BGH zum Hauserwerb per Zwangsversteigerung

BGH zum Hauserwerb per Zwangsversteigerung

Abgrenzung zwischen rechtsgeschäftlichem Erwerb nach § 566 BGB und dem Erwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung

Die Entscheidung des BGH befasst sich mit der Frage, ob ein vertraglich vereinbarter Kündigungsausschluss (hier einer Eigenbedarfskündigung) dem Sonderkündigungsrecht des § 57a ZVG entgegensteht. Der BGH erörtert dabei insbesondere die unterschiedliche Wirkung des § 566 BGB im rechtsgeschäftlichen Erwerb sowie im Rahmen der Zwangsversteigerung.

A. Sachverhalt

Der Beklagte ist seit Mai 2005 Mieter einer Eigentumswohnung in München. In § 15.5 des mit dem damaligen Eigentümer abgeschlossenen Mietvertrag ist u.a. folgende Vereinbarung enthalten: „Eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ist ausgeschlossen.“

Die Kläger erwarben die Wohnung im Wege der Zwangsversteigerung gegen den vormaligen Eigentümer mit Zuschlagsbeschluss vom 16.10.2018. Mit Schreiben vom 20.10.2018 kündigten sie gegenüber dem Beklagten das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, da die Wohnung für den volljährigen Sohn benötigt werde.

Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Er verfolgt die Abweisung der Klage mit seiner Revision weiter.

B.Überblick

Um die hinter der Entscheidung stehenden Rechtsfragen zu verstehen, ist es zunächst wichtig, die verschiedenen Grundsätze aus dem Mietrecht und dem Zwangsversteigerungsrecht zu beleuchten.

1. Grundsatz: „Kauf bricht nicht Miete“

Aus dem Mietrecht bekannt sein dürfte der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“, der normativ in § 566 BGB verankert ist. Danach schließt der Erwerber einer vermieteten Immobilie kraft Gesetzes einen neuen Mietvertrag mit dem Mieter. Der Erwerber tritt in die Rechte und Pflichten so ein, wie sie zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs bestehen. Entsprechend kann der Mieter einen mit dem vorherigen Vermieter vereinbarten Kündigungsausschluss auch dem neuen Eigentümer entgegen halten.

Unvermietete Immobilien erzielen dabei in aller Regel einen deutlich höheren Erlös als vermietete Immobilien, da der Erwerber die Immobilie frei nutzen kann. Die widerstreitenden Interessen des Veräußerers an der Erzielung eines möglichst hohen Erlöses und das Interesse des Mieters an dem Verbleib in seiner gemieteten Immobilie löst § 566 BGB somit zugunsten des Mieters. Dementsprechend attestiert der BGH dem § 566 BGB eine auf „sozialen Erwägungen“ beruhende Bestimmung zu sein.

2. Zwangsversteigerungsrecht

Erfolgt die Übertragung des vermieteten Eigentums im Rahmen der Zwangsversteigerung verweist der § 57 ZVG auf § 566 BGB. Auch der Ersteher im Rahmen der Zwangsversteigerung übernimmt daher die Pflichten aus dem bestehenden Mietverhältnis.

Bei der Zwangsversteigerung besteht allerdings eine andere Interessenslage als beim rechtsgeschäftlichen Erwerb. Während der Erwerber beim rechtsgeschäftlichen Erwerb im eigenen Interesse einen möglichst hohen Erlös erzielen will, dient das Zwangsversteigerungsrecht den Interessen der Gläubiger auf deren Betreiben die Zwangsversteigerung erfolgt.

Dieses Interesse der Gläubiger stuft das Gesetz höher ein als die Eigeninteressen des Vermieters. Daher wird dem Ersteher der Immobilie in § 57 a ZVG ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt. Die Interessen des Mieters werden dadurch geschützt, dass gemäß § § 573 d BGB insbesondere bei Wohnraummietverträgen der Ersteher nur gem. § 573 BGB, insbesondere also wegen Eigenbedarfs kündigen kann, da § 57 a ZVG ein gesetzliches Kündigungsrecht mit gesetzlicher Frist einräumt.

Zudem hat der Mieter aber auch die Möglichkeit, einen Ausschluss des Sonderkündigungsrechts nach § 57a ZVG zu erwirken, indem er eine Änderung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen im Zwangsversteigerungsverfahren erreicht. Durch eine Anmeldung seiner Rechte im Zwangsversteigerungsverfahren kann der Mieter erreichen, dass ein Doppelausgebot nach § 59 Abs. 2 ZVG erfolgt, einmal nach den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen und einmal unter Ausschluss des Sonderkündigungsrechts. Liegen dann Gebote sowohl auf das gesetzliche als auch auf das abweichende Ausgebot vor, sind diese in ihrem wirtschaftlichen Wert zu vergleichen. Dies zeigt bereits, dass es sich bei dieser Möglichkeit um ein ‚stumpfes Schwert‘ des Mieters handelt. Denn im Regelfall wird das Gebot auf die Versteigerung nach den gesetzlichen Bedingungen deutlich höher ausfallen. Auch im vorliegenden Fall ist ein solches Doppelausgebot erfolgt, auf das Ausgebot unter Ausschluss des Sonderkündigungsrechts des Erstehers wurde jedoch nur ein Betrag in Höhe von 100.000 Euro geboten, auf das nach den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen ein Gebot in Höhe von 447.000 Euro.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall war folglich das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG nicht im Rahmen der Zwangsversteigerung ausgeschlossen worden. Insofern stellte sich die Frage, inwiefern der vertragliche Kündigungsausschluss sich im Rahmen des Sonderkündigungsrechts auswirkt. Denn die Kündigung erfolgte wegen Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wobei diese Kündigung ausdrücklich im ursprünglichen Mietvertrag ausgeschlossen wurde.

