Ordentliche Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges?
Wer während der Arbeitszeit die Zigarettenpause nicht dokumentiert, riskiert eine Kündigung: Das LAG Thüringen befand die Kündigung der Klägerin, die über dreißig Jahre bei der Arbeitsagentur arbeitete, für rechtmäßig. An drei Tagen habe sie ihre Raucherpausen nicht erfasst.
Worum geht es?
Schätzungen zufolge sollen im Jahr 2020 rund 17 Millionen Deutsche geraucht haben – Tendenz sinkend. Seit 20 Jahren nimmt die Zahl der Raucher:innen ab. Trotzdem: Viele greifen auch weiterhin zu einer Zigarette und das auch auf der Arbeit. Dabei sollte man sich allerdings an die Regeln halten, wie das LAG Thüringen nun klarstellte. Wer seine Raucherpausen nicht im Zeitkonto erfasst, könne außerordentlich gekündigt werden. Eine gekündigte Arbeitnehmerin und Raucherin unterlag mit ihrer Kündigungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten.
Mitarbeiterin der Arbeitsagentur gekündigt
Vor den Arbeitsgerichten hatte eine Frau geklagt, die über dreißig Jahre als Jobvermittlerin in einem Jobcenter der Arbeitsagentur beschäftigt war. Beschäftigte des Jobcenters müssen, so die Regelung, nicht nur ihre Arbeitszeit beim Betreten und Verlassen des Bürogebäudes erfassen, sondern auch ihre Pausen wie solche in der Kantine oder draußen bei einer Zigarette verbuchen.
Im Jahr 2019 sollen Überprüfungen durch den Arbeitgeber ergeben haben, dass die Mitarbeiterin an drei Tagen in Folge keine einzige Pause in ihrem Zeitkonto gebucht hatte. Stutzig machte ihn aber, dass sie ihre Karte zum Betreten des Gebäudes mehrfach genutzt hatte. Am 17.01.2019 etwa öffnete sie insgesamt siebenmal die Tür zum Personaleingang, am Tag darauf fünfmal, am nächsten Arbeitstag sechsmal.
Nach einer Aufforderung zur Stellungnahme gab die jahrelange Mitarbeiterin zu, dass sie draußen auf eine Zigarettenpause war, die sie als Raucherin benötige. Obwohl sie versicherte, ab sofort ihre Zigarettenpausen korrekt aufzuzeichnen und dass der „Schludrian“ sofort ein Ende habe, kündigte der Arbeitgeber ihr fristlos, hilfsweise fristgerecht. Zu Recht?
Fristlose Kündigung: unwirksam
In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Suhl bereits festgestellt, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitnehmerin sich einsichtig gezeigt habe, sie es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen, die Kündigungsfrist abzuwarten. Damit scheitert die Voraussetzung für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB. Eine solche ist nämlich nur möglich, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Kündigenden nicht zugemutet werden kann.
Ordentliche Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs rechtmäßig
Das LAG Thüringen musste sich daher nur noch mit der hilfsweise ordentlich ausgesprochenen Kündigung befassen. Dabei schloss es sich der Rechtsauffassung der vorherigen Instanz an und erklärte sie für wirksam. Die ordentliche Kündigung sei als verhaltensbedingte Kündigung wegen „beharrlicher Verstöße“ gegen Dokumentationspflichten und daraus folgenden Arbeitszeitbetrugs gerechtfertigt, heißt es in der Entscheidung.
Das LAG Thüringen traf in seinem Urteil grundlegende Ausführungen zu dem Arbeitszeitbetrug. Um einen solchen handelt es sich, wenn Mitarbeiter:innen vortäuschen, für einen bestimmten Zeitraum die Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall war. Dies stelle eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar und erfülle den Tatbestand des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 I BGB – wäre ein Einhalten der Kündigungsfrist also unzumutbar gewesen, wäre eine fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen.
Weiter argumentierte das LAG Thüringen mit dem „Erst-recht-Schluss“: Eine Pflichtverletzung, die an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt, sei dann erst recht geeignet, eine ordentliche Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 II KSchG zu rechtfertigen. Die Klägerin habe es unterlassen, in den besagten Tagen ihre Raucherpausen zu dokumentierten und damit gegen ihre Pflichten verstoßen. Durch diese unterlassenen Buchungen seien täglich bis zu sieben Zigarettenpausen als bezahlte Arbeitszeit erfasst worden, es liege damit ein Arbeitszeitbetrug vor. Eine vorherige Abmahnung sei nach Auffassung des Gerichts auch nicht erforderlich gewesen:
Bei besonders schwerwiegenden Verstößen ist eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, weil in diesen Fällen regelmäßig davon auszugehen ist, dass das pflichtwidrige Verhalten das […] notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört hat.
Nikotinsucht ist kein Argument
Schließlich greife auch das Vorbringen der Klägerin nicht, dass sie nikotinabhängig sei. Eine solche Nikotinsucht könne allenfalls die Anzahl der Raucherpausen erklären, so das LAG Thüringen. Dass sie solche Pausen nahm, werde ihr aber überhaupt nicht vorgeworfen. Der Vorwurf bezieht sich ausschließlich auf die unterbliebene ordnungsgemäße Dokumentation ihrer Pausen. Und dass sie aufgrund ihrer Nikotinsucht daran gehindert gewesen wäre, ordnungsgemäß ihre Arbeitszeit zu erfassen, habe die Klägerin selbst nicht vorgetragen.
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