Wer hat die Examensklausuren geschrieben?
Wohl jeder Prüfling hat kurz vor dem Examenstermin Muffensausen. Handelt es sich dann noch um den Wiederholungsversuch, wo es vermeintlich um alles oder nichts geht, sind der Druck und die Aufregung noch mal höher. Eine andere Person für sich das Examen schreiben zu lassen, ist in der Situation ein verlockender Gedanke, den ein Prüfling scheinbar wirklich in die Tat umgesetzt hat. Das Verblüffende daran - Die obersten Verwaltungsrichter:innen des Bundes haben jüngst entschieden, dass der Prüfling bestanden hat.
Worum geht es?
Ein Jurastudent trat im August 2018 seinen Wiederholungsversuch der ersten juristischen Staatsprüfung an. Das LJPA lies den Prüfling nicht bestehen. Im Raum stand ein Täuschungsversuch nach § 22 I JAG NRW, denn das Prüfungsamt war der Meinung, der Prüfling habe die Klausuren von seinem Zwillingsbruder schreiben lassen. Ein Sachverständiger glich die Schriftproben der beiden Brüder mit den geschriebenen Klausuren ab. Das Ergebnis brachte leider kein Licht ins Dunkle, denn laut dem Gutachten wurden die Klausuren von keinem der beiden Zwillinge geschrieben.
Der Examenskandidat klagte sodann gegen die Entscheidung des LJPA vor dem Verwaltungsgericht Köln. Das VG wies die Klage ab, denn aus dem Gutachten gehe zumindest hervor, dass der Kandidat seine Klausuren nicht selbst geschrieben habe.
Das OVG hingegen hob die Entscheidung des VG auf und lies die Revision nicht zu. Das Prüfungsamt wehrte sich nun dagegen mit der Nichtzulassungsbeschwerde, doch zur Freude des Prüflings ohne Erfolg.
Entscheidung des Gerichts
Das OVG begründete seine Entscheidung damit, dass der Täuschungsversuch nicht nachweisbar sei.
Schließlich werde die Identität der Prüflinge an jedem einzelnen Klausurtag durch Vorlage eines Ausweisdokumentes überprüft. Es seien auch keine anderen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass jemand anderes die Examensklausuren geschrieben habe. Es könne schließlich auch nicht bewiesen werden, dass der Kandidat die Klausur mit einem anderen Prüfling getauscht habe. Diese mangelhafte Beweislage (non liquet) gehe zu Lasten des LJPA.
Diesem Urteil schloss sich das BVerwG an und wies die Nichtzulassungsbeschwerde ab.
Sofern weitere Beweise erhoben werden sollen, hätte dies in der Tatsacheninstanz bereits vorgetragen und beantragt werden müssen, wie beispielsweise die Vernehmung des Aufsichtspersonals. Das BVerwG sieht hier auch keinen Verstoß des OVG gegen seine Hinweispflicht gem. § 86 III VwGO. Einen Hinweis auf seine Rechtsansicht hätte das OVG gerade nicht vor der Berufungsverhandlung geben müssen. Im Übrigen hätte die Anwältin des LJPA auch Vertagung oder einen Schriftsatznachlass beantragen können.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gem. § 108 I S. 1 VwGO sei hier ebenfalls nicht verletzt. Sich eine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden, sei allein dem Tatrichter überlassen. Nur weil das Prüfungsamt aufgrund der vorliegenden Tatsachenlage eine andere Auffassung habe, werde der Grundsatz der freien Beweiswürdigung noch nicht in Frage gestellt.
Ausblick
Wir werden wohl nie erfahren, wer die Klausuren tatsächlich verfasst hat. Eins dürfte aber klar ein, noch einmal wird das Prüfungsamt nicht so nachlässig in Sachen Beweiserhebung sein. Insofern lerne lieber mit Jura Online, dann brauchst Du keinen unsichtbaren Dritten, um Deine Examensklausuren zu bestehen.
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