durch einen Klausurenkurs entstehen können. Sollte es der Geldbeutel beispielsweise dank eines Nebenjobs, finanzieller Unterstützung oder eigener Ersparnisse erlauben, braucht man sich bei Beibehaltung eines entsprechenden studentischen Lebensstils auch nicht vor den Opportunitätskosten des Wiederholungsversuchs zu fürchten. Das Geld, was man in dieser Zeit auf dem Arbeitsmarkt hätte verdienen können, wird man nicht zwangsläufig vermissen, da man es nie in den Händen hielt. Die genannten Posten allein dürften im Verhältnis zum möglichen Nutzen nicht den ausschlaggebenden Faktor bilden, der einen Verbesserungsversuch nicht erstrebenswert erscheinen lässt.

Gerade nach dem zweiten Examen oder im Fall einer angestrebten Promotion sollte man jedoch die zeitliche Komponente nicht aus den Augen verlieren. Teilweise bieten sich einmalige Chancen, die man ergreifen sollte, bevor es zu spät ist. Abgesehen von den Punkten ist eben auch ein gutes Timing auf dem Arbeitsmarkt von Bedeutung. Hat man seinen Traumjob nicht direkt vor der Nase oder kann mit ihm auch problemlos später beginnen, sollte man bedenken, dass das erforderliche Wissen für den Verbesserungsversuch lediglich wiederholt und erneut abgerufen zu werden braucht, aber nicht gänzlich neu erarbeitet werden muss. Der Zeitaufwand sollte sich daher in deutlich engeren Grenzen halten als beim Erstversuch. Ganz nüchtern betrachtet, machen wenige zusätzliche Monate bis hin zu einem halben Jahr auf die ganze Lebenszeit gerechnet den „Kohl auch nicht mehr fett“, gerade weil die juristische Ausbildung ohnehin lang und für viele beschwerlich ist.

Die Entscheidung

Nachdem man sich einer ehrlichen Bestandsaufnahme hinsichtlich der obigen Punkte gewidmet und bestenfalls weitere persönliche Umstände wie beispielsweise die eigene Gesundheit einbezogen hat, sollte man auch auf sein Bauchgefühl hören. Selbst wenn das Ergebnis der individuellen Kosten-Nutzen-Analyse für den Verbesserungsversuch spricht, kann es sein, dass man sich nicht in der Lage dazu sieht, noch einmal anzutreten. Einem solchen Störgefühl sollte man auf den Grund gehen. Ob man sich nun für oder gegen den Verbesserungsversuch entscheidet, man sollte mit den Konsequenzen leben können und sich im Nachgang nicht regelmäßig mit der Frage plagen, was gewesen sein könnte, wenn man sich noch einmal an die Arbeit gemacht hätte. Man kennt den Gedanken aus anderen Lebensbereichen. Wie so viele Entscheidung des Lebens kann einem auch diese eben keiner abnehmen.

Nach der Entscheidung: Äußere Einflüsse erkennen und richtig einordnen

Wenn man die Menschen aus seinem nichtjuristischen Umfeld mit seiner Entscheidung konfrontiert, hört man vielleicht kritische Kommentare a la „Wie? Du willst dir das Ganze nochmal antun? Du bist ja verrückt. Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.“ oder „Wie? Du weißt doch gar nicht, ob sich die ganze Schinderei lohnt. Wie stehen denn die Chancen, dass du dich verbesserst?“. Dann ganz bei sich zu bleiben und sich nicht verunsichern zu lassen, mag leichter fallen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass aus Ihnen die Sorge spricht. Natürlich war die Examensvorbereitung eine stressige Zeit, in der man seinen Hobbies nicht so unbeschwert nachgegangen ist und seine Lieben weniger gesehen hat. Ein Ausnahmezustand eben, der von außen als solcher zu erkennen war, während die Bepunktung und die juristische Ausbildung und ihre teilweise abstrusen Eigenheiten als Außenstehender kaum zu durchblicken sind. Seine Lieben kann man vermutlich besänftigen, wenn eine weitere Chance des Verbesserungsversuchs aufzeigt: Man kann es diesmal nicht nur in Bezug auf die Inhalte besser machen, sondern auch die Modalitäten der Vorbereitungen anpassen, indem man sich einen stärkeren Ausgleich zur Arbeit am Gesetz schafft. Indem man wieder mehr zum Sport geht oder sich die Wochenenden dieses Mal wirklich freihalten, weil man das Examen bereits bestanden hat. Soweit man für sich eine Entscheidung getroffen hat, sollte man dabei bleiben und sich in Momenten des Zweifels an sein Warum erinnern.

Ich wünsche Dir, dass Du den für Dich richtigen Weg findest.

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