AG München zur Eigenbedarfskündigung

AG München zur Eigenbedarfskündigung

Ist die Eigenbedarfskündigung zur Pflege Angehöriger möglich?

Die Pflege naher Angehöriger im gleichen Haus kann die Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtfertigen. Das hat das AG München entschieden.

Worum geht es?

In einer mietrechtlichen Streitigkeit hat das AG München entschieden, dass die Pflege naher Angehöriger im gleichen Haus eine Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtfertigen kann. Dabei müsse es auch gar nicht auf den konkreten aktuellen Gesundheitszustand ankommen, wenn eine zeitnahe Hilfsbedürftigkeit aufgrund des Alters naheliegend ist. 

Streit um Kündigung

Vor dem Zivilgericht ging es um die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Eigenbedarfs. Ein über 80 Jahre altes Ehepaar hatte ihrer Großnichte das Eigentum an einer Wohnung bei ihnen im Haus übertragen. Diese verpflichtete sich, ihre Verwandten dafür bei Einkäufen, Besorgungen sowie bei Arztbesuchen zu unterstützen. Doch zu dem Zeitpunkt der Eigentumsübertragung war die Wohnung bereits von anderen Mieter:innen bewohnt.

Die Großnichte wollte diesen nun wegen Eigenbedarf kündigen und brachte vor, dass ihr Großonkel und ihre Großtante altersbedingt auf Unterstützung angewiesen seien. Sie selbst wohne aber 2,7 Kilometer entfernt und wolle daher im selben Haus wohnen. Außerdem sei ihre Hilfe bei Angelegenheiten des täglichen Bedarfs die Voraussetzung und auch der Grund für die Eigentumsübertragung gewesen.

Die Beklagten wehrten sich allerdings gegen die angestrebte Eigenbedarfskündigung. Eine Hilfeleistung sei noch nicht erforderlich und wenn doch, sei diese auch aus der derzeitigen Entfernung von 2,7 Kilometer möglich. Zudem sei ihnen aufgrund ihrer finanziellen Situation eine Wohnungssuche in München nicht zumutbar und die Ehefrau sei gesundheitlich angeschlagen.

Kündigung wegen Eigenbedarfs verlangt berechtigtes Interesse

Ein Mietverhältnis kann grundsätzlich von beiden Seiten gekündigt werden. Die §§ 573 BGB sind für eine ordentliche Kündigung von Wohnraum durch die Vermieter-Partei heranzuziehen. Gemäß § 573 I BGB kann der Vermieter aber nur (ordentlich) kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Wann ein solches vorliegt, wird im nächsten Absatz bestimmt. § 573 II Nr. 2 BGB benennt ein berechtigtes Interesse zum Beispiel dann, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seinen Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushaltes benötigt – Eigenbedarfskündigung.

Ob die Wohnung aber tatsächlich „benötigt“ wird, darüber wird oft gestritten. Denn der einfache Wunsch, die Wohnung zu bewohnen, reicht grundsätzlich nicht aus. Stets ist es eine Frage des Einzelfalls und es müssen vernünftige und nachvollziehbare Gründe vorliegen. Ob die Pflege von nahen Angehörigen im gleichen Haus eine Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtfertigt, hat nun das AG München entschieden.

AG München: „Pflege first“

Der zuständige Richter am AG München hat der Großnichte als Klägerin nun Recht gegeben und die Kündigung wegen Eigenbedarfs als rechtmäßig beurteilt. Der Entschluss des Vermieters die Wohnung selbst zu nutzen, sei grundsätzlich zu achten. In diesem Verfahren sei er auch von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen – es würden keine Zweifel an dem vorgetragenen Eigennutzungswunsch der Klägerin bestehen, um ihren Großonkel und ihre Großtante zu unterstützen.

Auf den konkreten aktuellen Gesundheitszustand der beiden komme es dabei gar nicht an, entschied das Gericht. Vielmehr sei bereits wegen des hohen Alters eine zeitnahe Hilfsbedürftigkeit derart naheliegend, dass auch ein „blendender“ Zustand der Gesundheit nicht gegen den Nutzungswunsch der Klägerin sprechen würde. Entsprechend betitelte das Gericht auch seine Pressemitteilung zu dem Verfahren: „Pflege first“.

Eine besondere Härte, die der Kündigung im Sinne des § 574 BGB entgegenstehen würde, sah das Gericht dabei weder im angeschlagenen Gesundheitszustand der Ehefrau noch in der aktuellen Wohnungsmarktsituation in München. Allerdings sprach das Gericht den Beklagten eine Räumungsfrist bis zum Ende des Jahres zu.

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