C. Entscheidung

Die Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

Als Anspruchsgrundlage kommt zunächst der § 546 Abs. 1 BGB in Betracht. Das dafür erforderliche Mietverhältnis ergibt sich aus § 57 ZVG in Verbindung mit § 566 BGB, da die Kläger die Immobilie im Wege der Zwangsversteigerung erworben haben und somit in die Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses zwischen dem Beklagten und dem vorherigen Eigentümer eingetreten sind.

Weiter ist eine Beendigung des Mietverhältnisses zu prüfen. Hier erfolgt nun der Einstieg in die Prüfung des § 57a ZVG. Die Kündigungserklärung liegt nach dem Sachverhalt unproblematisch vor. Fraglich ist daher, ob sich aus § 57a ZVG auch ein Kündigungsrecht ergibt oder ob die Vereinbarung aus § 15.5 des Vertrages dem Kündigungsrecht aus § 57a ZVG entgegensteht.

Der BGH ist mit dem Berufungsgericht der Ansicht, dass der vertraglich vereinbarte Kündigungsausschluss wegen Eigenbedarfs der erfolgten Eigenbedarfskündigung im Wege des Sonderkündigungsrechts nach § 57a ZVG nicht entgegenstehe.

Das unbeschränkte Bestehen des gesetzlichen Sonderkündigungsrechts ergebe sich daraus, dass im Fall der Zwangsversteigerung allein der Zuschlag Inhalt und Umfang des Eigentumserwerbs des Erstehers festlege. Als privatrechtsgestaltender Hoheitsakt bestimme der Zuschlagsbeschluss die Rechtsstellung des Erstehers und die Änderungen, die durch den Zuschlag an den Rechten der Beteiligten eintreten.

Die Vorschrift des § 566 BGB finde zwar nach § 57 ZVG auch im Rahmen der Zwangsversteigerung Anwendung, werde aber dergestalt modifiziert, dass der Eintritt in das Mietverhältnis „nach Maßgabe“ des § 57 a ZVG erfolge. Damit müsse der Ersteher anders als im Rahmen des rechtgeschäftlichen Erwerbs kündigungseinschränkende Vereinbarungen nicht gegen sich gelten lassen.

Das Sonderkündigungsrecht aus § 57 a ZVG sei grundsätzlich Bestandteil des Eigentumserwerbs in der Zwangsversteigerung. Der Zuschlag zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen gebe dem Ersteher die öffentliche Gewähr, dass er dieses Sonderkündigungsrecht ausüben darf, und zwar mit der im Gesetz geregelten Wirkung, dass das Grundstück beziehungsweise das Wohnungseigentum ohne Rücksicht auf besondere schuldrechtliche Gestaltungen von der Mietlast frei werde. Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes überlagern insoweit das Zivilrecht.

Auch aus den Bestimmungen der §§ 573 d III, 573 IV BGB, wonach von den gesetzlichen Kündigungsschutzvorschriften zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen unwirksam sind, folge nichts anders. Es gehe bei diesen Vorschriften gerade nicht um die Reichweite von zugunsten des Mieters getroffenen Vereinbarungen.

Im Ergebnis hält der BGH fest, dass die Interessen des Mieters denen des Realkredits (also hier den Interessen der Gläubiger an der Erzielung eines möglichst hohen Erlöses) untergeordnet sind. Der Interessensausgleich erfolgt daher gegensätzlich zu dem oben beschriebenen Interessensausgleich im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Erwerbs.

Abschließend prüft der BGH die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung nach § 573d Abs.1, 573 BGB, die er im vorliegenden Fall allerdings relativ unproblematisch bejaht.

Ein inhaltsgleicher Anspruch ergibt sich darüber hinaus aus § 985 BGB, da der Mietvertrag durch die Kündigung beendet wurde und dem Beklagten damit kein Recht zum Besitz mehr zusteht.

D. Prüfungsrelevanz

Die Entscheidung ist zunächst von hoher Praxisrelevanz, da sie den Umfang der Kündigungsrechte des Erstehers in der Zwangsversteigerung und damit unmittelbar den Wert des Objekts für den Ersteher bestimmt. Die Abgrenzung zwischen rechtsgeschäftlichen Erwerb nach § 566 BGB und dem Erwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung erfordert dabei ein ausgeprägtes Systemverständnis und eignet sich deshalb sehr gut für eine Prüfungsaufgabe. Insbesondere der Umstand, dass die Entscheidung aus dem Dauerbrenner Mietrecht stammt und die Kündigung aus § 57a ZVG auch an den Maßstäben der § 573, 573 d BGB zu messen ist, könnten die Entscheidung für einen Klausurersteller interessant machen.

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