Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht?

Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht?

DAV kritisiert die geplante Neuregelung

Die mietrechtliche Praxis kämpft seit jeher mit dem Schriftformerfordernis im Rahmen von Gewerbemietverträgen. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) lieferte für das Problem einen Lösungsvorschlag in einem Diskussionsentwurf. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) kritisiert die geplante Neuregelung jedoch.

In diesem Beitrag geht es insbesondere um die folgenden (prüfungsrelevanten) Lerninhalte:

Worum geht es?

Das Schriftformerfordernis bei langfristigen Gewerbemietverträgen ist eines der größten Probleme in der mietrechtlichen Praxis. Denn: entspricht ein Gewerbemietvertrag nicht der Schriftform, kann er jederzeit vor Ablauf der Festmietzeit von beiden Parteien gekündigt werden. Dieses potenzielle Kündigungsrecht führt daher in der Praxis zu einer ausgesprochen hohen Rechtsunsicherheit. So können vermeintlich für eine feste Laufzeit abgeschlossene Mietverträge aufgrund einer Änderung der Interessenlage einer Partei unter Berufung auf den Schriftformmangel gekündigt werden - etwa durch den Mieter, weil dieser sich beispielsweise verkleinern oder vergrößern will.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) versuchte letztes Jahr das Problem anzugehen. Mit seinem Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht vom 26. Oktober 2021 lieferte es einen Lösungsvorschlag. In diesem sind in einem neu gefassten § 578a BGB für Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, unterschiedliche Vorgaben für den Abschluss von Mietverträgen und den Abschluss von Änderungsvereinbarungen vorgesehen.

In dem neu gefassten § 578a BGB soll es dann heißen:

Form von Mietverträgen über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind

  1. Wird ein Mietvertrag über Gründstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, für längere Zeit als ein Jahr geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit, wenn er nicht in schriftlicher Form geschlossen wurde.
  2. Ein Rechtsgeschäft zur Änderung des Mietvertrages bedarf der Textform.

Während für den Abschluss von Mietverträgen also weiterhin das Schriftformerfordernis gelten soll, soll für Änderungen des Mietvertrages künftig die Textform ausreichend sein.

BMJ: Probleme mit Einhaltung des Schriftformerfordernisses

Nach dem Diskussionsentwurf des BMJV soll § 550 BGB in seiner bisherigen Fassung zukünftig nur noch auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar sein. Für Gewerbemietverträge soll dagegen ein neuer § 578a BGB eingefügt werden. Danach soll für den ursprünglichen Mietvertrag weiterhin das Schriftformerfordernis gelten. In Abweichung zur bisherigen Rechtslage soll jedoch für Änderungsvereinbarungen die Textform ausreichend sein.

In seinem Diskussionsentwurf führt das BMJ aus:

“(…)Wird der Mietvertrag aber für längere Zeit als ein Jahr geschlossen und dabei die Schriftform nicht eingehalten, gilt er gemäß § 578 Absatz 2 in Verbindung mit § 550 Satz 1 BGB für unbestimmte Zeit. Der Vertrag kann dann nach den gesetzlichen Vorschriften ordentlich gekündigt werden (§ 542 Absatz 1 BGB), erstmalig zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Mietsache (§ 578 Absatz 2 in Verbindung mit § 550 Satz 2 BGB). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 7. Mai 2008 – XII ZR 69/06) können sich nicht nur spätere Erwerber, sondern auch die ursprünglichen Parteien des Mietvertrages auf diese Regelung berufen.”

Aus der Praxis der Gewerbevermietung würden wiederholt Probleme mit der Einhaltung des Schriftformerfordernisses berichtet. Das Interesse an verlässlichen Vertragslaufzeiten könne sich daher nicht in vollem Maße verwirklichen. Parteien eines auf Zeit abgeschlossenen Mietvertrages könnten sich aus taktischen Gründen auf eine Formunwirksamkeit wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB berufen, um sich so vorzeitig aus unliebsam gewordenen Verträgen zu befreien.

