Haftet ein Notar für geänderte Rechtsprechung?

Ein Landwirt, eine „klassische Hausfrauenehe“ und eine Forderung von 300.000 Euro Schadensersatz

Im Ehevertrag wurden vor 30 Jahren die Rechte der Ehefrau weitestgehend ausgeschlossen, nun kam es zur Scheidung. Da vor Gericht die Wirksamkeit des alten Ehevertrags angezweifelt wird, zahlt der Mann seiner Frau eine hohe Abfindung. Diese verlangt er nun vom damaligen Notar zurück - zu Recht?

Worum geht es?

In einer aktuellen Entscheidung hat das LG Frankenthal sich mit Haftungsfragen eines Notars befasst. Dessen Belehrungen und Hinweise müssten sich stets an der aktuellen Rechtslage orientieren. Wenn vor 30 Jahren die Rechtslage also anders war, in Verbindung mit seiner Tätigkeit aber nun ein Schaden eingetreten ist, müsse er dafür nicht haften. So war es im vorliegenden Fall: ein Landwirt, eine „klassische Hausfrauenehe“ und eine Forderung von 300.000 Euro.

Notar beurkundete Ehevertrag

Der Landwirt schloss vor rund 30 Jahren mit seiner Verlobten einen Ehevertrag ab, der von einem Notar beurkundet wurde. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits klar gewesen, dass die Frau nicht arbeiten sollte, sondern innerhalb des Ehelebens für die Kindererziehung den Haushalt zuständig sein sollte. Außerdem wollte der Mann seinen landwirtschaftlichen Betrieb vor Ansprüchen schützen, sollte die Ehe einmal scheitern. Der Notar riet daher in Ausübung seiner Tätigkeit, dass die späteren Ehegatten für den Fall einer Scheidung auf sämtliche gegenseitige ehe- und erbrechtlichen Ansprüche verzichten sollten. Dazu zählten insbesondere der gesetzlich vorgesehene Unterhalt und der Versorgungsausgleich.

Im Jahr 2019 kam es dann aber zur Trennung der Eheleute. Im Zuge dessen äußerte die Frau nun Zweifel an der Wirksamkeit des Notarvertrags. Diese wurden bei der Scheidung vor dem AG Bad Dürkheim thematisiert, auch das Gericht hatte Bedenken, ob es nicht sittenwidrig war, bei Beginn der Ehe die Rechte der Ehefrau so weitgehend auszuschließen.

Der Mann zahlte seiner geschiedenen Frau daher eine Abfindung in Höhe von ca. 300.000 Euro. Diesen Betrag wollte er aber nun vom damals beauftragten Notar wiederhaben und forderte Schadensersatz.

Änderung der Rechtslage ist keine schuldhafte Verletzung von Amtspflicht

Der geschiedene Mann argumentierte, dass der Notar für seine Zahlung in Höhe von 300.000 Euro haften müsse: Er hätte seine bei Abschluss des Ehevertrages schwangere Verlobte nicht geheiratet, wenn der Notar ihn auf die mögliche Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen hätte.

Vor dem LG Frankenthal hatte er mit dieser Argumentation keinen Erfolg. Das Gericht sah bei der Tätigkeit des Notars vor gut 30 Jahren keine schuldhafte Verletzung seiner Amtspflichten, auch wenn jetzt eine andere Rechtslage gelte:

Die Beratungspflichten eines Notars orientieren sich immer an der geltenden Rechtslage und der hierzu ergangenen Rechtsprechung.

Vor 30 Jahren sei der Ausschluss sämtlicher Ansprüche der Ehefrau, insbesondere des Versorgungsausgleichs, im Rahmen einer „klassischen Hausfrauenehe“ von der Rechtsprechung noch nicht als sittenwidrig angesehen worden. Dies habe sich erst 10 Jahre später geändert, führte das Gericht aus und verwies auf Entscheidungen des BVerfG.

Anders wäre es, wenn der oder die Notar:in eine Änderung der Rechtsprechung hätte vorsehen können. In diesem Fall sei die Entwicklung der Rechtsprechung aber nicht vorhersehbar gewesen – weshalb er auch nicht haften müsse.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

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