Die Bundestagswahlen als möglicher Aufhänger für kommende Klausuren und mündliche Prüfungen
Bei der Bundestagswahl soll es mancherorts zu Wahlrechtsverstößen gekommen sein: Die Rede ist von vielen abgegebenen Stimmen nach 18 Uhr, fehlenden Wahlzetteln und einem Kanzlerkandidaten, dessen Stimmabgabe nicht geheim war. War alles rechtens?
Worum geht es?
Deutschland hat gewählt! Am 26. September 2021 hatten die wahlberechtigen Bürger:innen die Möglichkeit, ihre Stimmen für den 20. Deutschen Bundestags abzugeben. Das vorläufige Ergebnis der Wahl hat der Bundeswahlleiter am 27. September um 06:00 Uhr bekannt gegeben, rund 12 Stunden nach Ende der „eigentlichen“ Wahlzeit. Denn gewählt werden darf bei einer Bundestagswahl, die an einem Sonntag oder an einem gesetzlichen Feiertag stattfinden muss (§ 16 BWG), von 8 bis 18 Uhr.
Doch bei dieser Bundestagswahl kam es Berichten zu Folge zu einigen Komplikationen, die rechtlich spannend sind und sich daher gut in staatsorganisationsrechtliche Klausuren oder als Aufhänger für mündliche Prüfungen einbauen lassen. Die Rede ist vom „Wahl-Chaos“ in Berlin und Armin Laschets (CDU) Stimmabgabe.
Berlin – was war passiert?
In der Hauptstadt und dem zukünftigen Arbeitsort der gewählten Abgeordneten soll es zu mehreren organisatorischen Problemen gekommen sein. Nun hat die Landeswahlleiterin Petra Michaelis verschiedene Probleme selbst eingeräumt. Berlin stand am Sonntag vor einer großen, organisatorischen Aufgabe: Nicht nur fand der Marathon in der Hauptstadt statt, auch hatten die Berliner:innen gleich vierfach die Wahl. Sie konnten ihre Stimmen für den Bundestag, das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen abgeben. Zusätzlich gab es die Möglichkeit, an einem Volksentscheid teilzunehmen.
In den Wahllokalen herrschte Chaos. An manchen Wahlorten sollen die Wahlzettel ausgegangen sein, in anderen meldeten sich mehrere Wahlhelfer:innen krank. Die Folge: Vor den Lokalen bildeten sich lange Schlangen. Auch nach 18 Uhr standen noch viele Bürger:innen der Landeshauptstadt an, um ihre Stimmen abzugeben. Zu diesem Zeitpunkt aber veröffentlichten die ersten Medien bereits die ersten Prognosen, die auf Nachwahlbefragungen beruhen. Wer in der Schlange stand, konnte also auf seinem Smartphone die ersten Prognosen mitverfolgen, obwohl die eigene Wahl noch bevorstand.
Berlin – Wie ist die Rechtslage?
Die Fragen, ob und wenn ja welche Konsequenzen dies hat, ist noch nicht beantwortet. Klar ist: In Deutschland laufen Bundestagswahlen immer gleich ab. Am Wahltag wird von 8 bis 18 Uhr gewählt, um 18 Uhr endet damit die Wahlzeit. Erst dann – also um 18 Uhr – dürfen die ersten Wahlprognosen veröffentlicht werden. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass Wahlberechtigte in ihren Stimmabgaben beeinflusst werden (§ 32 BWG).
Dass aufgrund organisatorischer Komplikationen viele Berliner:innen erst nach 18 Uhr wählen konnten, ist laut der Bundeswahlordnung allerdings zulässig. Danach sind Wähler:innen zur Stimmabgabe zugelassen, die vor Ablauf der Wahlzeit erschienen sind und sich im Wahlraum oder aus Platzgründen davor befinden. Verzögerte Wahlen nach 18 Uhr sind damit gesetzlich geregelt und möglich.
Doch anders könnte es mit der Veröffentlichung der Prognosen sein. Hätten die Medien warten müssen, bis die letzten Stimmen abgegeben sind? Seitens des Bundeswahlleiters wurde durch den Pressesprecher Florian Burg kommentiert:
Es ist wichtiger, dass gewählt werden kann.
