Das 1. Staatsexamen – die Unterschiede in den Bundesländern

Das 1. Staatsexamen – die Unterschiede in den Bundesländern

Schreckgespenst Staatsexamen

Das 1. Staatsexamen (Erste Juristische Prüfung) ist der gefürchtete Endgegner des Jurastudiums. Das Wissen eines gesamten Studiums im Kopf zu haben und in wenigen Tagen abzurufen, ist verglichen mit anderen Studiengängen einzigartig. Der psychische Druck ist hoch, hängt doch von diesen wenigen Klausuren der weitere Berufsweg ab.

Worum geht es?

Die Anforderungen sowie der konkrete Ablauf des Staatsexamens sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Solltest Du vielleicht noch unentschlossen sein, wo Du am besten Dein Staatsexamen absolvieren möchtest oder schon immer mal einen Überblick über die länderspezifischen Unterschiede haben wolltest, ist der folgende Beitrag für Dich hilfreich.

Rechtliche Grundlage – das Deutsche Richtergesetz

Vorgaben für die juristische Ausbildung finden sich zunächst im Deutschen Richtergesetz (DRiG). Dort ist aufgeführt, welche Pflichtfächer und sonstigen Voraussetzungen, wie z.B. Fremdsprachenkenntnisse oder Praktika, Bestandteil des Studiums sind.

Das 1. Staatsexamen bildet den Abschluss des Jurastudiums und besteht aus einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung. Die Ausgestaltung des Schwerpunkts, einschließlich der zu erbringenden Prüfungsleistungen, liegt in weiten Teilen im Ermessen der Universitäten. Das DRiG gibt lediglich vor, dass mindestens eine schriftliche Leistung erbracht werden muss. Das DRiG legt auch allgemeine Rahmenbedingungen für die staatliche Pflichtfachprüfung fest, einschließlich der Möglichkeit zur einmaligen Wiederholung bei Nichtbestehen. Die konkrete Ausgestaltung ist den Ländern überlassen. Dafür haben die einzelnen Länder eine Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPO). Diese regelt für jedes Bundesland die Zulassungsvoraussetzungen, den Ablauf und die Anforderungen des Staatsexamens. Es lohnt sich, für Studierende die JAPO des Bundeslandes, in dem das Examen absolviert wird, anzuschauen. Examenskandidatinnen und Examenskandidaten bekommen dadurch einen besseren Überblick über den Prüfungsstoff. In Sachsen ist z.B. das Reiserecht nicht mehr Bestandteil des Staatsexamens.

Das 1. Staatsexamen besteht in fast allen Bundesländern aus sechs Klausuren. Nur in Berlin und Brandenburg gibt es eine weitere Strafrechtsklausur. Examenskandidatinnen und Examenskandidaten müssen hier insgesamt sieben Klausuren schreiben. Meistens gibt es drei Klausuren im Zivilrecht, zwei Klausuren im Öffentlichen Recht und eine Klausur im Strafrecht. Nur in Sachsen-Anhalt sind zwei Zivilrechtsklausuren sowie zwei Klausuren im Straf- und Öffentlichen Recht fest vorgesehen. In Thüringen gibt es ebenfalls je zwei Klausuren im Öffentlichen- und Zivilrecht sowie eine Klausur im Strafrecht. Die sechste Klausur ist dort eine sogenannte Wahlklausur und die Studierenden können selbst entscheiden, ob sie diese Klausur in Straf- oder Zivilrecht schreiben möchten. Eine solche Wahlklausur gibt es nur in Thüringen.

Viele Studierende lernen die Nebengebiete gerne auf Lücke. In Bremen, Hessen und dem Saarland ist jedoch eine der drei Zivilrechtsklausuren gewiss mit Schwerpunkt auf Arbeitsrecht oder Handels- und Gesellschaftsrecht.

Ein Unterschied besteht auch darin, wie oft Examenskampagnen angeboten werden. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen werden jährlich nur zwei Kampagnen angeboten. In den anderen Bundesländern dagegen vier bis sechs und in NRW gibt es sogar neunmal im Jahr die Möglichkeit, das Examen zu schreiben.

Auch wenn mittlerweile viele Universitäten einen Bachelorabschluss (LL.B.) anbieten, ist für Studierende der psychische Druck besonders hoch, durch das Risiko, nach vielen Jahren des Studiums in der letzten Prüfung durchzufallen. Der Freischuss ist deshalb eine gute Möglichkeit, den Ablauf des Examens zu proben und die Klausuren mit weniger Druck zu schreiben. Der Freischuss kann in allen Bundesländern geschrieben werden. Im besten Fall bestehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit der gewünschten Punktzahl oder haben anschließend die Möglichkeit sich zu verbessern. Zu beachten ist jedoch, dass der Freischuss nur nach dem 8. Semester geschrieben werden kann. Lässt man den Freiversuch verfallen, gibt es in den meisten Bundesländern keine Verbesserungsmöglichkeit. Die Studierenden müssen dann die Note akzeptieren, mit der sie im ersten Versuch bestanden haben. Nur in den Ländern Rheinland-Pfalz, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Bremen, Hessen, Sachsen-Anhalt ist ein weiterer Versuch auch im höheren Semester möglich – dieser ist jedoch oft kostenpflichtig.

Abschichten in NRW – eine fairere und bessere Option?

Von dem sogenannten Abschichten haben viele Studierende außerhalb von NRW noch nicht gehört. Abschichten bedeutet, die Aufsichtsarbeiten des 1. juristischen Staatsexamens in zwei oder drei zeitlich getrennten Abschnitten anzufertigen, statt alle sechs Klausuren in kurzem zeitlichen Abstand aufeinanderfolgend zu schreiben. So können Examenskandidatinnen und Examenskandidaten in NRW in einer Examenskampagne die Zivilrechtsklausuren schreiben, in der nächsten die Klausuren im Öffentlichen Recht und im nächsten die Strafrechtsklausur. Das Abschichten ist demnach eine beliebte Möglichkeit, die Examensklausuren in mehreren Abschnitten und nicht auf einmal zu schreiben. Nach einer bundesweiten Diskussion, diese Möglichkeit allen Jura Studierenden anzubieten, wird stattdessen diese Möglichkeit auch in NRW abgeschafft. Bis zum 16.02.2025 läuft die Übergangsfrist, danach können auch Studierende in NRW nicht mehr abschichten.

Ein letzter interessanter Vergleich sind die zugelassenen Hilfsmittel. Während in Schleswig-Holstein beispielsweise die Gesetze vom JPA gestellt werden und keinerlei Markierungen zulässig sind, dürfen die Gesetzbücher in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern Paragraphenverweise und gelegentliche Unterstreichungen enthalten. In den anderen Bundesländern sind zumindest Registerfahnen zugelassen.

Festzuhalten bleibt, in jedem Bundesland gibt es unterschiedliche Regelungen und Voraussetzungen. Eine Herausforderung ist es sicher überall. Trotzdem wäre es für alle Examenskandidatinnen und Examenskandidaten wünschenswert, die Regelungen zukünftig zu vereinheitlichen, um eine bessere Vergleichbarkeit herzustellen. Bis dahin lohnt es sich für Studierende, vorab die Voraussetzungen zu prüfen.