BVerfG zu Erledigungspensum eines Richters

BVerfG zu Erledigungspensum eines Richters

Ein zu langsamer Richter am OLG?

Seit Jahren kämpft ein Karlsruher Richter gegen einen Bescheid der Gerichtspräsidentin, in dem sie sein Arbeitstempo kritisierte. Handelt es sich um einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit?

Worum geht es?

Das BVerfG hat erneut eine Verfassungsbeschwerde eines Richters nicht zur Entscheidung angenommen, der sich seit Jahren gegen eine Ermahnung wegen seines Arbeitstempos zu wehren versucht. Der Richter am OLG Karlsruhe habe eine Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit durch die angegriffenen Entscheidungen nicht substantiiert dargelegt. Ob die Ermahnung aber tatsächlich den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügte oder nicht, muss damit offenbleiben.

Ein zu langsamer Richter?

Seit knapp 10 Jahren kämpft der Richter des OLG Karlsruhe gegen einen Bescheid aus dem Januar 2012, den die Präsidentin des OLG erlassen hatte. In diesem hielt sie ihm im Rahmen der Dienstaufsicht die „ordnungswidrige Art der Ausführung seiner Amtsgeschäfte“ vor und ermahnte ihn zu einem ordnungsgemäßen und unverzögertem Verhalten. Unterm Strich bedeutet dies: Nach Auffassung der Präsidentin sei der Richter schlichtweg zu langsam.

Die OLG-Präsidentin habe die Erledigungszahlen der Richter:innen untereinander verglichen. Dabei soll herausgekommen sein, dass er das Pensum ganz erheblich unterschreite und sich nicht mehr in einem Toleranzbereich befinde. So habe er in den Jahren 2008 bis 2010 etwa nur 68 Prozent des Durchschnitts der anderen Kolleg:innen geleistet. Im Jahr 2011 soll er sogar weniger Verfahren als ein Halbtagsrichter erledigt haben.

Richter sieht Eingriff in richterliche Unabhängigkeit

Der OLG-Richter geht gegen den Bescheid seit Jahren gerichtlich vor, da er sich durch die Ermahnung in seiner richterlichen Unabhängigkeit aus Art. 33 V in Verbindung mit Art. 93 I GG verletzt sieht. Die richterliche Unabhängigkeit ist eine der zentralen Voraussetzungen für unseren Rechtsstaat – die Richter:innen müssen unabhängig von Weisungen sein und dürfen ihren Entscheidungen nur das Gesetz zu Grunde legen.

Ob dies der Fall bei dem OLG-Richter sein könnte, wurde nun schon mehrfach in verschiedenen Instanzen geprüft. Zunächst ging er gegen den Bescheid vor dem baden-württembergischen Dienstgericht vor – erfolglos, so auch die anschließend eingelegte Berufung. Nach Einlegung seiner Revision hob das Dienstgericht des Bundes (ein Spezialsenat des BGH, der unter anderem über dienstrechtliche Fragen von Bundesrichter:innen entscheidet) das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an den Dienstgerichtshof zurück. Gegen diese Entscheidung erhob der Richter sodann seine erste Verfassungsbeschwerde, die aber als unzulässig zurückgewiesen wurde. Doch der Dienstgerichtshof wies die Berufung im Mai 2019 erneut zurück, nun blieb auch die dagegen gerichtete Revision beim BGH erfolglos. 

BVerfG weist Verfassungsbeschwerde als unzulässig ab

Nun hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde des OLG-Richters, mit der er eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit rügte, als unzulässig abgewiesen. Sie sei nicht hinreichend substantiiert begründet.

Dem Beschwerdevorbingen lässt sich eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen.

Der OLG-Richter machte geltend, dass die OLG-Präsidentin ihn mit dem ermahnenden Bescheid zur Erzielung bestimmter Durchschnittszahlen aufgefordert und ihn damit in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt habe. Er habe sich innerhalb des Vortrags aber nicht mit den Entscheidungen der Dienstgerichte auseinandergesetzt, die den Bescheid anders auslegten, so das BVerfG.

Der Dienstgerichtshof habe etwa ausgeführt, dass nicht nur ein „statistischer Zahlenvergleich“ vorgenommen worden sei, sondern dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid eine „quantitativ unbefriedigende Arbeitsleistung vorgehalten“ werde. Der Vorhalt verlange aber „nur“ eine insgesamt höhere, sich dem Durchschnitt annähernde Arbeitsleistung. Mit diesem Aspekt etwa habe sich der beschwerdeführende Richter nicht auseinandergesetzt.

Ermahnung rege zur Reflexion an

Außerdem verwies das BVerfG auf weitere Ausführungen des Dienstgerichtshofs: Die Ermahnung sei so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer selbst seine Arbeitsweise reflektieren könne. Dadurch könnten Vorgehensweisen, die unnötig Zeit kosteten, möglicherweise gemindert werden. Dies betreffe aber gerade nicht die eigentliche Rechtsprechung des Richters, sondern beispielsweise organisatorische Aspekte. In dem Beschluss des BVerfG liest sich weiter:

Auch das Dienstgericht des Bundes hat festgestellt, dass die in dem Vorhalt enthaltene Aufforderung, die Arbeitsweise zu ändern, gerade nicht bedeute, in einem bestimmten Sinn zu entscheiden […].

Materielle Prüfung bleibt offen

Damit wies das BVerfG die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, der mittlerweile als „langsamer Richter“ betitelt werden soll, als unzulässig ab. Ob die Ermahnung der OLG-Präsidentin in puncto Arbeitstempo des Richters aber auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die richterliche Unabhängigkeit in vollem Umfang genüge, muss nun wegen der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde offenbleiben.

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