BVerfG zu Bremer Atom-Transportverbot

BVerfG zu Bremer Atom-Transportverbot

Das Verbot von Atomtransporten über Bremer Häfen ist verfassungswidrig

Das Land Bremen preschte vor einigen Jahren mit einem eigenen Gesetz vor, welches den Kernstoff-Transport über seine Häfen verbot. Da das Verwaltungsgericht Bremen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes hatte, legte es dieses dem BVerfG vor. Dieses hat jüngst entschieden: Die streitgegenständliche Norm verstößt gegen das Grundgesetz und ist daher nichtig.

Worum geht es?

Im November 2010 hatte sich die Bremische Bürgerschaft für ein Transportverbot von Kernbrennstoffen ausgesprochen. In der Entschließung wurde der Bremer Senat unter anderem aufgefordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Transporte von nuklearen Brennstoffen durch die bremischen Häfen und andere Transportwege im Land zu verhindern. Dies war der Ausgangspunkt für die Einfügung des jetzigen § 2 III Bremisches Hafenbetriebsgesetzes (BremHafenbetrG).

Die Bürgerschaft begründete die Entschließung damit, dass das Land Bremen “von der völlig falschen und unverantwortlichen Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern”, besonders betroffen sei. Bremen und Bremerhaven seien nicht nur den erheblichen Risiken alter Atomkraftwerke noch auf Jahrzehnte ausgesetzt, sondern auch massiv davon betroffen, dass Kernbrennstoffe (und deren Abfallprodukte) noch auf lange Sicht transportiert und nach der Vorstellung der Bundesregierung auch über die bremischen Häfen verladen werden sollen. Der damals rot-grüne Bremer Senat sperrte die Häfen 2012 über das Hafenbetriebsgesetz für den Umschlag solchen Materials. Durch das Gesetz zur Änderung des BremHafenbetrG vom 31. Januar 2012 wurden demnach in § 2 die Absätze 2 und 3 neu in das Gesetz eingefügt.

In dem streitgegenständlichen § 2 III heißt es:

(3) Im Interesse einer grundsätzlich auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamtwirtschaft ist der Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des § 2 Absatz 1 des Atomgesetzes ausgeschlossen. Der Senat kann allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen zulassen, insbesondere für Kernbrennstoffe, die unter die Regelung in § 2 Absatz 2 Satz 2 des Atomgesetzes fallen oder nur in geringen Mengen im Umschlagsgut enthalten sind.

Drei von dem verhängten Verbot betroffene Unternehmen verfügten über Transportgenehmigungen des Bundesamtes für Strahlenschutz, in denen die Transportroute über bremische Häfen ausdrücklich als Transportstrecke zugelassen war. Sie beantragten bei der Freien Hansestadt Bremen zunächst Ausnahmegenehmigungen - ohne Erfolg.

Diese Unternehmen hatten aus diesem Grund später Klage beim Bremer Verwaltungsgericht eingereicht. Da die Bremer Verwaltungsrichter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesänderung hatten, schalteten sie das BVerfG ein: sie setzten das Verfahren nach Art. 100 I GG aus und legten dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 2 III BremHafenbetrG mit Art. 71, Art. 73 I Nr. 14 GG und dem Grundsatz der Bundestreue unvereinbar ist. Die Vorschrift verstoße nach Ansicht des Verwaltungsgerichts gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung. Sie betreffe atomrechtliche Regelungen, für die der Bund nach Art. 73 I Nr. 14 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitze.

BVerfG: Umschlagsverbot ist nichtig

Mit jüngst veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des BVerfG nun entschieden, dass das Verbot des Umschlags (Be-, Ent- und Umladen) von nuklearen Brennstoffen in den Häfen der Freien Hansestadt Bremen durch § 2 III BremHafenbetrG mit den Art. 71 und Art. 73 I Nr. 14 GG unvereinbar ist und erklärte diese Regelung für nichtig (Beschl. v. 07.12.2021, Az. 2 BvL 2/15).

Zur Begründung führte der Senat aus, dass der Freien Hansestadt Bremen die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass eines Umschlagsverbots fehle. Dem Bund stehe die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis für die friedliche Nutzung der Kernenergie gem. Art. 73 I Nr. 14 GG zu. § 2 III BremHafenbetrG betreffe jedenfalls im Schwerpunkt die Materie der friedlichen Nutzung der Kernenergie, so dass das Land nicht zur Gesetzgebung befugt sei. Das Gesetz verletze daher die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Atomrecht, welche sich aus Art. 73 I Nr. 14 GG ergibt.

“1. Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG besitzt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe. Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG ist umfassend und erschöpfend zu verstehen; die Vorschrift erstreckt sich auf sämtliche kernenergierelevanten Sachverhalte und umfasst auch Regelungen zu Transport und Umschlag von Kernbrennstoffen. Nach Sinn und Zweck zielt Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG darauf, dem Bund ein Zugriffsrecht auf alle kernenergierelevanten Sachverhalte einzuräumen, und stellt sich mit Blick auf möglicherweise überlappende Kompetenztitel im Zweifel als lex specialis dar. Die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken erfordert zwingend auch den Transport radioaktiver Stoffe. Der Kompetenztitel des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG umfasst daher auch Regelungen zu deren Transport. Regelungen über Verladevorgänge und den Umschlag von Kernbrennstoffen als ebenso notwendige wie integrale Bestandteile eines Transports werden daher herkömmlicherweise der Kompetenz für die friedliche Nutzung der Kernenergie zugeordnet.”,

heißt es dazu in der Pressemitteilung des BVerfG.

Des Weiteren habe das Land Bremen mit der beabsichtigten Verhinderung von Atomtransporten über die bremischen Häfen vor allem zum Ausdruck bringen wollen, dass die aus Sicht der Bremer Bürgerschaft seinerzeit als unzureichend angesehene Atompolitik nicht mitgetragen werde. So wolle § 2 III BremHafenbetrG die in § 4 Atomgesetz (AtG) getroffene Grundsatzentscheidung für die Zulässigkeit des Transports von nuklearen Brennstoffen aufgrund einer eigenen Risikobewertung konterkarieren.

Die Entscheidung erging mit 6:2 Stimmen.

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