Umfangreiche Änderungen in der Juristenausbildung in Nordrhein-Westfalen
Das JAG-Änderungsgesetz erfuhr zahlreiche Änderungen, die nicht nur die Zwischen- und Schwerpunktbereichsprüfung betreffen, sondern auch den staatlichen Teil. Die Landesfachschaft begrüßt einige Neuregelungen, übt aber auch Kritik.
Worum geht es?
Je nach Bundesland verläuft das Jurastudium unterschiedlich. Im Groben stimmen dabei zwar die Inhalte und Abläufe überein, aber es gibt auch größere Unterschiede. In Nordrhein-Westfalen trat vor rund drei Wochen ein neues Gesetz in Kraft, das die Juristenausbildung in dem Bundesland reformiert. Einige der Neuregelungen gelten ab sofort, andere hingegen erst nach einer dreijährigen Übergangsfrist. Die Landesfachschaft NRW begrüßt einige der Neuregelungen, übt aber auch Kritik. Wir haben uns die Neuregelungen angeschaut.
Änderungen der ersten staatlichen Pflichtfachprüfung
Das zweite Gesetz zur Änderung des Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (JAG-Änderungsgesetz) wurde am 17.11.2021 verkündet, nachdem es im Landtag beschlossen wurde. Es regelt nicht nur Bestandteile innerhalb des Studiums neu, sondern auch dessen Abschluss: die erste staatliche Pflichtfachprüfung.
Inhaltlich bleibt es dabei beim Pflichtfachstoff. Zwar wurden im Katalog des Pflichtfachstoffs (§ 11 JAG) kleinere Änderungen vorgenommen, doch der bisherige Umfang bleibt erhalten. Ändern wird sich aber die mündliche Prüfung: Bisher bestand diese aus einem Vortrag und einem Prüfungsgespräch mit einer Dauer von 30 Minuten. Der Prüfungsvortrag wurde mit dem JAG-Änderungsgesetz gestrichen und die Dauer des Prüfungsgesprächs wurde auf 45 Minuten erhöht.
Außerdem verändert sich der Einfluss der Prüfungsleistungen. Während bisher auch der Vortrag mit 10 Prozent berücksichtigt wurde, beträgt in Zukunft die Gewichtung der schriftlichen Klausuren 65 Prozent und die mündliche Prüfung 35 Prozent. Diese Regelungen gelten für alle Studierenden, die sich nach Ablauf der dreijährigen Übergangsfrist zur Prüfung anmelden.
In diesem Zusammenhang ist auch eine Reform der Bewertung der Examensklausuren interessant: Noch vor einem Jahr haben wir darüber berichtete, dass das OVG NRW das Justizprüfungsamt am OLG Hamm dafür rügt, zu wenig Hochschullehrer:innen für die Korrektur der Klausuren im Ersten Examen einzusetzen. Bisher bestand nämlich nach Auffassung des Gerichts ein Rechtsanspruch darauf, dass jede Klausur von einem Hochschullehrer bzw. einer Hochschullehrerin korrigiert werde. Die dem Anspruch zugrunde liegenden Normen (§§ 14, 15 JAG) werden aber nun gestrichen. Seit dem 17.02.2022 gilt: Zwar sollen Hochschullehrende bei der Examenskorrektur vorrangig berücksichtigt werden (§ 4 JAG NRW n.F.), es handelt sich damit aber nicht mehr um eine Vorgabe an die Justizprüfungsämter. Prüflinge haben also keinen Anspruch mehr darauf, dass Hochschullehrer:innen bei der Bewertung ihrer Klausuren beteiligt sind.
Gebührenpflichtiger Verbesserungsversuch möglich, Abschichten gestrichen
Außerdem steht zukünftig ein Verbesserungsversuch im Rahmen der ersten staatlichen Pflichtfachprüfung zur Verfügung. Damit ist nicht der Freiversuch gemeint, der erhalten bleibt. Der Verbesserungsversuch (§ 26 I 1 JAG NRW n.F.) ermöglicht, nach einem regulären Versuch die Wiederholung der staatlichen Pflichtfachprüfung, um die Noten zu verbessern – auch, wenn diese bestanden ist. Der Verbesserungsversuch ist ab sofort möglich, allerdings ist er gebührenpflichtig.
