VG Berlin zu den Zulassungsvoraussetzungen des juristischen Vorbereitungsdienstes

VG Berlin zu den Zulassungsvoraussetzungen des juristischen Vorbereitungsdienstes

„Bregret“ einer Absolventin?

Der Brexit begleitet uns spätestens seit dem Referendum am 23.06.2016, in dem die Bürger des Vereinigten Königreichs für den Austritt aus der Europäischen Union stimmten. Bis zum 31.01.2020, als der Austritt nach Art. 50 EUV in Kraft trat, vergingen die Jahre. Wie die künftige Beziehung zwischen der EU und UK nach Ablauf der Übergangsfrist vom 31.12.2020 aussehen sollte, war wegen dieses absoluten Novums lange Zeit auch für deutsche Studenten auf der Insel nicht absehbar. Dass die Folgen des Brexits erst nach und nach vor Gericht zum Vorschein kommen, zeigt das Verfahren um eine deutsche Absolventin, mit dem sich das VG Berlin konfrontiert sah.

Sachverhalt

Eine deutsche Staatsbürgerin genoss ihre juristische Ausbildung zunächst im Vereinigten Königreich. Sie wollte jedoch mit den beiden in 2017 und 2020 erlangten Abschlüssen dem Bachelor und Master of Laws nach Deutschland zurückkehren, um den juristischen Vorbereitungsdienst anzutreten. Die Zulassung zum Referendariat beantragte die spätere Klägerin bei dem gemeinsamen Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg im Mai 2021 vergeblich. Die Behörde versagte ihr den Zugang zum Vorbereitungsdienst mit dem Argument, die Vorschrift des § 112a DRiG, die die Zulassung zum Referendariat mit im Ausland erworbenen juristischen Abschlüssen ausnahmsweise ermögliche, sei nach dem endgültigen Vollzug des Brexits nicht mehr anwendbar.

Der § 112a DRiG sieht insofern in seinem ersten Absatz vor, dass Personen, die ein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom besitzen, das in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erworben wurde und dort den Zugang zur postuniversitären Ausbildung für den Beruf des europäischen Rechtsanwalts gemäß § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland eröffnet, werden auf Antrag zum Vorbereitungsdienst zugelassen, wenn ihre Kenntnisse und Fähigkeiten den durch die bestandene staatliche Pflichtfachprüfung nach § 5 I bescheinigten Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen.

Urteil des VG Berlin

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wandte sich die Absolventin an das VG Berlin, das die Klage abwies. Die 15. Kammer kam in ihrer Prüfung zum selben Ergebnis wie das Prüfungsamt: Die Voraussetzung des § 112a DRiG in Bezug auf ein geeignetes Universitätsdiplom hätte zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorgelegen. Den Ausnahmetatbestand des § 112a I DRiG habe der Gesetzgeber allein aus einer „europarechtlichen Notwendigkeit“ in das DRiG implementiert, wobei der Zweck der Norm in Hinblick auf die im Vereinigten Königreich erworbenen Abschlüsse mit dem Brexit nicht mehr einschlägig sei. So käme es nicht auf den Zeitpunkt des Universitätsabschlusses, sondern auf den Zeitpunkt der Antragstellung an.

Auch könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie sich rechtzeitiger um die Zulassung zum Referendariat hätte bemühen können. Schließlich sei der nahende Brexit seit langem absehbar gewesen. Ein ungerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG verneinte das Gericht ebenfalls, da das grundsätzliche Erfordernis eines ersten juristischen Staatsexamens mit der Absicherung der Qualität der Rechtspflege zu rechtfertigen sei. Verfassungsrechtliche Bedenken der Ablehnung des Antrages bestünden demnach nicht.

Nach Auffassung des Gerichts hätte sich die Absolventin also jede Menge Ärger sparen können, wenn sie ihren Antrag auf Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst gut ein halbes Jahr früher und damit noch während der Übergangszeit bis zum 31.12.2020 gestellt hätte.

Fazit

Mit dem Bedauern über den Brexit selbst, zuletzt unter der Wortneuschöpfung „Bregret“ bekannt, stünde die Klägerin jedenfalls nicht alleine: weniger als 20 % derjenigen Briten, die 2016 für den Brexit stimmten, hielten ihn Anfang 2023 für einen Erfolg. Wie sich die Dinge für die Klägerin und das Vereinigte Königreich weiterentwickeln, das wird nur die Zeit offenbaren. Schließlich gilt im „echten“ Leben wie auch in der Klausur – hinterher ist man immer schlauer.

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