Alexa im Zeugenstand – Smart Speaker hilft bei Aufklärung von Gewaltverbrechen

Alexa im Zeugenstand – Smart Speaker hilft bei Aufklärung von Gewaltverbrechen

Elektronische Zeugen vor Gericht

„Die Zeugin Alexa, geborene Amazon, wird in den Zeugenstand gerufen.“ So oder so ähnlich könnte man sich den Zeugenaufruf des Landgerichts Regensburg vorstellen. Das Gericht nutzte nämlich erstmals die Aufnahme des Sprachassistenten Alexa in einem Ermittlungsverfahren. Es ging um die Aufklärung eines Tötungsdeliktes. Die außergewöhnliche Zeugin sorgt für Aufsehen und wirft einige Fragen auf. Wie sind die Daten von solchen Sprachassistenten im Strafverfahren zu bewerten?

Worum geht es?

Das Landgericht Regensburg befasste sich erstinstanzlich mit folgendem Verfahren: Der Angeklagte, ein 54-jährigen Mann aus dem Landkreis Regensburg, soll seine Ex-Partnerin während des Geschlechtsverkehrs in ihrer Wohnung stranguliert und getötet haben. Das Opfer besaß den Smartlautsprecher „Alexa“, weshalb die Vermutung nahe lag, dass der Lautsprecher zur Aufklärung der Tat helfen könnte.

Amazon zeigte sich kooperativ, ein offizielles Rechtshilfeersuchen ist nicht nötig

Die Ermittler wandten sich an den europäischen Ansprechpartner Amazons für Behörden, um eine Übermittlung der Daten zu erreichen. Bereits einen Monat später wurden der Kriminalpolizei die Aufzeichnungen des Gerätes in Form einer per E-Mail übersandten Audio-Datei zur Verfügung gestellt.

Zu betonen ist hierbei, dass Amazon die Daten ohne offizielles Rechtshilfeersuchen zügig zur Verfügung stellte, obwohl der Online Versandhändler mit Sitz in den Vereinigten Staaten hierzu grundsätzlich nicht verpflichtet ist. Die entsprechenden Server mit den Daten befinden sich nicht in Deutschland, sondern in den USA. Ein solches offizielles Rechtshilfeersuchen ist aufwändig und um Einiges langwieriger. Andernfalls hätte die Staatsanwaltschaft über das Bundesamt für Justiz bei dem U.S.-Amerikanischen Justizministerium anfragen müssen, ob und wie etwaige Ermittlungsmaßnahmen durch amerikanische Ermittlungsbehörden durchgeführt werden können.

In den durch Amazon übermittelten Tonsequenzen war eine Männerstimme zu hören, die dem Gerät Sprachbefehle erteilte. Die Audiodateien wurden in der Hauptverhandlung vorgespielt, also durch das Gericht „in Augenschein genommen“. Die Stimme konnte dem Angeklagten zugeordnet werden. In der ersten Nachricht um 22:54 Uhr war zu hören, wie der Angeklagte etwas zu einer im Raum befindlichen Person sagt, nämlich zu dem späteren Tatopfer. Zu diesem Zeitpunkt lebte das Opfer also noch. Auch ließ sich feststellen, dass der Sprecher weder lallte noch sonstige Besonderheiten in seiner Aussprache lagen.

Gegen 4 Uhr am Morgen gab der Täter dann den Befehl „Alexa aus“. Durch die Aufzeichnungen konnte das Gericht auch den Todeszeitpunkt näher bestimmen. Die Anwesenheit des Täters in der Wohnung des Opfers war allerdings auch durch zahlreiche weitere Spuren zweifelsfrei dem Beweis zugänglich, warum es dafür nicht den Sprachaufzeichnungen bedurft hätte.

Rechtliche Probleme bei der Beweiserhebung und Beweisverwertung im Zusammenhang mit dem Lauschangriff nach § 100c StPO

Der § 100c StPO ermächtigt zum Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen, dies wird als sogenannter „Großer Lauschangriff“ bezeichnet. Die Überwachung ist jedoch an enge Grenzen gebunden. Fraglich ist die Verwertbarkeit solcher Aufzeichnungen vor Gericht.

Können die Aufzeichnungen der Sprachassistenten im Strafprozess verwertet werden? Hier steht ein sogenanntes selbständiges Beweisverwertungsverbot im Raum. Das Landgericht Regensburg hatte allerdings keine Bedenken hinsichtlich der Verwertung. Immerhin wäre eine angeordnete Wohnraumüberwachung in diesem Fall ebenfalls verhältnismäßig gewesen, schließlich ging es um die Aufklärung eines Tötungsdeliktes.

Datenschutz ade?

Jeder Nutzer von Alexa, Google Home oder anderen Sprachassistenten willigt in die Möglichkeit der Aufzeichnung ein. Trotz starkem Datenschutz in Deutschland ist davon auszugehen, dass durch die Smartspeaker aufgezeichnete Unterhaltungen auch als Beweismittel vor den Strafgerichten (nicht im Zivilprozess!) verwendet werden können. Allerdings gibt es natürlich Einschränkungen, so muss es sich beispielsweise um eine besonders schwere Tat handeln.

(LG Regensburg (2. Strafkammer), Urteil vom 16.12.2020 – Ks 103 Js 28875/19)

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