Wenn der Weihnachtsmann die Kündigung bringt

Wenn der Weihnachtsmann die Kündigung bringt

Eine süße Kündigung nach 20 Jahren

Vor dem Fest ist nach dem Fest: Bereits in wenigen Tagen sind in den Geschäften Artikel wie Schokoweihnachtsmänner eher Ladenhüter. Was sollte man mit ihnen machen? Vor einigen Jahren aß ein Verkäufer eine solch aussortierte Schokoladenfigur. Die Folge? Kündigung. Aber zu Recht?

Worum geht es?

Ein Verkäufer hatte nach der Weihnachtszeit im Jahr 2006 einen Weihnachtsmann aus Schokolade, der nicht mehr zum Verkauf bestimmt gewesen war, ohne Zustimmung seines Arbeitgebers gegessen. Er lag ausgelagert im Nebenraum der Filiale. Soweit waren sich die Parteien einig.

Uneinigkeit bestand zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, die ein 20 jähriges Arbeitsverhältnis verband, bezüglich der Menge der verspeisten Figur - also ob der komplette Schokoweihnachtsmann oder nur zwei kleine Stücke dem Hunger des Arbeitnehmers zum Opfer fielen.

Vor allem aber die Frage, ob eine solche Situation die Kündigung rechtfertigen könnte oder nicht, blieb strittig. Der Arbeitgeber ging von Diebstahl aus, weshalb „eine Trennung voneinander unausweichlich“ sei. Dem Arbeitnehmer habe man, „wenn er nicht selbst kündige“, daher eine „auf betriebliche Gründe gestützte fristgerechte Kündigung“ in Aussicht gestellt. Der Arbeitnehmer und spätere Kläger aber hat das Kündigungsgespräch drastischer wahrgenommen. Aus seiner Sicht hätte der Arbeitgeber mit einer Drohung klargemacht, dass er ihn, wenn er die ordentliche Kündigung nicht akzeptiere und sofort seine Unterschrift gebe, fristlos kündigen werde.

Im Ergebnis unterzeichnete der Kläger eine Klageverzichtserklärung. Trotzdem erhob er Kündigungsschutzklage, weil er die Reaktion seines langjährigen Arbeitgebers für überzogen hielt. Der Klageverzicht sei wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung unwirksam.

Ein Schokoweihnachtsmann ist kein Bienenstich

Die Sache kam im Frühjahr 2007 vor das Berliner Arbeitsgericht. Vor diesem verwies der Arbeitgeber auf eine Entscheidung des BAG, nämlich auf die sogenannte „Bienenstich-Entscheidung“ aus dem Jahr 1984. Danach würde auch eine Eigentumsverletzung von geringem Wert für eine außerordentliche Kündigung ausreichen. Tatsächlich erklärte das BAG damals die Kündigung einer Arbeitnehmerin für wirksam, weil sie – ebenfalls ohne Erlaubnis – ein Stück Bienenstich-Kuchen von der Arbeit gegessen hatte.

Doch mit diesem Vergleich hatte die Beklagte im Berliner Fall keinen Erfolg. Das ArbG Berlin pochte in erster Linie auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsschutz. Das Gericht wies mehrfach darauf hin, dass es sich im vorliegenden Fall lediglich um „trostlose Überbleibsel von ‚Weihnachtsmännern‘ des Vorjahres“ gehandelt habe – ein solches Produkt sei kein frischer Bienenstich. Die Schokofiguren seien in einen Nebenraum der Filiale „verfrachtet“ worden und damit „allesamt ausrangiert“. Zudem habe dem gekündigten, langjährigen Arbeitnehmer jegliches Unrechtsbewusstsein gefehlt, nahm das Gericht an.

Der Fokus müsse daher besonders auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelegt werden. Unter Anbetracht dessen sei eine Kündigung wegen des Essens eines ausrangierten Schokoladenweihnachtsmannes gerade nicht verhältnismäßig, so das Gericht. Vielmehr hätte…

…eine Zurechtweisung des Klägers – und allenfalls eine diesbezügliche Abmahnung […] allemal genügt.

Dies gelte gerade unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers.

Die Kündigung sei daher unwirksam, der Arbeitgeber wurde zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt.

(ArbG Berlin, Urteil vom 09.03.2007 – 28 Ca 1174/07)