Waren die Absperrungen rechtswidrig und haben gegen die Versammlungsfreiheit verstoßen?
Nach mehreren Eilentscheidungen schien der Errichtung eines Protestcamps beim G20-Gipfel in Hamburg nichts mehr im Wege zu stehen. Die Polizei sah dies jedoch anders und sperrte trotzdem den Zugang zum Versammlungsort ab. Das VG Hamburg wertete dies als rechtswidrig.
Worum geht es?
Fast fünf Jahre sind seit dem G20-Gipfel in Hamburg vergangen, bei dem es zu mehreren Ausschreitungen gekommen ist. Bei Demonstrationen, Blockaden und anderen angemeldeten Veranstaltungen brachten Zehntausende ihren Protest gegen den Gipfel zum Ausdruck. Bei dem Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer waren daher rund 31.000 Polizist:innen in der Hansestadt im Einsatz. Durch die Ausschreitungen und Polizeieinsätze sollen hunderte Personen verletzt worden sein.
Es verwundert daher nicht, dass die juristische Aufarbeitung des G20-Gipfels ebenfalls umfangreich ist. Erst kürzlich hat das VG Hamburg eine Entscheidung zu einem Protestcamps auf der Elbinsel Entenwerder getroffen. Das Handeln der Polizei sei diesbezüglich rechtswidrig gewesen.
Rechtsstreit bereits im Vorfeld
Das Protestcamps auf der Elbinsel war bereits kurz vor dem G20-Gipfel Gegenstand von mehreren Gerichtsentscheidungen, sogar das BVerfG wurde involviert. Der Kläger plante das Protestcamp als Veranstaltung, der ursprüngliche Ort sollte der Hamburger Stadtpark sein. Er meldete das Camp als Versammlung bei der Versammlungsbehörde als Dauerveranstaltung an, die über eine eigene Infrastruktur verfügen sollte: Geplant waren unter anderem Küchen, Waschmöglichkeiten und Zelte als Übernachtungsmöglichkeit für die Demonstrierenden. Eine Genehmigung wurde jedoch nicht erteilt. Die Versammlungsbehörde vertrat die Auffassung, dass ein solches Protestcamp nicht unter das Versammlungsrecht falle.
Anschließend wurde das geplante Protestcamp Gegenstand mehrerer Eilentscheidungen, bis schließlich das BVerfG die Stadt Hamburg verpflichtete, über eine Genehmigung auf Grundlage des Versammlungsrechts neu zu entscheiden. Inzwischen wurde die Planung des Camps umorganisiert, hilfsweise meldete der Kläger die Versammlung auf der Elbinsel Entenwerder mit bis zu 5.000 Teilnehmenden an. Die Behörde bestätigte zwar die Anmeldung – untersagte aber eine Durchführung des Protestcamps.
Dies war aber noch immer nicht das Ende, denn in einem weiteren Eilverfahren vor dem VG Hamburg war der Kläger erfolgreich: Das Gericht stellte klar, dass es dem Kläger – mit Einschränkungen - vorläufig erlaubt sei, das Protestcamp zu errichten.
Polizei sperrte Elbinsel
Doch tatsächlich genutzt hat dem Kläger dieser gerichtliche Erfolg wenig, denn im Juli 2017 riegelte die Hamburger Polizei – trotz der Eilentscheidung zugunsten des Klägers – den Zugang zu der Halbinsel ab. Dafür nutzte sie mehrere Einsatzfahrzeuge und eine Vielzahl an Polizeikräften und untersagte dem Kläger die Errichtung des Camps. Zwar bestätigte die Versammlungsbehörde inzwischen den Versammlungsort. Die Hamburger Polizei hob ihre Absperrung jedoch erst am Abend gegen 20.30 Uhr auf. Die nun aufgestellten Schlafzelte wurden von der Polizei teilweise durch Zwang entfernt. In einem weiteren Eilverfahren bestätigte das OVG Hamburg zwar, dass bis zu 300 Schlafzelte sowie Waschgelegenheiten und eine Küche errichtet werden dürften – zu einer tatsächlichen Errichtung des Protestcamps ist es aber aufgrund der Geschehnisse nicht mehr gekommen.
VG Hamburg: Absperrung war rechtswidrig
Anfang Mai 2022, also fast fünf Jahre nach dem G20-Gipfel, hat sich das VG Hamburg erneut mit dem Protestcamp auf der Elbinsel Entenwerder beschäftigen müssen. Dabei stellte es fest, dass die Absperrung des Zugangs zu der Halbinsel rechtswidrig gewesen sei. Das angemeldete Protestcamp sei – jedenfalls in erheblichen Teilen – eine Versammlung im Sinne von Art. 8 I GG. Vor diesem Hintergrund sei die nicht näher eingegrenzte, insbesondere nicht zeitlich klar befristete Verfügung, mit der die Errichtung des Camps zunächst untersagt wurde, ebenso wie die im Rahmen der späteren Verfügung erfolgte vollständige Untersagung des Aufstellens von Schlafzelten, des Errichtens von Duschen und des Aufbaus von Küchen rechtswidrig gewesen, heißt es in einer Mitteilung des Hamburger Gerichts.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
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