Sturz zwischen Bett und Homeoffice – Arbeitsunfall?

Sturz zwischen Bett und Homeoffice – Arbeitsunfall?

Ist der Weg zum Schreibtisch im Homeoffice ein versicherter Betriebsweg?

Ein Vorteil am Homeoffice? Man spart sich den Arbeitsweg. Aber ist das wirklich so? Das BSG hat nun entschieden, dass der Weg vom Bett zum Schreibtisch versichert sein kann.

Worum geht es?

Vor dem Bundessozialgericht (BSG) in Kassel siegte nun ein Arbeitnehmer, der auf dem Weg zur Arbeit stürzte. Doch dabei befand er sich nicht auf den Straßen, sondern in seiner Privatwohnung. Im September 2018, also auch noch vor dem coronabedingten Homeoffice-Aufschwung, befand sich der Gebietsverkaufsleiter auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro. Es kam zum Sturz auf der Wendeltreppe, die zwischen den beiden Räumlichkeiten lag. Dabei brach er sich einen Brustwirbel. Das BSG hat nun entschieden: Auch wenn der Weg zum Arbeitsantritt im Homeoffice noch so kurz sein mag – der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung müsse auch hier gelten.

Streit durch die Instanzen

Bevor sich das Bundesgericht in Kassel mit der Frage beschäftigte, wurde der Fall auch vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht diskutiert. Vor dem Sozialgericht hatte der Arbeitnehmer und Kläger noch Erfolg: Zwar weigerte sich die beklagte Berufsgenossenschaft zu zahlen, doch das Sozialgericht sah nach Begutachtung von Fotografien der Räumlichkeiten einen Arbeitsunfall – einen Sturz auf einem versicherten Betriebsweg.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hatte hingegen eine andere Auffassung. Bei dem Weg vom Schlafzimmer in das Büro, zu dem der Kläger in der Regel ohne vorher zu frühstücken gehe, handele es sich vielmehr um eine reine „Vorbereitungshandlung“ für die eigentliche Tätigkeit, die aber nicht versichert sei.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein und die Bundesrichter:innen mussten sich der Sache annehmen. 

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Arbeitsunfall iSv § 8 I 1 SGB VII?

Das „Timing“ für diesen Rechtsstreit hätte nicht besser sein können, schließlich sind seit Beginn der Coronapandemie viele Arbeitnehmer:innen zur Arbeit im Homeoffice gewechselt. Dies brachte der Kläger auch vor und argumentierte, dass die von zu Hause aus arbeitenden Menschen hinsichtlich des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung nicht schlechter stehen dürften als die Arbeitnehmer:innen im Betrieb. Daher müsse es sich beim Weg zur erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit im Homeoffice in der eigenen Wohnung auch um einen versicherten Betriebsweg handeln.

Aber handelt es sich bei dem Sturz des Arbeitnehmers um einen Arbeitsunfall? Im SGB VII ist zunächst der Begriff des Arbeitsunfalls legal definiert. Gemäß § 8 I 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Arbeitswege, die in der Ausführung der betrieblichen Tätigkeit zurückgelegt werden, gehören dabei unmittelbar zur versicherten Tätigkeit. Davon zu unterscheiden sind die Wege davor und danach, die unter § 8 II Nr. 1 SGB VII fallen – aber auch versichert sind. Und bei dem „normalen“ Weg zur Arbeit beginnt und endet der Versicherungsschutz beim Arbeitsweg mit dem Durchschreiten der Haustür.

Aber in diesem Fall hat der Arbeitnehmer seine Haustür gar nicht benutzt. Worauf ist in einem solchen Fall dann abzustellen?

BSG: Kläger hat Arbeitsunfall erlitten

In Kassel stellten die Bundesrichter:innen auf den sachlichen Zusammenhang ab und sahen in dem Sturz des Klägers auf der Wendeltreppe zwischen Schlaf- und Arbeitszimmer einen Arbeitsunfall. Seine Revision hatte damit Erfolg. Nach Ausführungen des BSG habe der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten, als er sich bei dem Sturz an der Wirbelsäule verletzte.

Der Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme war danach als Betriebsweg versichert.

Denn im Falle des Homeoffice könne ausnahmsweise auch ein Betriebsweg im häuslichen Bereich denkbar sein, nämlich dann, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befinden. Dabei komme es darauf an, ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt werde und dieser im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe. So sei es auch auf dem „normalen“ Weg zur Arbeit. Im Homeoffice müsse dieser Grundsatz aber ebenfalls gelten, wenn nach der objektiven Handlungstendenz des Versicherten eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und die objektiven Umstände dies bestätigen. Und so liege es auch in dem Fall des gestürzten Gebietsverkaufsleiters. Das Beschreiten seiner Wendeltreppe diente allein der Arbeitsaufnahme in seinem häuslichen Büro.

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