Welche Regeln gelten bei ärztlicher Aufklärung?
Unterliegen ärztliche Aufklärungsformulare eigentlich der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB? Mit dieser Frage mussten sich die Richter des III. Zivilsenats des BGH jüngst beschäftigen. Sie entschieden, dass ärztliche Aufklärungsformulare gemäß § 307 III 1 BGB nur einer eingeschränkten Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen.
Worum geht es?
Dem Urteil des BGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte ist ein Verband von Augenärzten. Er empfiehlt seinen Mitgliedern - also praktizierenden Ärzten - die Verwendung eines Patienteninformationsblatts, in welchem die Patienten darüber aufgeklärt werden, dass ab einem Alter von 40 Jahren die Gefahr besteht, dass sich ein Glaukom (sogenannter Grüner Star) entwickelt, ohne dass frühzeitig Symptome auftreten. Deshalb werde eine von den Krankenkassen nicht bezahlte Früherkennungsuntersuchung angeraten. Das Formular enthält folgende Passage:
“Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, daß trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.”
Darunter kann der Patient folgende Möglichkeiten ankreuzen und muss anschließend unterschreiben: “Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom)” oder “Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung”.
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband. Dieser ist der Auffassung, bei der Erklärung, die Patienteninformation gelesen und darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten sei, handele es sich um eine nach § 309 Nr. 12 b) BGB unzulässige Tatsachenbehauptung. In § 309 Nr. 12 b) BGB heißt es:
“Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam eine Bestimmung durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt.”
Bei § 309 BGB handelt es sich um sogenannte Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit. Das bedeutet, dass solche AGB-Klauseln generell als unwirksam anzusehen sind. Der Kläger hat beantragt, den Ärzteverband zu verurteilen, es zu unterlassen, seinen Mitgliedern die Verwendung dieser Klausel zu empfehlen.
Das LG Düsseldorf hatte der Klage des Verbraucherschutzverbandes stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten wurde die Klage durch das OLG Düsseldorf abgewiesen. Aufgrund der Entscheidung des OLG Düsseldorf legte der Kläger Revision zum BGH ein - ohne Erfolg.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt und die Revision zurückgewiesen. Der III. Zivilsenat führt in seiner Entscheidung aus, dass die angegriffene Klausel nicht nach §§ 307 I, II, 308 oder 309 BGB unwirksam sei. Sie weiche nicht von Rechtsvorschriften ab, sodass eine Inhaltskontrolle nach § 307 III 1 BGB überhaupt nicht stattfinde.
Das vom Beklagten empfohlene Informationsblatt unterrichte die Patienten über das Risiko eines symptomlosen Glaukoms und über die Möglichkeit einer (auf eigene Kosten durchzuführenden) Früherkennungsuntersuchung. Die streitige Klausel diene also der Dokumentation der hierüber erfolgten Aufklärung und der Entscheidung des Patienten, ob er die angeratene Untersuchung vornehmen lassen möchte.
Eigenständige Regeln für ärztliche Aufklärung
Weiter führt der BGH aus, dass für die ärztliche Aufklärung durch die Rechtsprechung des BGH entwickelte eigenständige Regeln gelten, die auch das Beweisregime erfassen würden. Danach könnten unter anderem die Aufzeichnungen des Arztes im Krankenblatt herangezogen werden. Einen wesentlichen Anhaltspunkt für den Inhalt der dem Patienten erteilten Aufklärung stelle insbesondere ein dem Patienten zur Verfügung gestelltes oder von diesem unterzeichnetes Aufklärungs- oder Einwilligungsformular dar. Dem Umstand, dass es sich um formularmäßige Mitteilungen, Merkblätter oder ähnliche allgemein gefasste Erklärungen handele, hat der BGH dabei jeweils keine einer Beweiswirkung entgegenstehende Bedeutung beigemessen.
Vielmehr hat er auf die Vorteile vorformulierter Informationen für den Patienten hingewiesen und diesen selbst dann einen Beweiswert beigemessen, wenn sie nicht unterschrieben sind. An diese Grundsätze hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 angeknüpft. In dieses besondere Aufklärungs- und Beweisregime des Rechts des Behandlungsvertrags füge sich die angegriffene Klausel ein, so dass sie mit der Rechtslage übereinstimme, so der BGH.
Aufbau der Prüfung: AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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