Allerdings wird in Nordrhein-Westfalen ab dem 16.02.2025 (Ablauf der Übergangsfrist) kein Abschichten mehr möglich sein. Das Abschichten ist deutschlandweit eine beliebte Möglichkeit, die Examensklausuren in mehreren Abschnitten und nicht auf einmal zu schreiben. § 12 JAG NRW a.F., der diese Möglichkeit vorsah, wurde jedoch gestrichen. Wer sich bis zum 16.02.2025 noch anmeldet, kann das Abschichten noch in Anspruch nehmen.
E-Examen ab 2024 verpflichtend
Und wer weiß: Vielleicht kann das Abschichten ja dann auch schon digital passieren. Denn ab dem 01.01.2024 sind die Justizprüfungsämter in Nordrhein-Westfalen verpflichtet, den Examenskandidat:innen eine elektronische Anfertigung der Klausuren zu ermöglichen. Dies bestimmt § 10 I 3 JAG NRW n.F.. Prüflinge können sich dann entscheiden, ob sie die Arbeiten wie gehabt per Hand oder aber am Computer anfertigen wollen. Die genaue Ausgestaltung wird durch die Justizprüfungsämter festgelegt.
Änderung im Schwerpunktbereich
Nicht nur der staatliche Teil bekommt mit der Reform einen neuen Anstrich. Auch im universitären Bereich gibt es Änderungen, so zum Beispiel bei der Schwerpunktbereichsprüfung. Der Umfang der Semesterwochenstunden wird von 16 auf 14 gesenkt. Die geforderte Prüfungsleistung wird aber strenger: Während bislang mindestens eine Hausarbeit und eine Klausur abzulegen waren, besteht die Schwerpunktbereichsprüfung zukünftig grundsätzlich aus einer Hausarbeit, einer bis drei Klausuren und einer mündlichen Prüfung.
Die Reform der Schwerpunktbereichsprüfung hängt von den jeweiligen Prüfungsordnungen der Universitäten ab. Spätestens bis zum 16.11.2023 müssen sie die neuen Anforderungen umgesetzt haben.
Reform der Zwischenprüfung
Die erste wichtige Prüfung im Jurastudium ist die Zwischenprüfung, die nach den ersten Semestern abzulegen ist. Sie unterscheidet sich stark zwischen den Bundesländern. Auch sie wurde nun durch die Reform geändert.
Zunächst wird die Zwischenprüfung inhaltlich verkürzt – gute Neuigkeiten für Studierende in Nordrhein-Westfalen. Einige Rechtsgebiete aus dem Katalog des Pflichtfachstoffes dürfen zukünftig nicht mehr Teil der Zwischenprüfung sein. Die Zwischenprüfung im Strafrecht darf zum Beispiel nur noch Inhalte aus dem materiellen Strafrecht enthalten. Grundlagenfächer dürfen ebenfalls kein Teil der Zwischenprüfung mehr sein.
Allerdings ändert sich der Ablauf der Zwischenprüfung grundlegend. Bislang gilt sie nach Bestehen einer bestimmten Anzahl von Klausuren als erfolgreich abgelegt. In Zukunft müssen aber in jedem der drei Rechtsgebiete eine jeweils dreistündige Klausur geschrieben werden, um die Zwischenprüfung zu bestehen. Für jede davon gibt es drei Versuche.
Auch hier hängt es in zeitlicher Hinsicht davon ab, wann die Universitäten die Neuregelung umsetzen. Spätestens bis zum 16.11.2023 müssen sie angepasst sein. Bis dahin abgelegte Zwischenprüfungen werden aber weiterhin anerkannt.
Landesfachschaft begrüßt Änderungen, übt aber auch Kritik
Bereits nachdem der Landtag die Reform verabschiedet hat, äußerte sich die Landesfachschaft Jura NRW zu den Änderungen. Zwar seien einige davon zu begrüßen, zum Beispiel die Einführung des Verbesserungsversuchs. Außerdem könne durch die Möglichkeit des „E-Examens“ Nordrhein-Westfalen ein Vorreiter im Bereich des digitalen Studiums werden. Die Landesfachschaft forderte die Universitäten auf, bereits jetzt Konzepte zu entwickeln, um dem genüge zu werden.
Allerdings werde die Reform insgesamt ihrem Anspruch, ein modernes Studium zu schaffen, nicht gerecht, heißt es. Insbesondere könne die Reform nicht den psychischen Druck im Studium mindern. In diesem Zusammenhang kritisierte die Landesfachschaft insbesondere die Abschaffung des Abschichtens und die neue Gestaltung der Zwischenprüfung.
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