Zur Abgrenzung von Mord und Totschlag
Das Gerichtsverfahren um den Mord an einem 13-jährigen Jungen im Monbijoupark in Berlin ist abgeschlossen und das Urteil ist rechtskräftig. Der Angeklagte, der den Jungen nach einem belanglosen Vorfall mit einem Messerstich in die Herzgegend getötet hatte, wurde wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Das Urteil wurde nun vom Bundesgerichtshof bestätigt. Im ersten Prozess wurde der Angeklagte lediglich wegen Totschlags verurteilt, doch die Revision der Mutter des getöteten Jungen führte zur Prüfung einer Verurteilung wegen Mordes. Das Gericht wertete das Tatmotiv des Angeklagten als niedrigen Beweggrund und verurteilte ihn deshalb wegen Mordes.
Was war geschehen?
Das Opfer war ein 13-jähriger Junge, der aus Syrien nach Deutschland geflüchtet war. Er und der Angeklagte trafen sich zufällig in einem Tunnel unter der S-Bahn am Monbijoupark. Der 13-Jährige habe beim Passieren des Tunnels auf sein Handy geschaut und die Begleiterin des Täters beinahe angerempelt. Nach einem kurzen, hitzigen Wortwechsel zog der Angeklagte sein Messer und tötete den Jungen mit einem Messerstich in die Herzgegend. Der Angeklagte wurde als gewalttätig und zu Impulsausbrüchen neigend beschrieben. Das Gericht ging letztlich von einem niedrigen Beweggrund als Mordmerkmal aus und verurteilte den Angeklagten deshalb wegen Mordes. Der mittlerweile 43-Jährige handelte aus dem Bedürfnis heraus, als “Sieger vom Platz” zu gehen.
Verurteilung wegen Totschlags im ersten Prozess
Zunächst hatte das Landgericht Berlin den Angeklagten im Jahr 2021 lediglich wegen Totschlags verurteilt. Die Mutter des Getöteten legte daraufhin Revision (§ 353 StPO) ein. Der BGH befand das Urteil für rechtsfehlerhaft und wies die Sache zur Prüfung einer Verurteilung wegen Mordes zurück. Auch der Angeklagte legte Revision ein, um seine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil eines Bekannten des Getöteten anzufechten. Der Bekannte des Opfers griff den Angeklagten unmittelbar nach der Messerattacke auf den 13-Jährigen an. Der Angeklagte hätte dem Angriff ohne weiteres ausweichen können, er wollte aber auch aus dieser Auseinandersetzung als Sieger hervorgehen. Daher versetzte er dem Angreifer ebenfalls einen Messerstich in den Oberkörper. Die von dem Angeklagten eingelegte Revision verwarf der BGH jedoch.
In dem zweiten Prozess gelangte das Schwurgericht zu der Überzeugung, dass der Angeklagte die Tat begangen habe, um dem 13-Jährigen eine Lektion zu erteilen und um als „Sieger vom Platz“ zu gehen. Das Gericht sah das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe darin verwirklicht und verurteilte den Angeklagten sodann wegen Mordes. Auch hiergegen legte der Angeklagte Revision ein, die jedoch mit Beschluss des in Leipzig ansässigen 5. Strafsenats des BGH am 28. März 2023 verworfen wurde. Die Nachprüfung des Urteils des Landgerichts Berlin ergab keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, womit das vorherige Urteil des Landgerichts vom 02. August 2022 rechtskräftig ist.
Die Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag ist auch immer wieder Gegenstand von Klausuren. Der Straftatbestand des Mordes ist in § 211 StGB geregelt. Ein Mord liegt vor, wenn jemand vorsätzlich einen anderen Menschen tötet. Um von einem Totschlag nach § 212 StGB zu unterscheiden, muss bei einem Mord zusätzlich ein Mordmerkmal gegeben sein. In diesem Fall wurde das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vom Gericht angenommen. Das bedeutet, dass der Angeklagte aus einer besonders verwerflichen Motivation heraus gehandelt hat. In diesem Fall tötete der Angeklagte den 13-jährigen Jungen, um sich als Sieger in einer Auseinandersetzung zu zeigen und dem Opfer eine Lektion zu erteilen. Niedrige Beweggründe sind der Definition nach solche, die sittlich auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose und triebhafte Eigensucht bestimmt sind und deshalb besonders verwerflich und verachtenswert sind. Erforderlich ist, dass die Motive menschlich nicht verständlich und Ausdruck der niedrigen Gesinnung sind. Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe führt in der Regel zur Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Eine lebenslange Freiheitsstrafe meint den Freiheitsentzug auf unbestimmte Zeit, eine Entlassung ist in der Regel erst nach 15 Jahren möglich. Die restliche Strafe kann dann auch zur Bewährung ausgesetzt werden.
Der Fall des 13-jährigen Jungen aus Syrien hat in der Öffentlichkeit für großes Aufsehen gesorgt und verdeutlicht, wie schnell eine banale Auseinandersetzung eskalieren kann und zu einer tödlichen Tat führt. Auch zeigt sich der Fall als klausurrelevant, da hier sowohl die typische Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag als auch strafprozessliche Besonderheiten abgefragt werden können.
(BGH, Beschluss vom 28.03.2023 - 5 StR 554/22)
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen