Wer hat den Sturz verursacht?
Ehrgeiz und Körpereinsatz beim Sport ist nichts Unübliches, doch beim Bingo eher selten anzutreffen. Was ist zu tun, wenn ein Bingo-Abend aus dem Ruder läuft und alle Beteiligten etwas anderes wahrgenommen haben. Die Beschreibung klingt erst einmal wie ein Cluedo-Abend, doch dieser Fall hat sich tatsächlich zugetragen.
Worum geht es?
Die Klägerin besuchte einen Bingo-Abend. Als sie eine Zahlenreihe vollständig hatte, lief sie zum Preistisch. Zeitgleich hatte auch eine weitere Bingo-Teilnehmerin, die Beklagte, eine Zahlenreihe vervollständigt und lief ebenfalls zum Preistisch.
Die Klägerin stürzte und erlitt einen komplizierten Knochenbruch. Nach der Schilderung der Klägerin sei es zur Kollision zwischen ihnen gekommen, was Ursache des Sturzes gewesen sei. Sie habe die Beklagte direkt nach dem Sturz gesehen. Die Beklagte hingegen schilderte dem Gericht, sie habe einen anderen Weg zum Preistisch genommen. Es sei nicht mal zur Berührung zwischen ihr und der Klägerin gekommen. Auch die Zeugenaussagen waren nicht eindeutig. Eine Zeugin bestätigte die Kollision. Die Beklagte sei schnell von links gekommen und habe die Klägerin kraftvoll erwischt. Eine andere Zeugin berichtet, sie habe eine „Schwalbe“ gesehen. Die Klägerin habe die Beklagte im Blick gehabt, während sie zum Preistisch lief. Sodann sei sie gegen die Schulter der Beklagten gelaufen. Erst nachträglich habe sie behauptet, sie habe sich dabei verletzt.
Rechtliche Einordnung in der Klausur
Hier geht es weniger um das materielle Recht, die Musik spielt eher in der Beweiswürdigung. Letztlich ist es irrelevant, was die Klägerin konkret beantragt hat. Klar ist, dass die Kollision eine anspruchsbegründende Tatsache ist, welche die Klägerin zu beweisen hat. Das Stichwort lautet „non liquet” („es ist nicht klar”). Was bedeutet das eigentlich? Das Gericht entscheidet im Falle des “non liquet” aufgrund der Beweislast.
Noch einmal zur Wiederholung: Anspruchsbegründenden Tatsachen müssen grundsätzlich von der klagenden Partei vorgetragen und bewiesen werden. Diese kann dann die beklagte Partei bestreiten und Gegenbeweise vorbringen. Ist die Sachlage wie in dem vorliegenden Fall jedoch nicht eindeutig bewiesen, weil wie hier jeweils Zeugenaussagen, also Beweismittel für beide „Sachverhaltsversionen” vorliegen, muss das Gericht aufgrund der Beweislast entscheiden, die aufseiten der Klägerin liegt.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Es sei nicht davon überzeugt, dass die Beklagte die Klägerin zu Fall gebracht habe. Schließlich hat die Klägerin selbst behauptet, sie habe die Beklagte erst nach dem Sturz wahrgenommen. Es sei auch denkbar, dass jemand anderes die Klägerin zu Fall gebracht habe, denn es haben sich mehrere Leute vor dem Preistisch aufgehalten. Auch die von der Klägerin benannte Zeugin habe das Gericht nicht überzeugt, denn sie habe nur auf Nachfragen mit formelhaften Wiederholungen geantwortet.
Ausblick
So verworren der Fall im ersten Moment auch wirkt, weil der Schwerpunkt nicht auf dem materiellen Recht liegt, so leicht ist er doch eigentlich zu bewerkstelligen. Wir legen Dir dafür unseren Exkurs zur Beweisprüfung ans Herz. Gerade wenn Du im Referendariat bist, solltest Du die Grundsätze sicher beherrschen.
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