Wie oft muss die Gemeinde kontrollieren?
Stell Dir vor, Du kommst am Morgen zu Deinem geparkten Fahrzeug und es hat plötzlich einen Totalschaden - wegen eines Baumes. Eine Horrorvorstellung, die eine Frau dazu veranlasst hat, Klage gegen die Stadt Frankfurt zu erheben. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte darüber zu entscheiden, ob die Stadt Frankfurt Verantwortung für die Schäden übernehmen muss.
Der Sachverhalt
Im August 2019 parkte die Klägerin ihren Fiat 500 in einem Wohngebiet im Nordend in Frankfurt am Main. Zu ihrem großen Pech brach in den frühen Morgenstunden ein Ast von einer Robinie ab und stürzte auf das Fahrzeug. Der Baum stand auf dem Bürgersteig. Der Aufprall führte zu einem Totalschaden des Autos, sodass sich die Klägerin mit erheblichen finanziellen Verlusten konfrontiert sah.
Wer trägt nun den entstandenen Schaden in Höhe von 6.500 Euro? Ein Baum kann schließlich nicht persönlich vor Gericht erscheinen und sich verteidigen. Daher richtet sich der Fokus des Rechtsstreits auf die Stadt Frankfurt am Main. Zentral ist die Frage, ob sie ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt hat.
Die Entscheidung des Gerichts: Kontrollen von Straßenbäumen
Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hatte der Schadensersatzklage stattgegeben. Das OLG bestätigte diese Entscheidung. Der Senat führte aus: “Eine Gemeinde genügt grundsätzlich ihrer Verkehrssicherungspflicht, wenn sie Straßenbäume regelmäßig auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse beobachtet und eine eingehende Untersuchung dort vornimmt, wo besondere Umstände wie das Alter des Baumes, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen lassen”.
Die Frage, ob eine zweimalige jährliche Kontrolle des Baumes - sowohl im belaubten als auch im unbelaubten Zustand - erforderlich ist oder ob eine einmalige jährliche Kontrolle ausreichend ist, wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen hält das Oberlandesgericht es nicht für pflichtwidrig, die Bäume im öffentlichen Straßenraum nicht öfter als alle sechs Monate einer visuellen Kontrolle im belaubten und unbelaubten Zustand zu unterziehen.
Die Stadt Frankfurt am Main stützt sich bei der Vorgehensweise der Baumkontrollen auf die sog. FLL-Richtlinie (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V). Demnach sei es grundsätzlich ausreichend, „bei einem stärker geschädigten Baum, der sich in der Reife- oder Altersphase befindet und an einem Standort mit berechtigterweise höheren Sicherheitserwartung des Verkehrs steht, ein Kontrollintervall von einem Jahr festzulegen, soweit die Schädigungen so geartet sind, dass sich voraussichtlich nicht innerhalb eines Jahres auf die Verkehrssicherheit auswirken.“
Besondere Kontrollen bei maroden Bäumen
In besonderen Fällen sieht die Richtlinie aber kürzere Intervalle und intensivere Untersuchungen vor. Im vorliegenden Fall war die Robinie laut Sachverständigen in einem derart schlechten Zustand, dass eine solche Besonderheit vorgelegen hätte. Das Erscheinungsbild der Baumkrone sei nicht mit einer gesunden und vitalen Robinie vergleichbar. Vielmehr wäre sie ausgesprochen schütter gewesen. Das OLG ist der Ansicht, dass das Erscheinungsbild des Baumes sich nicht erst seit der letzten regulären Untersuchung entwickelt haben könne, sondern bereits zuvor in ähnlicher und auffälliger Weise vorhanden gewesen sein müsste. Zudem deute die wiederholte und über das übliche Maß hinausgehende Entfernung von Totholz und starken Ästen auf eine Beeinträchtigung der Vitalität hin. Aufgrund der Trockenheit im Jahr 2018 seien zusätzliche Kontrollen erforderlich gewesen, da der Baum bereits geschwächt gewesen sei. Angesichts dieser besonderen Umstände hätte das OLG es für angebracht gehalten, den Kronenbereich in kürzeren Abständen und unter Verwendung eines Hubsteigers oder eines Baumkletterers besonders zu überprüfen.
(OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.05.2023 - 1 U 310/20)
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