BGH zum (bewaffneten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

BGH zum (bewaffneten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Eine Frage der Zweckbestimmung und der mittäterschaftlichen Zurechnung

Zwei Freunde, eine Autofahrt in die Niederlande, Kokain und Heroin – und ein Pfefferspray im Handschuhfach. Vor dem BGH ging es um die Einfuhr und das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Die zentrale Frage: Waren die Freunde „bewaffnet“?

Worum geht es?

In einer jungen Entscheidung des BGH hatte sich der 3. Strafsenat unter anderem mit dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu beschäftigen. Anders als die vorige Instanz sahen die Karlsruher Richter:innen den Tatbestand verwirklicht – aufgrund eines Pfeffersprays im Handschuhfach, das der Angeklagte vorher eigentlich „verschwinden“ lassen wollte. Es ist eine spannende Entscheidung, in der die Bundesrichter:innen geradezu lehrbuchartig den Tatbestand des § 30a II Nr. 2 BtMG geprüft haben und das Strafrecht AT eine ausschlaggebende Rolle einnahm.

Es ging um eine seitens der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision zu Ungunsten des Angeklagten M. Dieser soll zusammen mit dem Haupttäter Ö mit dem Auto in die Niederlande gefahren sein, um dort Kokain und Heroin zu erwerben. Die Fahrt soll auf Ös Bitte hin geschehen sein, der bereits wiederholt im Nachbarland Betäubungsmittel gekauft habe, um sie selbst zu konsumieren und gewinnbringend zu verkaufen.

Zu Beginn der Autofahrt soll Ö dann ein Pfefferspray in das Fahrzeug gelegt haben, um damit das angestrebte Betäubungsmittelgeschäft „abzusichern“. Der Angeklagte M soll daraufhin den Ö aufgefordert haben, das Pfefferspray „verschwinden“ zu lassen und habe auf mögliche Polizeikontrollen verwiesen. Ö habe dann das Spray in das Handschuhfach gelegt, um es dort weiterhin für den vorgenannten Zweck bereitzuhalten. M soll dies wahrgenommen haben.

Nach Feststellungen des LG Koblenz soll Ö in den Niederlanden 30 Gramm Heroin und 5 Gramm Kokain erworben haben – einen kleinen Anteil habe er direkt vor Ort konsumiert, den überwiegenden Rest habe er in Deutschland gewinnbringend verkaufen wollen. Mit den Betäubungsmitteln (es sollen dann noch 27.73 Gramm Heroin und 4,58 Gramm Kokain gewesen sein) überquerten die beiden Freunde die niederländisch-deutsche Grenze.

Doch in Deutschland wurden sie von der Polizei angehalten, kontrolliert und festgenommen. Dabei wurden nicht nur die Betäubungsmittel gefunden und sichergestellt, sondern auch das Pfefferspray aus dem Handschuhfach.

Entscheidung des LG Koblenz

M wurde vom LG Koblenz wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt. Eine Täterschaft bezüglich der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30a II Nr. 2 BtMG verneinte das LG und begründete dies damit, dass M – anders als Ö – das Pfefferspray nicht zur Verletzung von Personen bestimmt habe. Eine eigene subjektive diesbezügliche Zweckbestimmung habe er nicht vorgenommen; ganz im Gegenteil habe er gewollt, dass Ö das Pfefferspray „verschwinden“ lasse.

Eigene Verwirklichung des § 30a II Nr. 2 BtMG (-), aber…

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Der BGH monierte die Entscheidung des LG Koblenz und führte aus, dass dessen Erwägungen in rechtlicher Hinsicht „zu kurz“ greifen würden. Doch um dies nachvollziehen zu können, muss zuerst ein Schritt zuvor beleuchtet werden. Denn das LG habe nach Auffassung des BGH zutreffend erkannt, dass M den Qualifikationstatbestand der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30a II Nr. 2 BtMG nicht in vollem Umfang erfüllt habe – in eigener Person.

Eine eigenhändige Verwirklichung des § 30a II Nr. 2 BtMG scheitere dabei nicht in objektiver Hinsicht. Die beiden Freunde sollen schließlich das Pfefferspray im Handschuhfach gehabt haben. Ein Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines sonstigen Gegenstandes im Sinne des § 30a II Nr. 2 BtMG sei dann gegeben, so der BGH, wenn der Täter den Gegenstand in irgendeinem Stadium des Tathergangs bewusst gebrauchsbereit derart in seiner Nähe habe, dass er auf diesen ohne besonderen Zeitaufwand oder Schwierigkeiten zugreifen kann. Ein Pfefferspray im Handschuhfach würde dem entsprechen.

Allerdings müsse zudem in subjektiver Hinsicht eine Zweckbestimmung hinzutreten. § 30a II Nr. 2 BtMG setze nämlich weiter voraus, dass der Täter den entsprechenden Gegenstand zur Verletzung von Personen bestimmt hat (wenn es sich nicht um eine Schusswaffe handelt).

Um den Qualifikationstatbestand zu verwirklichen, bedarf es einer diesbezüglichen Zweckbestimmung.

Eine solche Zweckbestimmung soll der Angeklagte aber nicht selbst vorgenommen haben. Vielmehr sei es der Ö gewesen, der die Intention hatte, das Pfefferspray nicht zur Absicherung der Betäubungsmitteleinfuhr mitzuführen und gegebenenfalls gegen andere Personen einzusetzen – nicht der M. Zu diesem Entschluss ist auch das LG Koblenz gekommen.

…BGH rechnet M die Zweckbestimmung des Ö zu

Trotz dieser Feststellung scheide eine Strafbarkeit des M wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30a II Nr. 2 BtMG allerdings nicht aus. Und hierauf bezog sich die Kritik des 3. Strafsenats am Koblenzer LG, dessen Erwägungen in rechtlicher Hinsicht „zu kurz“ greifen würden. Denn auf die Frage, ob M selbst eine Zweckbestimmung bezüglich des Pfeffersprays habe oder nicht, komme es aus Rechtsgründen nicht an. Dem M könne vielmehr die Zweckbestimmung des Ö mittäterschaftlich nach § 25 II StGB zugerechnet werden.

Die Karlsruher Richter:innen argumentierten, dass es sich bei dem Mitsichführen eines Gegenstandes, der zur Verletzung von Personen im Sinne des § 30a II Nr. 2 BtMG geeignet und bestimmt ist, nicht um ein besonders persönliches Merkmal handeln würde, das zu einer Anwendung des § 28 II StGB führen könnte. Vielmehr handele es sich um ein qualifikationsbegründendes tatbezogenes Merkmal, das einem Mittäter, der von dem Mitsichführen durch einen anderen Mittäter weiß, nach § 25 II StGB zugerechnet werde. In der Entscheidung des 3. Strafsenats heißt es:

Es genügt insofern bei einer mittäterschaftlichen Tatbegehung für eine Zurechnung, wenn ein Mittäter, der eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den betreffenden Gegenstand hat, für sich die erforderliche Zweckbestimmung vorgenommen hat und der andere Mittäter hiervon weiß.

Dies sei bei dem Angeklagten M der Fall. Zwar habe er bei Beginn der Autofahrt in die Niederlande darauf hingewiesen, das Spray doch „verschwinden“ zu lassen. Dass es daraufhin in das Handschuhfach gelegt wurde, habe er aber gewusst – und die Betäubungsmittelfahrt mit durchgeführt.

M habe sich daher (auch) wegen der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln strafbar gemacht.

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