“Die veröffentlichten Entscheidungen der Gerichte deuten darauf hin, dass die Verträge regelmäßig nicht bereits bei ihrem Abschluss an einem Formmangel leiden, sondern erst durch spätere Änderungen. Sofern diese einen wesentlichen Vertragsteil betreffen, wird der Vertrag insgesamt formunwirksam und so ordentlich kündbar (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 27. März 1968 – VIII ZR 71/66; seitdem ständige Rechtsprechung). Der BGH hat Versuchen, dem Eintritt der Rechtsfolge mit sogenannten Schriftformheilungsklauseln vertragsgestaltend vorzubeugen, eine Absage erteilt (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2017 – XII ZR 114/16 –, Rn. 34 ff., juris). Eine Änderung dieses unbefriedigenden Rechtszustandes ist daher nur durch Änderung der Regelungen zu den Formerfordernissen bei Gewerbemietverträgen zu erreichen.”

Bei einem Verstoß des ursprünglichen Mietvertrages gegen das Schriftformerfordernis soll es in der Folge nach wie vor zu einem vorzeitigen Kündigungsrecht führen - Formverstöße beim Abschluss von Änderungsvereinbarungen führen dagegen nicht mehr zur Kündbarkeit des Mietvertrages. Bei einem Verstoß gegen das Textformerfordernis soll die entsprechende Änderungsvereinbarung gemäß § 125 BGB nichtig sein. Der übrige Mietvertrag sollen hiervon unberührt bleiben. 

DAV: Entwurf vermag Probleme nicht zu lösen

Der Entwurf des BMJ hat nun den DAV auf den Plan gerufen: dieser befürwortet zwar grundsätzlich, dass es für das Schriftformerfordernis im Gewerbemietrecht grundsätzlich eine eigenständige Regelung geben soll. Der DAV ist jedoch der Meinung, dass die Änderung die sich in der Praxis stellenden Probleme inhaltlich nicht lösen werde.

So führt er in seiner Stellungnahme aus, dass es Schriftformmängel nicht nur bei Nachträgen, sondern auch bei Ursprungsmietverträgen gäbe. Die Rechtsprechung befasse sich immer wieder mit Fragen, die nur oder auch bei Ursprungsverträgen auftreten würden, sodass diese Probleme durch den Entwurf nicht gelöst würden. 

Zudem entstünden Schriftformprobleme in der Praxis häufig deshalb, weil den Parteien nicht klar sei, dass sie überhaupt einen Nachtrag schließen müssen. Daher gäbe es in diesen Fällen auch keinen Nachtrag “in Textform”, sodass der Nachtrag auch nach der vorgeschlagenen Änderung nicht nur formunwirksam, sondern sogar nichtig wäre. 

Weiter führt der DAV aus, dass die für Ursprungsverträge aufgezeigten Probleme auch bei Nachträgen auftreten könnten und durch die Erleichterung der Form teilweise unberührt bleiben würden. Schließlich entstünden durch die Anordnung der Nichtigkeit als Rechtsfolge kaum lösbare Folgeprobleme.

Alternativvorschlag des DAV: Streichung des Kündigungsrechts

In seiner Stellungnahme nennt der DAV als Alternativvorschlag die komplette Streichung des Kündigungsrechts wegen Schriftformmängeln. Dieser Ansatz wurde auch im Diskussionsentwurf des BMJ diskutiert, jedoch abgelehnt.

“In ersichtlich allen Fällen, mit denen sich Literatur und Rechtsprechung bisher befasst haben, lag ein bekannter Vertrag vor. Die Schriftform war nur wegen formaler Fehler nicht erfüllt. Auch der Käufer, dessen Schutz noch immer als Begründung für das Schriftformerfordernis herangezogen wird, weiß also, dass er das Objekt mit einem Mietvertrag erwirbt. Sein Schutz erfordert es deshalb nicht, dass er sich vom Vertrag lösen kann. Soweit im Diskussionsentwurf darauf verwiesen wird, dass durch eine ersatzlose Streichung auch die Warn- und Beweisfunktion entfällt, ist das zwar grundsätzlich richtig. Ebenso wie Bauverträge, Gesellschaftsverträge und andere Verträge mit großer wirtschaftlicher Bedeutung schriftlich abgeschlossen werden, auch wenn dies nicht gesetzlich vorgeschrieben wird, werden auch Mietverträge mit einer gewissen wirtschaftlichen Bedeutung weiterhin schriftlich (oder in Textform) abgeschlossen werden”,

so der DAV abschließend in seiner Stellungnahme.

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