Ähnlich sieht es auch Staatsrechtler Markus Ogorek. In einem Interview stufte er das Szenario in einen Graubereich ein und bezeichnete es als „keinen harten Wahlrechtsverstoß“. Es komme dabei auf Abwägungsentscheidungen an. Es wäre unverhältnismäßig, die Prognosezahlen aufgrund einigen länger geöffneten Wahllokalen weiter zurückzuhalten, heißt es in seiner Einschätzung.
Überblick: Wahlgrundsätze, Art. 38 I 1 GG
Relevante Lerneinheit
Auswirkung auf Wahl schwer nachzuweisen
Außerdem müsste man bei Annahme eines Verstoßes gegen unser Wahlrecht nachweisen, dass die veröffentlichten Prognosen tatsächlich das Wahlverhalten derjenigen beeinflusst hat, die noch in den Berliner Schlangen gestanden haben. So sieht es auch Sophie Schönberger, Professorin für öffentliches Recht und Kodirektorin des Instituts für Parteienrecht an der Universität Düsseldorf. Da das Wahlprüfungsrecht auf die Stabilität des Parlaments ausgelegt sei, könne eine Nachwahl nur stattfinden, wenn dargelegt werden könne, dass Parlamentssitze auch falsch verteilt wurden. In einem Interview mit der SZ äußerte sie auf die Frage, ob es rechtliche Konsequenzen geben würde:
Nein, weil man letztlich nicht wird beweisen können, dass sich diese Fehler aufs Ergebnis der Wahl […] ausgewirkt haben. Das ist entscheidend für die Frage, ob man eine Wahl anfechten kann.
Laschets Stimmabgabe ungültig?
Auch rund 600 km weiter westlich gab es Diskussionen um die Gültigkeit von Stimmabgaben. Dabei ging es nicht um irgendwelche, sondern um die abgegebenen Stimmen des CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Armin Laschet, der in seinem Wahlbezirk Aachen vergangenen Sonntag wählte. Wie es bei Spitzenpolitiker:innen und insbesondere Kanzlerkandidat:innen üblich ist, werden diese Besuche der Wahllokale von Fototerminen begleitet. Bei Laschets Wahlgang aber waren seine beiden Kreuze bei der CDU deutlich zu erkennen, als er seinen Stimmzettel in die Wahlurne steckte.
Dieses Ereignis betrifft einen unserer verfassungsrechtlich gesicherten Wahlgrundsätze – den Grundsatz der geheimen Wahl. Er soll sicherstellen, dass niemand Kenntnis davon erlangt, für welchen Wahlvorschlag Wähler:innen gestimmt haben. Der Grundsatz der geheimen Wahl geht damit Hand in Hand mit dem Grundsatz der Freiheit der Wahl einher: Andere Wähler:innen sollen vor Beeinflussungen geschützt werden.
Vor und nach der Wahlhandlung darf zwar die Stimmabgabe selbstredend offenbart werden. Etwas anderes gilt aber für die Wahlhandlung selbst: Die Bürger:innen dürfen nicht nur, sondern sie müssen sogar geheim wählen.
Laschets falsche Stimmabgabe bleibt folgenlos
Bei Armin Laschet war der Stimmzettel so gefaltet, dass seine beiden Kreuze deutlich zu erkennen waren, obwohl er sich im Wahlvorgang befand. Schließlich waren seine Stimmen noch nicht in die Urne geworfen. Wie mit so einer Situation umzugehen ist, bestimmt § 56 VI Nr. 5 Alt. 1 Bundeswahlordnung. Darin heißt es:
Der Wahlvorstand hat einen Wähler zurückzuweisen, der seinen Stimmzettel so gefaltet hat, dass seine Stimmabgabe erkennbar ist […]
„Eigentlich“ hätte der CDU-Kanzlerkandidat erneut wählen müssen. Doch Laschets Stimmzettel wurde nicht aussortiert. Nach Angaben der Stadt Aachen war es dem Wahlvorstand nicht möglich, den Fehler zu erkennen. Später am Tag bestätigte dann der Bundeswahlleiter die Gültigkeit trotz Verstoßes:
Gelangt der Stimmzettel dennoch in die Wahlurne, kann er nicht mehr aussortiert werden und ist gültig.
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