Die Voraussetzungen der Tierhalterhaftung

Die Voraussetzungen der Tierhalterhaftung

Haftet eine Hundehalterin für den Rettungseinsatz im Fahrstuhl?

Der Kläger wollte einer Hundehalterin lediglich helfen und verlor dabei mehrere Fingerglieder. Doch war das wirklich auf die spezifische Gefahr des Hundes zurückzuführen? Das Landgericht (LG) Frankenthal äußerte sich jüngst über die Voraussetzungen der Tierhalterhaftung.

Wie es dazu kam

Der Unfall ereignete sich im Landkreis Alzey-Worms nach einer Möbellieferung. Der Möbellieferant und die Kundin begaben sich zusammen in einen Aufzug. Als die Türen des Aufzugs sich bereits verschlossen hatten, fiel der Kundin auf, dass sie zwar die Hundeleine in ihrer Hand trug, sich ihr Hund allerdings außerhalb der Aufzugtüren befand. Der Lieferant reagierte sofort und nahm der Kundin die Leine aus der Hand, löste die noch eingestellte Ausziehsperre der Leine, sodass der Aufzug ohne das Tier zu gefährden, in die nächste Etage fahren konnte. In der nächsten Etage angekommen, übernahm der Lieferant die Hundeleine und die Kundin eilte über das Treppenhaus zurück zu ihrem Hund und befreite ihn. Der Lieferant hingegen fuhr mit dem Aufzug weiter nach unten, als die Frau plötzlich einen Schrei vernahm. Er hatte die dünne Nylon-Leine während der Fahrt nicht losgelassen und versuchte, sie geschickt durch die Aufzugtür zu lenken, um ein Einklemmen zu verhindern, bis der Hund befreit war. Dabei wurden ihm die vorderen Glieder dreier Finger abgetrennt, von denen nur zwei wieder konstruiert werden konnten. Seit dem Vorfall ist der Lieferant arbeitsunfähig.

Vor dem LG Frankenthal klagte er nun gegen die Hundehalterin. Nach seiner Auffassung sei sie für seine Verletzungen verantwortlich. Er habe das Tier nur retten wollen und dabei instinktiv gehandelt.

Die Entscheidung des LG

Das LG wies die Klage des Lieferanten ab. Nach Ansicht des Gerichts sei nicht jede Beteiligung oder Anwesenheit eines Tieres maßgeblich für die Einstandspflicht des Tierhalters.

Wir rufen uns in Erinnerung: Voraussetzung für eine Tierhalterhaftung gem. § 833 S. 1 BGB ist zunächst eine Rechtsgutverletzung, welche gerade durch das Tier verursacht werden muss. Durch die Abtrennung dreier vorderer Fingerglieder hat der Kläger eine Rechtsgutsverletzung erlitten.

Nach Ansicht des Gerichts sei die Verletzung aber gerade nicht unmittelbar durch das Tier und dessen spezifische Gefahr entstanden, sondern durch den Aufzug, der seine Fahrt fortgesetzt hat. Ein Zusammenhang zwischen dem Tier und dem Eintritt des Schadens bestehe nicht. Im Übrigen hätte die Beklagte den Hund zum Unfallzeitpunkt bereits von der Leine befreit. Die Beklagte hafte auch nicht aus anderen Gründen, da kein Verschulden vorläge. Sie habe nicht vorhersehen können, dass es zu dem Unfall kommen könnte.

Die Tierhalterhaftung spielt in juristischen Klausuren oft eine Rolle, schließlich lassen sich hier gut Grundsätze zur Kausalität und des Zurechnungszusammenhangs abfragen. Letzterer meint, dass sich gerade die spezifische Gefahr, die einem Tier innewohnt, auch in der Rechtsgutverletzung realisiert. Dieser Frage mussten sich kürzlich auch die Examenskandidaten aus Baden-Württemberg widmen, bei denen ein sonst wenig schreckhaftes Pferd plötzlich scheute und seine erfahrene Reiterin abwarf. Du siehst, ein vertiefter Blick in die Tierhalterhaftung lohnt sich.

Relevante Lerneinheiten