Ausnahme von "Kauf bricht nicht Miete"? BGH zum Mieterschutz

Ausnahme von

Eine neue BGH-Entscheidung aus dem gewerblichen Mietrecht

Der BGH musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob der Grundsatz “Kauf bricht nicht Miete” gemäß § 566 Abs. 1 BGB analog anwendbar ist, wenn zwischen dem Eigentümer und dem Vermieter keine Personenidentität besteht. Die Antwort der Richter: Bei fehlender Identität zwischen Vermieter und Veräußerer ist der Grundsatz “Kauf bricht nicht Miete” gemäß § 566 Abs. 1 BGB nur dann analog anwendbar, wenn die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung und im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt und der Vermieter kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses hat.

Worum geht es?

Ein Verein wehrte sich gegen die Herausgabe eines durch ihn angemieteten Grundstücks. Die Eigentümerin hatte dieses 2008 gekauft und 2017 die Kündigung gegenüber dem Verein ausgesprochen. Sie nahm den beklagten Verein daraufhin auf Herausgabe der Grundstücksfläche in Anspruch. Zudem begehrte sie die Feststellung, dass zwischen den Parteien in Bezug auf die streitgegenständliche Fläche kein Nutzungsverhältnis mehr bestand. Der Beklagte berief sich auf die im Mietvertrag mit der vorherigen Vermieterin vereinbarte feste Vertragslaufzeit.

Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks war ursprünglich die H. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH (im Folgenden: H-GmbH). Mit notariellem Kaufvertrag aus dem Jahr 1995 erwarb die “Projekt-Gesellschaft zur Entwicklung, Koordination und Errichtung von Bauvorhaben mbH” (im Folgenden: Projekt-Gesellschaft) dieses Grundstück. Vertraglich stand der H-GmbH gegen die Projekt-Gesellschaft ein Rückübertragungsanspruch bezüglich einer Teilfläche zu, die zumindest teilweise mit der streitgegenständlichen Fläche übereinstimmte. Im Rahmen eines Grundstückstauschvertrags aus dem Jahr 2002 trat die H-GmbH diesen Rückübertragungsanspruch an die S-GmbH ab.

Im Jahr 2008 erwarb die Klägerin von der Projekt-Gesellschaft die streitgegenständliche Grundstücksfläche. Vor Abschluss des Kaufvertrags wies die S-GmbH die Projekt-Gesellschaft als seinerzeitige Eigentümerin der streitgegenständlichen Grundstücksfläche darauf hin, dass sie von der geplanten Veräußerung an die Klägerin erfahren habe und dass sie beabsichtige, von dem ihr beziehungsweise der H-GmbH zustehenden Rückübertragungsanspruch an Teilflächen des Verkaufsobjekts zur Förderung des Beklagten Gebrauch zu machen.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie mit Erwerb der Fläche nunmehr in den Pachtvertrag eingetreten sei, weshalb künftige Pachtzahlungen direkt an sie geleistet werden sollten. Seit 2009 erhielt die Klägerin von dem Beklagten die ursprünglich zwischen ihm und der S-GmbH vereinbarten Zahlungen.

Das Amtsgericht Itzehoe hat der auf Herausgabe der streitgegenständlichen Grundstücksfläche gerichteten Klage und dem Feststellungsantrag stattgegeben (Entscheidung vom 09.04.2019 - 95 C 133/17). Anders das Landgericht Itzehoe: Auf die Berufung des Beklagten hat dieses die Klage abgewiesen. Es bejahte gemäß § 566 Abs. 1 BGB analog eine Bindung der Käuferin an den Mietvertrag und bewertete die Kündigung als unwirksam. Auch wenn der Alteigentümer nie einen Bezug zum Mietvertrag gehabt habe, reiche es aus, dass er zur Sicherung des Kaufvertrags ein wirtschaftliches Interesse entwickelt habe. Daher müsse er wirtschaftlich als Vermieter behandelt werden, und der Grundsatz “Kauf bricht nicht Miete” treffe die Erwerberin.

BGH: Nicht vergleichbare Interessenlage

Gegen die Entscheidung des Landgerichts Itzehoe legte die Klägerin Revision ein - mit Erfolg. Der für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des BGH stimmte dem Landgericht zwar im Ausgangspunkt zu. So sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Vertrag trotz seiner Bezeichnung als Pachtvertrag mangels Überlassung der Grundstücksfläche zur Fruchtziehung rechtlich als Mietvertrag zu qualifizieren sei. Ebenfalls zutreffend sei es davon ausgegangen, dass § 566 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall keine unmittelbare Anwendung finden könne, weil es an der hierfür notwendigen Personenidentität zwischen Veräußerer und Vermieter fehle. Nach den getroffenen Feststellungen sei Vermieterin der streitgegenständlichen Grundstücksfläche die S-GmbH gewesen; die Teilfläche sei jedoch von der Projekt-Gesellschaft und damit von einer eigenständigen juristischen Person an die Klägerin veräußert worden.

Laut den Richtern des XII. Zivilsenats fehle es allerdings an einer vergleichbaren Interessenlage, sodass eine Analogie des § 566 Abs. 1 BGB hier nicht greife. 

§ 566 Abs. 1 BGB besagt:

(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

Anerkannt sei die Übertragbarkeit bei Vermietung durch einen Dritten auf Wunsch und Rechnung des Eigentümers. Die für eine analoge Anwendung der Vorschrift erforderliche Vergleichbarkeit der Sachverhalte sei nicht gegeben. Für die Annahme eines wirtschaftlichen Interesses des Verkäufers reiche es nicht aus, dass dieser erst aus Sorge um den Bestand des Kaufvertrags möchte, dass die Vermietung erhalten bleibt. Der Verkäufer habe hier nie Miete erhalten, und mehr als eine Duldung der Nutzung sei nicht erkennbar.

Der BGH weist darauf hin, dass eine Vertragsübernahme durch den Kaufvertrag an der fehlenden Einbeziehung aller Beteiligten scheiterte. Damit sei der konkludent und nicht schriftlich abgeschlossene Mietvertrag nach § 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB wirksam gekündigt worden.

Abschließend heißt es im Urteil:

“Das angefochtene Urteil ist mithin aufzuheben. Der Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache abschließend entscheiden. Da die Klage aufgrund des vom Berufungsgericht erschöpfend festgestellten Sachverhalts begründet ist, ist das amtsgerichtliche Urteil wiederherzustellen.”

Schaue Dir hier die (prüfungs-) relevanten Lerninhalte zu diesem Thema an: