Abmahnung wegen Nichterreichbarkeit in der Freizeit
Jeder freut sich über den wohlverdienten Feierabend. Aber hat ein Arbeitgeber auch im digitalen Zeitalter Anspruch auf Freizeit ohne E-Mails, Diensthandy oder Nachrichten auf der Smartwatch? Über diese Frage musste kürzlich ein Landesarbeitsgericht in Schleswig-Holstein entscheiden.
Worum geht es?
Geklagt hatte ein Notfallsanitäter. Sein Arbeitgeber hatte mehrfach versucht ihn nach Dienstschluss telefonisch zu erreichen, um telefonisch eine kurzfristige Dienstplanänderung für den nächsten Tag mitzuteilen. Diese erreichte den Sanitäter jedoch nicht und er erschien wie ursprünglich geplant am Arbeitsplatz. Dafür folgte prompt eine Ermahnung für unentschuldigtes Fehlen. Als sich der Vorfall wiederholte, erhielt der Sanitäter schließlich eine Abmahnung. Daraufhin zog er vor das Arbeitsgericht. In erster Instanz unterlag er, bis das Landesarbeitsgericht zu seinen Gunsten entschied. Demnach schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber keine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit.
Wie viel zeitliche Flexibilität schuldet der Arbeitnehmer?
Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers besteht darin die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. Doch wie ist die zeitliche Aufteilung der Arbeitszeit geregelt? Die rechtliche Grundlage für die Arbeitszeit ist das Arbeitszeitgesetz. Danach dürfen Arbeitnehmer maximal 8 Stunden an 6 Tagen und damit höchstens 48 Stunden in der Woche arbeiten. Die Tagesarbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden erhöht werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder von 24 Wochen durchschnittlich nicht mehr als acht Stunden gearbeitet wird. Die konkrete Arbeitszeit wird meist im Arbeitsvertrag festgelegt.
Bei plötzlichen Personalausfällen kann es vorkommen, dass der Arbeitgeber spontan Ersatz finden muss. Neben dem Chef, können auch Kunden, Vertragspartner oder Kollegen jederzeit anrufen. Mit der Zunahme von Homeoffice verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit weiter. Nach Ableistung der vertraglichen Arbeitszeit müssen dienstliche SMS jedoch auch im Homeoffice nicht mehr gelesen werden. Eine Klausel, die eine solche Verpflichtung des Arbeitnehmers vorsieht, ist unwirksam.
In absoluten Notfällen ist es dem Arbeitnehmer grundsätzlich zumutbar eine kurzfristige Änderung der Arbeitszeit hinzunehmen. Jedoch muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass dem Arbeitnehmer die Änderung erreicht. Im Zweifel muss er ihn also im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Bett klingeln.
Nicht-Erreichbarkeit dient dem Gesundheitsschutz
Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers. Das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit dient zudem den Persönlichkeitsschutz. Der Arbeitnehmer handelt nicht treuwidrig, wenn er die Nachrichten nicht liest. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer im Urlaub ist. Der Feierabend dient der Erholung. Deshalb muss gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer selbst entscheiden kann, ob er erreichbar sein möchte oder eben nicht. Erst mit dem Dienstbeginn ist er dazu verpflichtet, Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen. Eher gehen ihm die Mitteilungen des Chefs nicht zu. Die aktuelle Studienlage gibt den Ausführungen des Gerichtes recht. Ständige Erreichbarkeit kann auf Dauer der Gesundheit schaden. Es ist es also gar keine schlechte Idee das Handy nach der Arbeit ab und zu auszuschalten.
(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022 - 1 Sa 39 öD/22)
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