Ist das Schiff rechtlich wie ein Grundstück zu behandeln und hätte bei eBay erst gar nicht versteigert werden dürfen?
Bei eBay lassen sich die verschiedensten Auktionen finden: Reiskocher, ein altes Fußball-Trikot, Konzertkarten – und Touristenschiffe, die sonst auf dem Rhein fahren. Vier Kölner Gastronomen haben ein solches Schiff ersteigert, doch die Verkäuferin verweigerte die Herausgabe.
Worum geht es?
In unserem Zivilrecht gibt es einige Sonderregelungen über Schiffe: So bestimmt etwa § 578a BGB den rechtlichen Rahmen für Mietverhältnisse über eingetragene Schiffe, § 929a BGB enthält die dingliche Einigung bei einem nicht eingetragenem Seeschiff. Auch in anderen Normen wird der Bezug zum Schiff oft ausdrücklich erwähnt: § 401 BGB etwa bestimmt bei der Abtretung den Übergang von Nebenrechten – und nennt die Schiffshypothek.
Ein Kaufvertrag über das große Fahrgastschiff „MS Stadt Düsseldorf“ der Weiße Flotte GmbH kommt dann aber doch ganz gewöhnlich zustande. Bei eBay hatten sich vier Kölner Gastronomen zusammengetan – und zugeschlagen. Die Verkäuferin versuchte sich im Nachhinein zu wehren.
Verkäuferin verweigert Herausgabe
Die Weiße Flotte GmbH hatte im August 2020 eines ihrer Fahrgastschiffe, das im Binnenschiffregister eingetragen ist, bei eBay zum Kauf gegen das Höchstgebot angeboten. Aufgrund der Coronapandemie sei die Nachfrage zu ihren Touren eingebrochen. Bereits im Jahr 2017 habe das Düsseldorfer Unternehmen ein anderes Schiff verkauft.
Bei der aktuellen Auktion im August 2020 haben sich vier Kölner Gastronomen zusammengetan und das Schiff für 75.050 Euro ersteigert. Von verschiedenen Seiten wird berichtet, dass das Unternehmen sich bei der Versteigerung für ihre „MS Stadt Düsseldorf“ einen deutlich höheren Erlös erhofft hatte.
Die Weiße Flotte wollte ihr Rheinschiff nach der Auktion allerdings nicht herausgeben und berief sich auf verschiedene Gründe: Zum einen sei die eBay-Auktion nicht ordnungsgemäß abgelaufen. Wegen einer Sicherheitsfunktion der Plattform, die bei Geboten ab 50.000 Euro eine Verifizierung verlange, hätten potenzielle Interessenten nicht bieten können. Außerdem brachte die Weiße Flotte selbst vor, dass Schiffe (ebenso wie Grundstücke) überhaupt nicht bei eBay versteigert werden dürften. Und schließlich sei die Versteigerung deswegen unwirksam, weil die weiße Flotte eine Schiffshypothek in Höhe von 1,4 Millionen Euro bei der Artikelbeschreibung nicht angegeben habe und fechte daher irrtumsbedingt an.
Kaufvertrag über eBay
Als am 01. Januar 1900 das BGB in Kraft trat, war an Online-Marktplätze wie die eBay Inc. ihn betreibt, sicherlich nicht zu denken. Doch ob der Marktplatz mitten in der Stadt mit reisenden Händler:innen oder Online mit Händler:innen aus dem Wohnzimmer betrieben wird – für beide Varianten gelten dieselben Regeln.
Auf Kaufverträge, die bei eBay über den „Sofort-Kauf“ oder durch Auktionen zustande kommen, sind nämlich die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und den Vertragsschluss gem. §§ 145 ff BGB anwendbar. Dies hat der BGH bereits 2004 entschieden. Der § 156 BGB, der den Vertragsschluss bei Versteigerung beinhaltet, ist daher gerade nicht anwendbar: Der Kaufvertrag kommt zwischen Anbieter:innen und Bieter:innen direkt zustande, eBay stellt lediglich den virtuellen Marktplatz.
Schließlich sind die geltenden AGB von eBay noch relevant. Zwar werden diese nicht direkt Teil des Kaufvertrags, da dieser nicht mit der Plattform geschlossen wird. Doch dem BGH zufolge können sie als Auslegungsinhalt für die abgegebenen Willenserklärungen dienen.
Zurück zum Schiff: Vertrag wirksam
Und wie sieht es bei der „MS Stadt Düsseldorf“ aus? Die 8. Zivilkammer des LG Düsseldorfs hat am 12. April 2022 nach Klage der Gastronomen entscheiden, dass das Fahrgastschiff wirksam über eBay verkauft worden sei. Die Verkäuferin müsse es daher Zug-um-Zug gegen eine Zahlung von 75.050 Euro herausgeben.
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es sich um einen wirksamen Kaufvertrag handele. Der Kaufvertrag eines eingetragenen Binnenschiffes – anders als ein Grundstückskaufvertrag – könne ohne Einhaltung von Formvorschriften geschlossen werden. Außerdem könne sie sich auch nicht nachträglich durch eine Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 I 1 Alt 1 BGB) berufen, indem sie sich auf die „angeblich vergessene“ Angabe der Schiffshypothek berufe, so das Düsseldorfer Gericht. Schließlich sei die Auktion auch ordnungsgemäß abgelaufen. Es würde den eBay-Bedingungen entsprechen, dass Bieter:innen mit Geboten über 50.000 Euro verifiziert sein müssen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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